Untersuchungsgebiet

Das Kraichgauer Hügelland ist die Region im Nord-Westen Baden-Württembergs, die sich vom Nordschwarzwald bis zum Odenwald erstreckt und dabei von der Oberrheinischen Tiefebene und dem Neckar begrenzt wird. Die Untersuchungsflächen befinden sich im westlichen Kraichgau auf den Gemarkungen der Gemeinden Östringen und Ubstadt-Weiher. Die Region ist geologisch geprägt vom Muschelkalk, Oberem und Mittlerem Keuper sowie starken Lössablagerungen. Eine lokale Besonderheit stellt die Langenbrücker Senke mit Schwarzem Jura als Grundgestein dar. Der dadurch erhöhte Tonanteil in Verbindung mit dem warmen, mäßig trockenen Klima (Östringen: Jahresdurschnittstemperatur 10,2°, Jahresniederschlagsmenge 695 mm) ist grundgebend für die gute Standortseignung der Eiche und ihren hohen Baumartenanteil von über 30 %. Der Großteil der analysierten Naturverjüngungen liegt in dieser Landschaft, stockt auf Parabraunerden und hat als Standortswald und -einheit einen Buchenwald auf mäßig frischem Tonlehm.

Die Rehwildbejagung innerhalb der Eichennaturverjüngung gestaltet sich aufgrund der guten Deckungsmöglichkeit für und wegen der engen Schussschneisen als sehr schwierig. Hinzu kommt, dass in den meist verpachteten Jagdrevieren keine überaus scharf Rehwildbejagung praktiziert wird.

Fragestellung und Methodik

Grundsätzlich lässt sich die Naturverjüngung der Eichen mit zwei kontrastierenden Verfahren erreichen: Einerseits durch nur kleinflächiges Öffnen des Kronendachs oder sogar im Halbschatten, andererseits aber auch durch das in früheren Jahrzehnten häufig und als waldbaulicher Standard angewandte Verfahren eines großflächigen Schirmschlags mit (fast) vollständiger und schnell ablaufender Entnahme der herrschenden Bäume und des bislang pflegenden Unterstandes. Gerade die Vorteile des ersten Verjüngungsverfahrens werden zum Erhalt einer Dauerbestockung, zum individuellen Ausreifenlassen der Alteichen, sowie aus Gründen der Kostenreduktion durch die pflegende Wirkung des Halbschattens betont. Allerdings ist bislang in Teilen offen, ob damit auch für den großflächigen Verjüngungsfortschritt und erwünschten hohen Eichenanteilen ein Erfolg erzielt werden kann. Jagdliche und standörtliche Einflüsse spielen dabei ebenfalls eine bedeutende Rolle. Mit dem Belassen von einzelnen Altholzbäumen mit naturschutzfachlich wertvollen Strukturen sind aber beide Verfahren grundsätzlich modifizierbar und geeignet, um den Erhalt einer Habitattradition an Eichen gebundener Lebensgemeinschaften zu gewährleisten.

Daher soll das in dieser Region aus der waldbaulichen Tradition heraus wiederbelebte und seit nun 15 Jahren erprobte Verjüngungsverfahren des Großschirmschlags waldbaulich und bezüglich der Kosten des neuen Eichenjungbestandes dokumentiert und überprüft werden. Dabei wurden anhand von 90 systematisch verteilten Stichprobenpunkten (r = 1 m bzw. 3 m) auf 4 Verjüngungsflächen, die das Stadium der Ansamung, der Pflegephase und das Ende der Ruhephase widerspiegeln, Messungen zu Baumartenanteilen, zum Alter der aufwachsenden Baumarten, der Öffnung des Kronendaches anhand hemisphärischer Fotos und der Baumhöhe und der Längen von Frühjahrs- und Johannistrieben durchgeführt. Auch die Kosten dieses Verjüngungsverfahrens, ohne jedoch Hiebsreifeverluste einzelner noch nicht ausgereifter Alteichen, wurden aus den betrieblichen Unterlagen entnommen und bewertet.

