Die Wälder im Schweizer Mittelland sind gestresst. Steigende Temperaturen, Trockenperioden und Stürme mit anschliessender Massenvermehrung von Borkenkäfern setzen vor allem der Fichte und der Buche zu – zwei Baumarten, die heute den Grossteil der Holzvorräte ausmachen. Da Fichten- und Buchenwälder oft eher artenarm sind, entstehen in Waldöffnungen natürlicherweise häufig wieder Wälder aus Fichten und Buchen. Um hier Baumarten zu fördern, die den künftigen Umweltbedingungen besser trotzen, können Pflanzungen die Naturverjüngung gezielt ergänzen. Wachsen die Zukunftsbäume gut an, werden sie in Zukunft als Samenbäume dienen.

Abb. 1. Dürre Buchen und abgestorbene Fichten: Die Trockenheit 2018 hat in der Ajoie (JU) zu einem massiven Baumsterben geführt. Foto: Valentin Queloz, WSL
Wer heute Bäume pflanzt, gestaltet langfristig den Wald von morgen – und muss deshalb die zukünftigen Klimabedingungen mitberücksichtigen. Bewährte Baumarten können an gewissen Standorten zum Risiko werden, während der Bedarf an klimaresilienten Alternativen steigt. Damit rückt eine zentrale Frage in den Vordergrund: Wie lassen sich unter veränderten Rahmenbedingungen geeignete Baumarten für die wichtigsten Standorte bestimmen? Sollen seltene, aber trockenresistente Arten gezielt gefördert werden – und wenn ja, welche?
Die rasche Klimaveränderung macht waldbauliche Entscheidungen schwierig und der Bedarf an Entscheidungshilfen wächst. Der bekannte Ansatz der «analogen Standorte» bei der Baumartenwahl kombiniert dabei die schweizweit gut dokumentierten NaiS-Standorttypen mit Prognosen, die auf der klimabedingten Verschiebung der Vegetationshöhenstufen und Baumartenareale basieren.
Modell statt Kartierung: eine neue Generation der Standortkunde
Ein Forschungsprojekt der Eidg. Forschungsanstalt WSL zeigt, wie auf Basis der bekannten NaiS-Standorttypen mit Hilfe eines räumlich expliziten Modells Aussagen über die natürliche Waldvegetation gemacht werden können. Es kombiniert Methoden des maschinellen Lernens (Random Forests) mit flächendeckend verfügbaren Umweltdaten und stellt damit eine Alternative zur klassischen, aber zeitintensiven und vielerorts kaum mehr in der nötigen Breite durchführbaren Standortskartierung durch Experten im Gelände dar.
Das Verfahren ermöglicht eine gesamtschweizerische Beurteilung der aktuellen und künftigen Standortsverhältnisse und bietet eine datengestützte Grundlage für geeignete Wuchsgebiete von Zukunftsbaumarten.
Was passiert, wenn sich das Klima ändert – aber die Baumart bleibt?
Mit Modellen kann die potenziell natürliche Baumartenzusammensetzung einer Waldfläche unter heutigen und künftigen Klimabedingungen berechnet werden (Abb. 2).
Abb. 2. Anteile der wichtigsten Waldeinheiten (vertreten auf mindestens 1% der Schweizer Waldfläche) gemäss Modellierung unter heutigem (1981-2010) und zukünftigem Klima mit starkem Klimawandel (RCP 8.5 «kein Klimaschutz», 2071–2100). Die unterschiedlich breiten Wege von der linken zur rechten Seite quantifizieren, wie sich die heutigen Waldeinheiten als Folge des Klimawandels bis ins Jahr 2100 verändern könnten. Quelle: Scherrer et al. (2021)
Gemäss dieser Modellierung ist es wahrscheinlich, dass bis Ende des 21. Jahrhunderts
- submontane Buchenwälder zum grössten Teil bestehen bleiben.
- Standorte mit heute untermontanen Buchenwäldern etwa zur Hälfte beständig und zur Hälfte für submontane Buchenwälder geeignet sein werden.
