Der Wald steht unter Druck. Steigende Tempera­turen, häufigere Trocken­perioden und neue Schädlings­risiken verändern die ökologischen Rahmen­bedingungen. Viele bewährte Baum­arten geraten in ihrem aktuellen Verbreitungs­gebiet an ihre Grenzen – andere könnten sich neu etablieren. Die zentrale Frage: Welche Baum­arten können künftig die vielfältigen Wald­funktionen sichern – und unter welchen Standort­bedingungen? 

Eine Plattform für kollektives Wissen

Obwohl wissenschaftliche Projekte wie die Test­pflanzungen wichtige Erkenntnisse liefern, vergehen Jahre, bis gesicherte Resultate vorliegen. Gleichzeitig liegt in der Praxis bereits ein enormer Schatz an Erfahrungs­wissen brach: Beobachtungen aus der Natur­verjüngung, Pflanz­versuche, Pflege­erfahrungen mit seltenen oder neuen Baum­arten. Dieses Wissen ist oft lokal verankert – aber bisher kaum systematisch erfasst oder zugänglich.

Hier setzt das neue DokuTool Zukunfts­baum­arten an. Es wurde 2024 von der Fach­stelle Gebirgs­wald­pflege, der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebens­mittel­wissen­schaf­ten HAFL und der Eidg. Forschungsanstalt WSL im Rahmen eines Projektes der Wald- und Holz­forschungs­förderung Schweiz (WHFF-CH) entwickelt. Es wird durch verschiedene Kantone mitgetragen und ist unter zukunftsbaumarten.ch für alle Wald­fachleute zugänglich.

Das Tool baut auf den Einträgen seiner Nutzerinnen und Nutzer auf. Es nutzt das kollektive Wissen der forstlichen Praxis – und ist offen für dokumentierte Erfolge wie Miss­erfolge, denn auch Letztere liefern wertvolle Hinweise für den wald­baulichen Umgang mit zukunfts­relevanten Arten. 

Das Ziel: Praxiserfahrungen zentral sammeln, langfristig sichern und für andere nutzbar machen. Für die Praxis ist es zum Beispiel bereits eine relevante Information, dass ein einzelner Tulpen­baum auf dem Wald­standort 26 (Ahorn-Eschenwald) rund 40 Jahre alt geworden ist und sich noch bester Vitalität erfreut. Wenn im Laufe der Zeit Informationen von mehreren Dutzend Tulpen­baum­vorkommen (Einzel­baum oder Bestände) auf verschiedenen Stand­orten gesammelt werden können, lassen sich Aussagen machen über die Standorts­eignung dieser noch wenig bekannten Baumart.

Dreifacher Nutzen für die Praxis

Das DokuTool erfüllt gleich drei Funktionen, die direkt auf die Bedürfnisse der Forstpraxis ausgerichtet sind:

  1. Dokumentation und Wissenserhalt
    Eigene Beobachtungen können strukturiert erfasst und langfristig gesichert werden – ein Vorteil z.B. bei Personal­wechsel oder zur Nach­vollzieh­barkeit früherer Entschei­dungen. Im Gegen­satz zu analogen Ordnern oder digitalen Dateien auf einzelnen Geräten bleibt dieses Wissen dauerhaft zugänglich.
  2. Breiter Erfahrungsaustausch
    Alle erfassten Vorkommen sind öffentlich zugänglich. Eine interaktive Karte mit Filterfunktion (z.B. nach Baum­art, Höhen­lage, Standort­typ) unterstützt die gezielte Suche. Die hinterlegten Kontakt­daten und die Kommentar­funktion ermöglichen den direkten Austausch zwischen Fachleuten – auch über Kantonsgrenzen hinaus.
  3. Grundlage für Auswertung und Empfehlungen
    Mit wachsender Datenbasis wird das DokuTool zu einer wertvollen Ressource für Auswertungen. Langfristig können so standortsbezogene Muster erkannt und waldbauliche Empfehlungen – basierend auf realen Erfahrungen – präzisiert werden.

Welche Dokumentationen sind erwünscht?