Großflächig vom Alt- zum Jungbestand

Zur Verjüngungsnutzung des Altbestands wird zunächst ein zügiger Großschirmschlag durchgeführt. Dabei wird eine Mindesthiebsfläche von 3 Hektar angestrebt, die nach hiesiger Erfahrung für genügend Lichteinfall sorgt (Abb. 1). Vom ersten Besamungs- bzw. Lichtungshieb vergehen nur 10 Jahre bis zur weitgehenden Räumung. Die Einschlagsmenge beläuft sich in den ersten beiden Hieben auf etwa die Hälfte des Vorrates. Ziel ist es, die Wertträger des Bestandes frühzeitig zu ernten, um einer Entwertung durch Sekundäräste zuvorzukommen. Der Erhalt der Habitattradition kann durch Belassen von Alt- und Totholzeichen ohne Schwierigkeiten in das Verfahren integriert werden. Durch die Großflächigkeit der Hiebsfläche soll es der Lichtbaumart Eiche ermöglicht werden, mit konkurrierenden Schattbaumarten im Wachstum bestmöglich mitzuhalten. Das erste Ergebnis dieses Vorgehens ist nach ca. 2 Jahren (Ansamungsstadium) eine flächige, von der Eiche dominierte Naturverjüngung in einer Höhe von 5 bis 10 cm. Nach der Ansamung der Eichen beginnt unmittelbar die Pflegephase. In dieser wird die Konkurrenzvegetation, wie beispielsweise Hainbuche (Carpinus betulus) und Brombeere (Rubus fruticosus), innerhalb der Eichennaturverjüngung jährlich entfernt. Nur einzelne Bereiche bis zur Truppgröße ohne Eichenverjüngung bleiben als zusätzlich strukturgebende Inseln erhalten (Abb. 2). Eine weitere Ausnahme stellen erwünschte seltenere Baumarten wie die Elsbeere (Sorbus torminalis) oder in begrenztem Umfang die Vogel-Kirsche (Prunus avium) und die Walnuss (Juglans regia) oder Alt- und Biotopbäume dar, welche ebenfalls belassen werden. Je nach Ansamungserfolg und Verbiss erstreckt sich die Pflegephase über einen Zeitraum von 5-7 Jahren. Sobald die jungen Eichen eine Höhe von über 2 m erreicht haben, ist die Pflegephase abgeschlossen.

In der nun folgenden pflege- und aufwandfreien Ruhephase sorgt die hohe Anzahl an Eichen über starke intraspezifische Konkurrenz für eine extreme natürliche Selektion der Eichen nach ihrer Vitalität bis zum Erreichen einer Oberhöhe von etwa 8 m. Erst dannach, wenn die Flächen wieder mühelos begehbar sind, wird mittels stammzahlschonender Eingriffe eine künstliche Selektion nach Qualität vorgenommen. Am Ende des Verjüngungs- und Pflegeverfahrens stehen Jungbestände mit sehr hohen Anteilen äußerst vitaler und qualitativ guter Eichen zur Verfügung. Damit wird bereits in der Jugend der Grundstein für sehr hohe Eichenanteile und einen hohen Ertrag im Eichenwertholz gelegt.

Aus dem beschriebenen Verjüngungs- und Pflegemodell ergeben sich zwei wesentliche Aspekte. Zum einen soll die Eiche in der Pflegephase so gefördert werden, dass sie auch ohne Eingriffe über die Ruhephase hinweg ihren Baumartenanteil halten kann. Zum anderen beeinflusst die Hiebsgröße durch die Regelung des Lichteinfalls maßgeblich die Wuchsleistung der jungen Eichen. Die Lichtverhältnisse sind eminent wichtig für das Höhenwachstum der Eichen.

Entwicklung der Baumartenanteile

Im Stadium der Ansamung wurden durchschnittlich 23 Eichensämlinge/m² gefunden, was einer Sämlingszahl von 230.000 Stk./ha entspricht. Während der Pflegephase reduziert sich die Anzahl auf 105.000 Eichen/ha bei einer Oberhöhe von 1,5 m. Zum Ende der Ruhephase haben sich schließlich 8.300 Eichen/ha durchgesetzt. Neben der Vitalität beeinflusst auch die Angepasstheit an klimatische Verhältnisse den Wuchserfolg der Eichen. So konnte in direkter Nähe zueinander beobachtet werden, wie ein Teil der Eichen durch Spätfröste geschädigt wurde und ein anderer Teil nicht. Die hohen Sämlingszahlen ermöglichen es spätfrostgefährdete oder trockenheitsempfindliche Individuen zu selektieren, ohne dass der Eichenanteil darunter leidet.

Vergleicht man die Baumartenanteile zwischen der Pflegephase und dem Ende der Ruhephase, so ist ein deutlicher Trend erkennbar (Abb. 3): Der Anteil der Eichen, gemessen an der gesamten Bestockung, nimmt um 18 % ab, sodass am Ende der Ruhephase nur noch 34 % der Fläche von Eichen bestockt werden. Im Herrschenden ist dieser Trend jedoch nicht vorhanden: Dort fand lediglich eine unbedeutende Abnahme um 1 % statt, sodass der Eichenanteil immer noch über 80 % liegt. Es ist davon auszugehen, dass der Eiche während der Pflegephase durch das Entfernen der Konkurrenzvegetation ein Wachstumsvorsprung verschafft wurde, den die Hainbuche als Hauptkonkurrentin in der Ruhephase nicht mehr einholen kann. Positiv wirkt sich dies auf die Schaftreinigung aus, welche durch die zahlenmäßig überlegenen Hainbuchen unter der herrschenden Eichenschicht beschleunigt wird. Die Grundlagen für eine erfolgreiche Eichen-Wertholzproduktion sind hiermit gelegt und der langfristige Erhalt der natürlich verjüngten Eichen erscheint weitgehend gesichert.

