Die letzten Jahre waren nicht nur für die österreichische Forstwirtschaft eine Her­aus­forderung. Im Jahr 2018 fielen in Mittel­europa und Italien 80 Mio. Festmeter Schadholz an und die Schadholzmenge steigerte sich 2019 auf 118 Mio. Festmeter. In Österreich summierte sich der Anfall von Schadholz auf 10 Mio. Festmeter, wobei etwas mehr als die Hälfte durch Borkenkäfer verursacht wurde.

Für diese re­kord­­­verdächtigen Mengen sind zum Teil langanhaltende Trockenperioden verantwortlich, welche die Vermehrung von Borkenkäfern begünstigten. Auch Stürme fügten ihren Beitrag hinzu. Das gemeinsame Auf­treten von immer häufiger werdenden Wetterex­tremen mit katastrophalen Schäden am Waldbestand zeigt, dass Waldbesitzer gezwungen sind zu handeln, um ihre Wälder rechtzeitig an die zukünftigen Klimabedingungen anzupassen.

SUSTREE-Empfehlungen zu "Assisted Migration"

Im Rahmen des vom BFW koordinierten INTERREG-Projekts SUSTREE wurden insbesondere die Maßnahmen der ersten Verteidigungsstrategie untersucht. Dazu arbeiteten sieben Forschungseinrichtungen aus Ländern Mitteleuropas zusammen, um konkrete Empfehlung zum Transfer von Forstsaatgut auch über Ländergrenzen hinweg geben zu können. Erstmalig konnte eine große europaweite Datenbank mit Ergebnissen von Herkunftsversuchen erstellt werden, in denen Daten von 587 Versuchsflächen von sieben wichtigen Baumarten gesammelt wurden.

Die Messergebnisse von hunderttausenden Bäumen der Baumarten Fichte, Buche, Traubeneiche, Stieleiche, Waldkiefer, Lärche und Tanne waren die Basis für Modelle, welche die Wüchsigkeit der Herkünfte in Abhängigkeit des Standortsklimas und des Klimas des Herkunftsgebietes abbilden. Diese Modelle sind die Basis für Herkunftsempfehlungen im Klimawandel.
 

Unterteilt man das aktuelle Verbreitungsgebiet der jeweiligen Baumart mittels Clusteranalysen in Herkunftszonen mit annähernd gleichem Klima (Abbildung 3), kann man für jede Herkunftsgruppe das Wuchsverhalten über ganz Europa bei verschiedenen Klimaszenarien abschätzen. Die daraus resultierenden Karten zeigen, welche Herkunftsgruppe in welcher Region Europas in Zukunft am besten wachsen würde.

Für die Baumart Fichte zeigt sich beispielsweise, dass für Österreich in Zukunft am besten Herkünfte aus den kontinentalen Gebieten Polens und den Karpaten am geeignetsten sind  (Zonen 3-braun und 6-blau). In Mittel- und Nordskandinavien weisen hingegen Herkünfte aus Südskandinavien (Zone 9-rosa) die beste Wüchsigkeit auf und im Baltikum und Weißrussland kann in weiten Teilen auf die lokalen Herkünfte gesetzt werden (=schwarz markiert).

Mit den nun vorliegenden Ergebnissen für "Assisted Migration" liegen für Europa die ersten länderübergreifenden wissenschaftlichen Empfehlungen vor. Die Umsetzung dieser Empfehlungen für Waldbewirtschafter steht allerdings noch vor praktischen und gesetzlichen Hürden. Die europäische Richtlinie über den Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut (1999/105/EG) bildet nur einen groben Rahmen, in dem sich die nationalen Gesetze bewegen müssen.

Die auf der Richtlinie aufbauenden nationalen Gesetze handhaben die Verbringung von Saatgut in und aus den Nachbarländern sehr unterschiedlich und einige davon sehr restriktiv. Doch auch wenn die nationalen Gesetze, wie zum Beispiel das österreichische forstliche Vermehrungsgutgesetz Saat- und Pflanzgut aus den geeignetsten Regionen prinzipiell erlauben, fehlen derzeit oft noch die wirtschaftlichen Kooperationen im Saatgutsektor, um die Bereitstellung des besten Vermehrungsguts für den Klimawandel zu sichern.