Dieser Beitrag soll dazu anregen, eigene Vorkommen von Zukunfts­baum­arten im DokuTool zu erfassen. Mit «Vorkommen» ist jede dokumentierte Beobachtung einer oder mehrerer Baum­arten gemeint, die für den zukünftigen Wald­bau von Interesse sein könnte – unabhängig davon, ob es sich um einen Einzel­baum oder Bestand, eine Pflanzung oder Natur­verjüngung, alt oder jung handelt. Das Tool ist offen für alle Baumarten – auch scheinbar unspektakuläre Vorkommen können sehr wertvoll sein – etwa Buchen-Naturverjüngung ausserhalb ihres natürlichen Areals. Die Vorkommen müssen lediglich aus waldbaulicher Sicht für die Zukunft interessant sein. 

Sowohl aus gelungenen als auch aus gescheiterten Erfahrungen lassen sich wertvolle Hinweise für andere Standorte und Situationen ableiten. Wichtig ist, dass die Qualität der Angaben stimmt und besonders wertvoll sind gutachtliche Beurteilungen/Schluss­folgerungen der lokal Zuständigen zum bisherigen Erfolg/Misserfolg. Idealerweise wird das Ziel verfolgt, die Entwicklung der Vorkommen über die Jahre hinweg in geeigneter Form zu dokumentieren.

So funktioniert das DokuTool

Die Plattform ist einfach zu bedienen und flexibel im Detailierungs­grad. Dank geringen Minimal­anforderun­gen für die Daten­erfassung ist das Angebot nieder­schwellig. Es gibt bewusst keine einheitliche Erfasssungs­methode: 

  • nur wenige Pflichtfelder (Lage, Baum­arten, ungefähres Alter, Standort­bedingungen)
  • zahlreiche optionale Angaben (Verjüngungs­methode, Herkunft, Pflege­massnahmen, Erfolgs­beurteilung)
  • Möglichkeit zum Upload von Fotos und Dokumenten
  • Chronologie-Funktion zur Nachverfolgung über Jahre hinweg
  • Konto mit Zusatzfunktionen: Favoriten, Erinnerungen, Benachrichtigungen 

Die Eingabe ist in wenigen Minuten erledigt – und kann jederzeit ergänzt oder aktualisiert werden.

Erste Ergebnisse und Erfahrungen

Bis Ende Mai 2025 sind über 600 Vorkommen im DokuTool erfasst worden – der Grossteil davon stammt aus der Praxis, insbesondere von Forst­diensten, Revier­försterinnen und Wald­besitzern. Auch wissenschaftliche Beobachtungen, zum Beispiel aus Test­pflanzungen mit einer Vielzahl verschiedener Baum­arten, sind im DokuTool erfasst. Die Beobachtungen können wertvolle Erkenntnisse liefern und als Grundlage für Anbau­empfehlungen dienen. Die Synthese der sehr unterschiedlichen Erfahrungen aus den erfassten Fall­beispielen ohne einheitliche Erfassungs­methodik ist anspruchsvoll und schwierig. Jedoch muss angesichts der grossen waldbaulichen Heraus­forderungen und der gegebenen Dringlichkeit unbedingt versucht werden, diese Erfahrungen nutzbar zu machen. 
Ein Beispiel: Ein Privat­wald­besitzer aus dem Kanton Zürich meldete Vorkommen mit Pekannuss (Abb. 4), Hybrid­nuss und Baumhasel. Er besitzt seit 1976 1,3ha Wald. Seither möchte er die Arten­vielfalt erhöhen und zukunftsfähige Baum­arten einbringen. Borkenkäfer und Sturm­ereignisse haben genügend Lücken für dieses Vorhaben geschaffen, aber er hätte sich dazu praxiserprobte Vorschläge gewünscht. Als er vom DokuTool erfuhr, hat er es sofort genutzt, weil er das «Konzept und Grund­idee dahinter gut findet». Sein Fazit: «Das DokuTool ist ein sinnvoller Ansatz, wenn ein breites Spektrum an Erfahrungs­werten abrufbar ist.». Sein Engagement zeigt: Die Plattform funktioniert – und lebt von der Beteiligung der Praxis. Damit das DokuTool sein Potenzial entfalten kann, braucht es möglichst viele gute Beiträge. Jeder Eintrag hilft, den Wald von morgen besser zu verstehen und gezielter zu bewirtschaften.

Fazit

In einer Zeit, in der waldbauliche Entscheidungen mehr denn je Weitblick erfordern, bietet das DokuTool eine Möglichkeit Erfahrungs­wissen zu bündeln und nutzbar zu machen. So kann aus der täglichen Praxis ein Wissens­schatz entstehen – für die nächste Wald­generation. Denn die Zukunfts­baumarten finden wir nur gemeinsam.