Höhenwachstum und Lichteinfluss

Aus den Opennesswerten der hemisphärischen Fotos und der Verteilung des Lichteinfalls (Abb. 4 & 5) wird augenscheinlich, dass die Lichtverfügbarkeit vom Rand der 6 ha umfassenden Verjüngungsfläche bis zu ihrem Zentrum mit einer nur geringen Variabilität hin zunimmt. Die Trieblängen an ausgewählten Stichprobenpunkten, bestehend aus Frühjahrstrieb und Johannistrieb, dokumentieren für die letzten zwei Vegetationsperioden diesen Lichteinfluss. Bei Opennesswerten über 60 % (Abb. 6) waren die Johannistriebe durchschnittlich eineinhalbmal so lang wie bei Opennesswerten unter 60 % (Tab. 1). Das Wachstum und die Überlegenheit der Eichen gegenüber der Hainbuche werden ganz besonders durch den Johannistrieb gefördert. Erst durch diesen Vorteil und in Kombination mit der intensiven Pflege ist es möglich, 105.000 vitale Eichen/ha in die Ruhephase zu entlassen. Um die Stabilität der Eichen im Herrschenden zu untersuchen, wurde zudem je nach Alter der Probeflächen der Wurzelhalsdurchmesser bzw. BHD gemessen. Die Werte entsprechen jeweils den Vorstellungen bei gepflanzten Eichenbeständen und belegen, dass die aus dem Verjüngungsverfahren hervorgegangenen Eichen weder zu dünn noch zu protzig sind und als stabil bezeichnet werden können.

Tab. 1: Signifikante (a) und nicht signifikante (b) Unterschiede zwischen den Trieblängen in Abhängigkeit von der Überschirmung und Frühjahrs-/Johannistrieb.

Ø Trieblängen von Eichen aus nicht- vs. überschirmte Stichprobenpunkte (cm)

 

Johannistrieb
vor 1 Jahr

Frühjahrstrieb
vor 1 Jahr

Johannistrieb
vor 2 Jahren

Frühjahrstrieb
vor 2 Jahren

mit Überschirmung

11a

7a

16a

8a

ohne Überschirmung

17b

9b

18a

11b

Kosten des Verfahrens

Das Pflegeverfahren ist waldbaulich sehr erfolgreich, die Pflege kostet aber auch (Tab. 2). Nach den betrieblichen Unterlagen kostet die so erreichte, gesicherte Eichennaturverjüngung (bei Eintritt in die Ruhephase bei einer Oberhöhe von 8 m) durchschnittlich beachtliche 14.000 €/ha. Die Kostenspreitung beträgt 4.000 €. Je nach Dichte des Wildbestandes sind dabei 5-7 Pflegejahre notwendig. Die relativ niedrigen Kosten je Arbeitsstunde (29 €) werden durch die Vergabe der Pflegearbeiten an Unternehmen erzielt. Gerade für diese stellt das hiesige Verfahren eine flexible Möglichkeit dar, auch in den Sommermonaten Vollbeschäftigung zu garantieren.

Tab. 2: Kalkulation der Pflegekosten bis zum Ende der Ruhephase.

Kostenkalkulation

Kosten je h

29,00 €

Ø Arbeitszeit je Jahr und ha

70-80 h

Ø Alter bei Ende der Pflegephase

6-7 Jahre

Arbeitszeit je ha gesamt in der Pflegephase

420-560 h

Kosten je Jahr und ha

2.030 € - 2.320 €

Kosten je ha gesamt in der Pflegephase

12.180 € - 16.240 €

Ausblick

Mit diesen aus der Vergangenheit wiederbelebten Verjüngungs- und Pflegeverfahren werden sehr hohe Eichenanteile, eine sichere Forstführung der Eichentradition und sehr große Auswahlmöglichkeiten garantiert und können zur Bewertung des Erfolgs anderer Verjüngungsverfahren als Benchmark verwendet werden. Gerade letzteres ist bei sich ändernden klimatischen Bedingungen von großer Bedeutung. Die zuvor erwähnten jagdlich schwierigen Verhältnisse beschleunigten die Wiederbelebung dieser Tradition und bringen „das Rehwild vor dem üppigen Eichensalat zur Kapitulation“. Die Lichtbaumart Eiche wird durch dieses großflächige Verjüngungsverfahren und die intensive Pflege konkurrenzfähig gemacht. Die im vorgestellten Verfahren anfallenden, tatsächlich hohen Kosten der Pflege sind zurzeit Gegenstand einer weiteren Optimierung dieser wiederbelebten Vorgehensweise.