Zum Einsatz von Superabsorbern im Wald

Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken [1]. Mit rund 14 Millionen Tonnen verbraucht in Europa kein anderes Land so viel Plastik wie Deutschland. Kunststoffe zeigen sie eine sehr unterschiedliche Persistenz in der Umwelt [4] und können daher zum Problem werden, wenn sie unkontrolliert in die Umwelt gelangen. Vor allem Makro-, Mikro- und Nanoplastik [3] ist kaum rückholbar und rückt daher immer mehr in den Fokus. Eine besondere Form des Mikroplastiks sind z.B. Superabsorber. Diese erdölbasierten synthetischen Polymere finden sich u.a. in Windeln und können ein Vielfaches ihres Gewichtes an Wasser speichern und wieder abgegeben. Die Idee, dieses Mittel zur Erhöhung der Wasserhaltefähigkeit in den Boden zu bringen, stammt ursprünglich aus der Landwirtschaft. Sie wird in Kombination mit Bewässerung auf sandigen Böden in ariden Klimaten eingesetzt.

Beim Waldbesitz und in der forstlichen Fachpresse werden neuerdings Superabsorber für den Einsatz im Wald vorgestellt (vgl. auch Fachkataloge des forstlichen Versandhandels). Dabei wird direkt oder indirekt darauf hingewiesen, dass man damit den Anwuchserfolg junger Pflanzen verbessern könne. Ein Produktversprechen, das gerade in den letzten drei trocken-heißen Jahren Aufmerksamkeit erhalten konnte.

Aktueller Erkenntnisstand

Wir möchten daher unseren aktuellen Erkenntnisstand zum Einsatz von Superabsorbern im Wald darstellen. Entscheidende Frage im Rahmen einer nachhaltigen und naturnahen Bewirtschaftung ist die Gewährleistung der biologischen Abbaubarkeit. Allerdings mangelt es herstellerseitig oft an genauen Angaben zur vollständigen biologischen Abbaubarkeit oder deren Unbedenklichkeit in Waldböden. Bislang liegen keine Zertifikate oder gar Normen zur Abbaubarkeit vor, die den speziellen Vorgaben einer nachhaltigen und naturnahen Waldwirtschaft genügen: biologisch und rückstandslos unter Waldbedingungen abbaubar (vgl. zu EN/ DIN-Normen: Kunststoff im Wald: Geht es auch nachhaltiger?). Ebenso sind Interaktionen mit Bakterien, Mikroorganismen oder auch Regenwürmern samt nachfolgender Nahrungskette nicht oder nur ungenügend bekannt (z.B. [10]). Sogar in der unbelebten Bodenumwelt (physikalische, chemische Bodeneigenschaften, z.B. Huminstoffe) können negative oder zumindest unklare Wirkungen auf Prozesse und Funktionen eintreten (z.B. [2).

Eine Anfrage bei einem großen Produzenten von Superabsorbern hatte zur Antwort, dass dieses Produkt nicht vollständig abbaubar ist und ein organischer Rest übrigbleibt. Somit kann die Einbringung von Superabsorbern in Waldböden via Pflanzung durchaus problematisch sein und nach unserem derzeitigen Erkenntnisstand nicht empfohlen werden.

Wirksamkeit und Alternativen

Für Waldbesitzende stellt sich darüber hinaus die Frage der Wirksamkeit. Länger ausbleibender Regen kann durch den Einsatz von Pulvern und Tabletten wohl nicht oder nur mangelhaft ersetzt werden. Fehlt der Niederschlag, können die Superabsorber gar nicht erst aufquellen und die Entwicklung der Pflanzung in eine Trockenphase hinein bleibt problematisch. Bisherige Versuche mit Superabsorbern haben den Anwuchserfolg von Forstpflanzen nicht nachweislich erhöht ([5, 12, 13]) oder die Vitalität verbessert [11]. Auch abhängig von der weiteren (Produkt)entwicklung und einer unabhängigen wissenschaftlichen Produktprüfung sehen wir daher bzgl. des Einsatzes von Absorbern im Wald noch thematisch umfangreichen Klärungs- und Untersuchungsbedarf.

Für zertifizierte Waldbesitzende ist wegen des möglichen Einflusses auf den Waldboden vor einer Anwendung die Vereinbarkeit mit ihrem Zertifizierungssystem (FSC oder PEFC) zu klären (vgl. zu verschiedenen Wuchshüllentypen: [8, 9]). Auch eine Förderung erscheint daher fragwürdig (vgl. Plastik-Wuchshüllen: [7]). In einigen Bundesländern ist die Anwendung von Superabsorbern im Rahmen der waldbaulichen Förderung nicht zulässig.