Neue Baumarten

In einigen Regionen Österreichs ist nicht nur die Fichte bedroht, sondern Schädlinge und Dürre gefährden fast alle heimischen Baumarten. Um das eingeschränkte Spektrum heimischer Baumarten zu erweitern, arbeitet das Institut für Waldbau und Waldwachstum des BFW auch hier an neuen Projekten, Versuchen und Empfehlungen. 

Wichtiges Ziel der neuen Forschungsvorhaben ist es, nicht ausschließlich die Wuchsleistung der nicht-heimischen Baumarten zu bewerten, sondern auch deren Beitrag zur Erfüllung wichtiger Waldfunktionen sowie die mit den neuen Arten verbundenen Risiken für heimische Ökosysteme. So wird seit 2019 der Klimaforschungswald in Matzen im östlichen Weinviertel angelegt, um die Eignung verschiedener heimischer und nicht-heimischer Baumarten auf trockenen Standorten zu testen. 

In der Projektkooperation Waldwandel werden gemeinsam mit dem Umweltbundesamt die Chancen und  Risiken nicht-heimischer Baumarten für das gesamte Bundesgebiet bewertet und die Ergebnisse als übersichtliche Karten aufbereitet. Zudem koordiniert das BFW im Projekt ALPTREES gemeinsam mit Forschungseinrichtungen aus dem Alpenraum eine transnationale Strategie für den Umgang mit nicht-heimischen Arten.

Verteidigungsstrategien zur Waldanpassung

Strategie 1: Unterstützte Wanderung

Die verschiedenen Anpassungsmaßnahmen lassen sich in drei Strategien zur Erhaltung der Waldfunktionen und Ökosystemleistungen einteilen  (Abbildung 1). Die erste Verteidigungsstrategie zielt nicht primär auf eine  Änderung der Baumartenzusammensetzung ab, sondern auf die Erhaltung und Vitalisierung der derzeitigen Waldgesellschaften. Diese Strategie umfasst Maßnahmen wie "Assisted Migration", aber auch waldbauliche Eingriffe, wie frühe und stärkere Durchforstungen.

"Assisted Migration" ist die unterstützte Wanderung von Pflanzen einer Baumart in klimatisch geeignetere Gebiete. Im Normalfall können Baumarten durch Samenausbreitung auf natürliche Weise neue Areale mit geeigneten Umweltbedingungen erschließen. Der anthropogen verursachte Klimawandel ist allerdings zu schnell für die meisten Waldbestände. Durch die "unterstützte Wanderung" wird den Bäumen bei der Ausbreitung unter die Arme gegriffen, indem im Zuge von Aufforstungen oder Ergänzungspflanzungen Samenherkünfte verwendet werden, die mit dem zukünftigen Klima besser zurechtkommen (Abbildung 2). 

Die unterstützte Wanderung kann zur  Erschließung neuer Lebensräume genutzt werden, z.B. den Anbau von Eiche in vormals fichtendominierten Wäldern. Zudem sollten auch Samen­herkünfte innerhalb der aktuellen Baumartenverbreitungsgebiete transferiert werden, z.B. aus tieferen in mittlere Seehöhen. Die unterstützte Wanderung in ihren verschiedenen Formen wird bereits in einigen Ländern, wie beispielsweise Schweden, Kanada und den USA praktiziert.

Strategie 2 und 3: andere heimische und nicht-heimische Baumarten

Die zweite Verteidigungsstrategie greift weiter. Hier wird versucht, die Waldanpassung im Zuge einer Änderung der aktuellen Baumartenzusammensetzung durch die Pflanzung von anderen heimischen Baumarten zu erreichen, beispielsweise die Umwandlung von einem reinen Fichtenbestand in einen Mischbestand mit Fichte, Buche und Tanne.

Die dritte Verteidigungsstrategie kommt dort zum Einsatz, wo die meisten heimischen Baumarten an ihre ökologischen Grenzen geraten, aber trotzdem der Wald mit seinen vielfältigen Leistungen erhalten werden soll. In diesem Fall  könnte bei der Umwandlung von Beständen verstärkt auf nicht-heimische Baumarten gesetzt werden.