
Abb. 1. Gepflanzte Traubeneiche in Samedan, 1820 m ü. M. Foto: Kathrin Streit (WSL)
Der Wald steht unter Druck. Steigende Temperaturen, häufigere Trockenperioden und neue Schädlingsrisiken verändern die ökologischen Rahmenbedingungen. Viele bewährte Baumarten geraten in ihrem aktuellen Verbreitungsgebiet an ihre Grenzen – andere könnten sich neu etablieren. Die zentrale Frage: Welche Baumarten können künftig die vielfältigen Waldfunktionen sichern – und unter welchen Standortbedingungen?
Eine Plattform für kollektives Wissen
Obwohl wissenschaftliche Projekte wie die Testpflanzungen wichtige Erkenntnisse liefern, vergehen Jahre, bis gesicherte Resultate vorliegen. Gleichzeitig liegt in der Praxis bereits ein enormer Schatz an Erfahrungswissen brach: Beobachtungen aus der Naturverjüngung, Pflanzversuche, Pflegeerfahrungen mit seltenen oder neuen Baumarten. Dieses Wissen ist oft lokal verankert – aber bisher kaum systematisch erfasst oder zugänglich.

Abb. 2. DokuTool Zukunftsbaumarten – Benutzeroberfläche. zukunftsbaumarten.ch
Hier setzt das neue DokuTool Zukunftsbaumarten an. Es wurde 2024 von der Fachstelle Gebirgswaldpflege, der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL und der Eidg. Forschungsanstalt WSL im Rahmen eines Projektes der Wald- und Holzforschungsförderung Schweiz (WHFF-CH) entwickelt. Es wird durch verschiedene Kantone mitgetragen und ist unter zukunftsbaumarten.ch für alle Waldfachleute zugänglich.
Das Tool baut auf den Einträgen seiner Nutzerinnen und Nutzer auf. Es nutzt das kollektive Wissen der forstlichen Praxis – und ist offen für dokumentierte Erfolge wie Misserfolge, denn auch Letztere liefern wertvolle Hinweise für den waldbaulichen Umgang mit zukunftsrelevanten Arten.
Das Ziel: Praxiserfahrungen zentral sammeln, langfristig sichern und für andere nutzbar machen. Für die Praxis ist es zum Beispiel bereits eine relevante Information, dass ein einzelner Tulpenbaum auf dem Waldstandort 26 (Ahorn-Eschenwald) rund 40 Jahre alt geworden ist und sich noch bester Vitalität erfreut. Wenn im Laufe der Zeit Informationen von mehreren Dutzend Tulpenbaumvorkommen (Einzelbaum oder Bestände) auf verschiedenen Standorten gesammelt werden können, lassen sich Aussagen machen über die Standortseignung dieser noch wenig bekannten Baumart.
Dreifacher Nutzen für die Praxis
Das DokuTool erfüllt gleich drei Funktionen, die direkt auf die Bedürfnisse der Forstpraxis ausgerichtet sind:
- Dokumentation und Wissenserhalt
Eigene Beobachtungen können strukturiert erfasst und langfristig gesichert werden – ein Vorteil z.B. bei Personalwechsel oder zur Nachvollziehbarkeit früherer Entscheidungen. Im Gegensatz zu analogen Ordnern oder digitalen Dateien auf einzelnen Geräten bleibt dieses Wissen dauerhaft zugänglich. - Breiter Erfahrungsaustausch
Alle erfassten Vorkommen sind öffentlich zugänglich. Eine interaktive Karte mit Filterfunktion (z.B. nach Baumart, Höhenlage, Standorttyp) unterstützt die gezielte Suche. Die hinterlegten Kontaktdaten und die Kommentarfunktion ermöglichen den direkten Austausch zwischen Fachleuten – auch über Kantonsgrenzen hinaus. - Grundlage für Auswertung und Empfehlungen
Mit wachsender Datenbasis wird das DokuTool zu einer wertvollen Ressource für Auswertungen. Langfristig können so standortsbezogene Muster erkannt und waldbauliche Empfehlungen – basierend auf realen Erfahrungen – präzisiert werden.
Welche Dokumentationen sind erwünscht?
Dieser Beitrag soll dazu anregen, eigene Vorkommen von Zukunftsbaumarten im DokuTool zu erfassen. Mit «Vorkommen» ist jede dokumentierte Beobachtung einer oder mehrerer Baumarten gemeint, die für den zukünftigen Waldbau von Interesse sein könnte – unabhängig davon, ob es sich um einen Einzelbaum oder Bestand, eine Pflanzung oder Naturverjüngung, alt oder jung handelt. Das Tool ist offen für alle Baumarten – auch scheinbar unspektakuläre Vorkommen können sehr wertvoll sein – etwa Buchen-Naturverjüngung ausserhalb ihres natürlichen Areals. Die Vorkommen müssen lediglich aus waldbaulicher Sicht für die Zukunft interessant sein.
Sowohl aus gelungenen als auch aus gescheiterten Erfahrungen lassen sich wertvolle Hinweise für andere Standorte und Situationen ableiten. Wichtig ist, dass die Qualität der Angaben stimmt und besonders wertvoll sind gutachtliche Beurteilungen/Schlussfolgerungen der lokal Zuständigen zum bisherigen Erfolg/Misserfolg. Idealerweise wird das Ziel verfolgt, die Entwicklung der Vorkommen über die Jahre hinweg in geeigneter Form zu dokumentieren.
So funktioniert das DokuTool
Die Plattform ist einfach zu bedienen und flexibel im Detailierungsgrad. Dank geringen Minimalanforderungen für die Datenerfassung ist das Angebot niederschwellig. Es gibt bewusst keine einheitliche Erfasssungsmethode:
- nur wenige Pflichtfelder (Lage, Baumarten, ungefähres Alter, Standortbedingungen)
- zahlreiche optionale Angaben (Verjüngungsmethode, Herkunft, Pflegemassnahmen, Erfolgsbeurteilung)
- Möglichkeit zum Upload von Fotos und Dokumenten
- Chronologie-Funktion zur Nachverfolgung über Jahre hinweg
- Konto mit Zusatzfunktionen: Favoriten, Erinnerungen, Benachrichtigungen
Die Eingabe ist in wenigen Minuten erledigt – und kann jederzeit ergänzt oder aktualisiert werden.