- etwa 40% der heutigen Tannen-Buchenwälder bestehen bleibt, während 40% für untermontane Buchenwälder geeignet sein wird und ein kleiner Teil sogar zu submontanen Buchenwäldern werden könnten.
Auf rund 14% der heutigen Waldfläche werden gemäss Prognose «neue Verhältnisse» (z.B. trockener oder wärmer) eintreten, wie sie heute nirgends in der Schweiz anzutreffen sind. Dies betrifft vor allem Standorte, die heute als submontane Buchenwälder (32.5%), Tannen-Fichtenwälder (10.5%) und Eichenwälder (6%) klassifiziert sind. In diesen Gebieten könnten neue Standorttypen entstehen, zum Beispiel Gesellschaften mit mediterranen Baumarten (Abb. 3, schwarze Flächen).

Abb. 3. Klimatische Verschiebung der heutigen Waldstandorte unter Annahme eines starken Klimawandels (RCP 8.5 «kein Klimaschutz»). Auf schwarz eingefärbten Waldflächen könnte das erwartete Klima ausserhalb der Klimabereichs der heutigen Waldgesellschaften in der Schweiz liegen. Quelle: Scherrer et al. (2021)
Unter Folie in die Zukunft blicken
Um eine standortgerechte und zukunftsfähige Baumartenwahl treffen zu können, müssen zuverlässige Kenntnisse darüber vorliegen, welche Baumarten unter den zu erwartenden Bedingungen besonders widerstandsfähig gegenüber Hitze, Trockenheit und Konkurrenz sind.
Modelle können aufzeigen, wohin sich die Eignung der heutigen Baumarten verschieben könnte. Das WSL Folientunnel-Experiment, bei dem in mobilen Folientunneln ein Klima mit wärmeren Temperaturen simuliert wird – in Kombination mit und ohne Trockenheit – geht zusätzlich der Frage nach, wie mögliche Baumarten der Zukunft und ihre Partnerorganismen im Boden auf die zu erwartenden Klimabedingungen reagieren.
An drei Standorten des Projektes Testpflanzungen zukunftsfähiger Baumarten von BAFU und WSL wurden zusätzliche Pflanzungen angelegt (Abb. 4), wo die einheimischen Baumarten Buche, Traubeneiche und Weisstanne sowie die für das Mittelland gebietsfremden Arten Douglasie, Atlaszeder und Zerreiche bereits heute in einem wärmeren und trockeneren Klima wachsen.

Abb. 4. WSL Folientunnel-Experiment an drei Standorten (rote Kreise) im Schweizer Mittelland: 1) Aesch (ZH), 2) Apples (VD) und 3) Pfeffingen (BL).
Dazu errichteten die Forschenden mobile Folientunnel, unter denen Temperatur und Wasserverfügbarkeit gezielt verändert werden. Die Bedingungen entsprechen einem Klima, wie es bis 2100 in tieferen Lagen des Mittellandes zu erwarten ist: wärmere Winter, früher eintretende Vegetationsperioden, trockenere Sommer. Als Kontrolle dienen Vergleichsflächen ohne Folientunnel.
Das Experiment zielt darauf ab, zu klären, wie sich unterschiedliche Baumarten und Herkünfte unter zukünftigen Klimabedingungen entwickeln und ob sie es schaffen, die kritische Schwelle zur etablierten Verjüngung zu überschreiten.
Douglasie mit Vorsprung
Während wärmere Winter- und Frühlingstemperaturen einen früheren Wachstumsbeginn ermöglichen, können heiss-trockene Sommer zu einem verfrühtem Laubfall führen. Zeitpunkt und Auslöser von Austrieb und Blattfall sind jedoch von Baumart zu Baumart verschieden. Klimaveränderungen wirken sich daher nicht einheitlich auf die Wachstumsdauer und das Wachstum der verschiedenen Baumarten aus.