Effektive Möglichkeiten, den Anwuchserfolg nach der Pflanzung auch bei bemessenen Trockenperioden sicherzustellen, ist die konsequente Beachtung der bekannten Voraussetzungen: Gute Pflanzenqualität, eine ungebrochene Frischekette von der Baumschule bis zur Pflanzung sowie eine sorgfältige Pflanzung in der richtigen Pflanzzeit. Sollten nach der Pflanzung Niederschläge "zu" lange ausbleiben, kann in Einzelfällen eine Bewässerung in Betracht gezogen werden.

Literatur

  1. Andrady, A. L., NEAL, M. A. (2009): Applications and societal benefits of plastic. Philosophical transactions of the Royal Society of London. Series B, Biological sciences 364 (1526), S. 1977-1984. DOI: 10.1098/rstb.2008.0304.
  2. De Souza M.; Anderson A.; De Kloas, W.; Zarfl, C.; Hempel, S.; Rillig, M. C. (2018): Microplastics as an emerging threat to terrestrial ecosystems. Global Change Biology 24 (4), S. 1405-1416. DOI: 10.1111/gcb.14020.
  3. EFSA CONTAM PANEL (2016): Statement on the presence of microplastics and nanoplastics in food, with particular focus on seafood. EFSA Journal 2016;14(6):4501, 30pp. DOI: 10.290/j.efsa.2016.4501
  4. Eyerer, P. (2005): Einführung in Polymer Engineering. In: Peter Eyerer, Peter Elsner und Thomas Hirth (Hg.): Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften. 1. Aufl. s.l.: Springer-Verlag (VDI-Buch), S.1-449. DOI: 10.1007/3-540-26433-7_1
  5. Frischbier N., K. Kahlert, M. Köhler, J. Schwerhoff, W. Arenhövel (2010): HydroGel zur Unterstützung von Kulturen. AFZ/DerWald (5) 4-7.
  6. Graf, Y.; Hein, S. (2020): Auf dem Weg zu einer Plastikreduktionsstrategie. Biobasierte und bioabbaubare Kunststoffe in der Waldbewirtschaftung am Beispiel von Wuchshüllen. Holz-Zentralblatt 2020 (49): 906-907.
  7. Graf, Y.; Hein, S.; Schnabl, A.; Gebauer, T. (2021): Förderung von Verbissschutz im Ländervergleich, Teil 1: Förderung von Wuchshüllen - Ansätze, Vorgaben, Rückbau und mögliche Weiterentwicklung des Fördersystems. Holzzentralblatt in Druck. 
  8. Hein, S.; Hafner, M.; Schurr, C.; Graf, Y. (2021a): Zur rechtlichen Situation von Wuchshüllen in der Waldbewirtschaftung in Deutschland: Teil I: Definitionen, Rechtsrahmen, kreislaufwirtschaftsrechtliche Sicht und Bundesbodenschutzgesetz. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 191-1/2: 22-30. [doi: 10.23765/afjz0002056].
  9. Hein, S.; Hafner, M.; Schurr, C.; Graf, Y. (2021b): Zur rechtlichen Situation von Wuchshüllen in der Waldbewirtschaftung in Deutschland: Teil II: Forst- und naturschutzrechtliche Sicht, Lösungsansätze und Folgerungen. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 191-1/2: 31-36. [doi: 10.23765/afjz0002057].
  10. Huerta, L. E., Gersten, H., Gooren, H., Peters, P., Salánki, T., Van Der Ploeg, M. (2016): Microplastics in the Terrestrial Ecosystem: Implications for the Lumbricus terrestris (Oligochaeta, Lumbricidae). Environmental science & technology 50 (5), S. 2685-2691. DOI: 10.1021/acs.est.5b05478.
  11. Kirscht, M. (2011): Rekultivierung von Tagebaufolgeflächen mit verschiedenen Bodenhilfsstoffen und Baumarten. Dissertation, Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie, Uni-Göttingen, 481 S. 
  12. NW-FVA (2020): Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt Göttingen. Erste Auswertung der Versuches Rotenburg/Fulda 225.
  13. Stoll, B. (2011): Vergleich unterschiedlicher Anbaumethoden von Energieholzplantagen. Dissertation an der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Universität Göttingen.