Abb. 3. DokuTool Zukunftsbaumarten – Eingabemaske. zukunftsbaumarten.ch
Erste Ergebnisse und Erfahrungen
Bis Ende Mai 2025 sind über 600 Vorkommen im DokuTool erfasst worden – der Grossteil davon stammt aus der Praxis, insbesondere von Forstdiensten, Revierförsterinnen und Waldbesitzern. Auch wissenschaftliche Beobachtungen, zum Beispiel aus Testpflanzungen mit einer Vielzahl verschiedener Baumarten, sind im DokuTool erfasst. Die Beobachtungen können wertvolle Erkenntnisse liefern und als Grundlage für Anbauempfehlungen dienen. Die Synthese der sehr unterschiedlichen Erfahrungen aus den erfassten Fallbeispielen ohne einheitliche Erfassungsmethodik ist anspruchsvoll und schwierig. Jedoch muss angesichts der grossen waldbaulichen Herausforderungen und der gegebenen Dringlichkeit unbedingt versucht werden, diese Erfahrungen nutzbar zu machen.
Ein Beispiel: Ein Privatwaldbesitzer aus dem Kanton Zürich meldete Vorkommen mit Pekannuss (Abb. 4), Hybridnuss und Baumhasel. Er besitzt seit 1976 1,3ha Wald. Seither möchte er die Artenvielfalt erhöhen und zukunftsfähige Baumarten einbringen. Borkenkäfer und Sturmereignisse haben genügend Lücken für dieses Vorhaben geschaffen, aber er hätte sich dazu praxiserprobte Vorschläge gewünscht. Als er vom DokuTool erfuhr, hat er es sofort genutzt, weil er das «Konzept und Grundidee dahinter gut findet». Sein Fazit: «Das DokuTool ist ein sinnvoller Ansatz, wenn ein breites Spektrum an Erfahrungswerten abrufbar ist.». Sein Engagement zeigt: Die Plattform funktioniert – und lebt von der Beteiligung der Praxis. Damit das DokuTool sein Potenzial entfalten kann, braucht es möglichst viele gute Beiträge. Jeder Eintrag hilft, den Wald von morgen besser zu verstehen und gezielter zu bewirtschaften.

Abb. 4. Dokumentiertes Pekanuss-Vorkommen im Kanton Zürich. zukunftsbaumarten.ch. Foto: Hansruedi Rüegg
Fazit
In einer Zeit, in der waldbauliche Entscheidungen mehr denn je Weitblick erfordern, bietet das DokuTool eine Möglichkeit Erfahrungswissen zu bündeln und nutzbar zu machen. So kann aus der täglichen Praxis ein Wissensschatz entstehen – für die nächste Waldgeneration. Denn die Zukunftsbaumarten finden wir nur gemeinsam.

Jetzt registrieren und eigene Vorkommen eintragen:
- zukunftsbaumarten.ch
- Kontakt bei Fragen oder Feedback
info@zukunftsbaumarten.ch