Erste Ergebnisse aus dem WSL Folientunnel-Experiment zeigen: Die Douglasie ist auf trockenen, kargen Standorten wie in Pfeffingen BL in der Jugendphase erstaunlich konkurrenzfähig. Sie hat hier nach der Pflanzung deutlich häufiger überlebt als Buche und Eiche, und wuchs in den ersten drei Jahren auch schneller in die Höhe.
Ein Grund: Die Douglasie investiert stark in Feinwurzeln, die Nährstoffe in oberflächennahen Bodenschichten effizient erschliessen. Diese Durchwurzelungsstrategie kann auf kargen Standorten von Vorteil sein und eine Beimischung dieser Baumart könnte Aufforstungen nach Trockenheit oder Waldbrand begünstigen. Wenn die Douglasie überhand nimmt, birgt dies allerdings auch Risiken für heimische Arten und die Biodiversität: die Vielfalt an Bodenpilzen, Insekten und Vögeln ist in reinen Douglasienbeständen geringer als in heimischen Mischwäldern.




Abb. 5. Das WSL Folientunnel-Experiment zeigt, dass an Standorten mit tiefgründigem Boden und hoher Wasserverfügbarkeit (a) die meisten Baumarten bei wärmeren Temperaturen schneller wachsen als unter heutigen Bedingungen (b). Auf kargem Boden mit wenig Wasserspeicherkapazität hingegen ist die Mortalität bei den einheimischen Baumarten in den ersten Jahren nach der Pflanzung bereits unter heutigen Bedingungen hoch (c). Unter zukünftigen Bedingungen mit wärmeren Temperaturen sind an diesem Standort vor allem die Douglasien erfolgreich, aber auch ihr Wachstum ist bei höheren Temperaturen eingeschränkt (d). Die Atlaszedern überlebten zwar gut, aber ihr Wachstum war sehr gering. Fotos: Verjüngungsökologie der Pflanzen (WSL)
Abb. 5. Das WSL Folientunnel-Experiment zeigt, dass an Standorten mit tiefgründigem Boden und hoher Wasserverfügbarkeit (a) die meisten Baumarten bei wärmeren Temperaturen schneller wachsen als unter heutigen Bedingungen (b). Auf kargem Boden mit wenig Wasserspeicherkapazität hingegen ist die Mortalität bei den einheimischen Baumarten in den ersten Jahren nach der Pflanzung bereits unter heutigen Bedingungen hoch (c). Unter zukünftigen Bedingungen mit wärmeren Temperaturen sind an diesem Standort vor allem die Douglasien erfolgreich, aber auch ihr Wachstum ist bei höheren Temperaturen eingeschränkt (d). Die Atlaszedern überlebten zwar gut, aber ihr Wachstum war sehr gering. Fotos: Verjüngungsökologie der Pflanzen (WSL
Zwischen Ökologie und Ökonomie
Während Laubbaumarten wie Eiche oder Ahorn in mittleren Lagen an Bedeutung gewinnen, bleibt der Bedarf an Nadelholz für die Holzindustrie hoch. Douglasie und Atlaszeder könnten hier eine Alternative sein. Allerdings zeigen jüngste Erfahrungen aus der Praxis, dass auch die Douglasie unter extremen Trockenperioden leidet. Und die Anbauversuche mit Atlaszeder im WSL Folientunnel-Experiment bestätigen Erfahrungen aus Frankreich, wo diese Art nur dort erfolgreich ist, wo sie tief wurzeln kann. Um die ökologischen Auswirkungen von nicht-heimischen Nutzholzarten möglichst gering zu halten, sollte deren Einsatz standortsspezifisch geprüft und waldbaulich sorgfältig begleitet werden – insbesondere in schutzwürdigen Laubwäldern, naturnahen Bodenökosystemen und ökologisch sensiblen Gebieten. Klar ist: Eine resiliente Waldentwicklung braucht robuste, konkurrenzfähige Jungbäume, die sich unter sich verändernden Klimabedingungen behaupten können.



