Dieser Beitrag zeigt ein Beispiel eines genetischen Systems, wie es im Beitrag "Ziele und Wege der Forstgenetik" erläutert wird.

Die genetische Variation innerhalb von Populationen ist bei allen vier Eichenarten der Schweiz hoch. Stiel-, Trauben- und Flaumeiche sind sich genetisch recht ähnlich, währenddem sich die Zerreiche von den übrigen Arten deutlich unterscheidet.

Die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL hat Untersuchungen zum genetischen System und zur genetischen Variation von Eichen (Quercus spp.) in der Schweiz durchgeführt. Die Wissenschafter ernteten Material aus 28 Beständen und berücksichtigten dabei die vier in der Schweiz heimischen Eichenarten:

  • Stieleiche (Quercus robur)
  • Traubeneiche (Quercus petraea)
  • Flaumeiche (Quercus pubescens)
  • Zerreiche (Quercus cerris)

Eine detaillierte Beschreibung der durchgeführten Experimente würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Vielmehr sollen die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassend dargestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Charakterisierung des genetischen Systems der Eichen diskutiert werden.

Nacheiszeitliche Rückwanderungsgeschichte

Pollenanalytische Befunde legen nahe, dass die Eichen nach dem Ende der letzten Eiszeit das Gebiet der heutigen Schweiz vor etwa 11'000 bis 8000 Jahren wiederbesiedelten. Eine auf der Untersuchung von DNS aus Chloroplasten (cpDNS) basierende genetische Inventur in Eichenbeständen der Schweiz ergab, dass diese Wiederbesiedlung aus zwei unterschiedlichen Refugialgebieten erfolgte. Die europaweite Verbreitung der in der Schweiz häufigen cpDNS-Typen legt nahe, ein Refugialgebiet in Italien und ein weiteres auf dem Balkan zu vermuten.

Auch heute noch lassen sich anhand ihrer cpDNS die vermutlichen Refugialgebiete von Beständen erkennen (Abb. 1). In bestimmten Regionen treten nur Bestände eines Typs auf. So finden sich beispielsweise im Tessin nur Bestände, die vermutlich aus Italien stammen, während im Gebiet um den Bodensee, aber auch um den Genfersee Bestände aus einem anderen Refugialgebiet dominieren. Die geringe Vermischung dieser Typen in der Schweiz lässt vermuten, dass der weiträumige Transfer von Saatgut durch den Menschen in der Vergangenheit relativ unbedeutend war.

Genetische Variation innerhalb von Populationen

Die genetische Variation innerhalb von Populationen wurde mittels einer Untersuchung von 17 Isoenzym-Genorten des Kerngenoms erfasst. Es zeigte sich eine verglichen mit dem Durchschnitt von fast 200 weltweit untersuchten Holzpflanzen überdurchschnittlich hohe genetische Variation bei allen Eichenarten der Schweiz. Auch in anderen Gebieten Europas wurden ähnlich hohe Variationsmasse bei den untersuchten Eichenarten gefunden.

Bestände der Stieleiche und der Traubeneiche weisen in derSchweiz gegenüber Beständen der Flaum- und Zerreiche etwas höhere Werte der genetischen Variation auf.Mischbestände aus Stiel- und Traubeneiche sind besonders variabel.Hohe Verluste genetischer Variation aufgrund von kleinen, isolierten Populationen wurden in der Schweiz nicht beobachtet. Beispielsweise verfügen auch recht isolierte Bestände der Flaumeiche im Wallis über zwar eingeschränkte, aber nicht bedeutend geringere genetische Variation als andere Eichenpopulationen.

Genetische Differenzierung zwischen Populationen

Die allelischen Strukturen von Zerreichen-Kollektiven unterscheiden sich deutlich von den Strukturen der anderen Arten. An mehreren Genorten sind Zerreichen von den anderen untersuchten Eichen vollständig differenziert und im Durchschnitt unterscheiden sich Zerreichen-Kollektive an mehr als der Hälfte ihrer Gene von den anderen Eichenarten. Populationen der Stiel-, Trauben-, und Flaumeiche sind dagegen einander recht ähnlich.

Diese Ergebnisse bestätigen gängige taxomomische Gliederungen, nach denen Stiel-, Trauben- und Flaumeichen einander näher verwandt sind als dieser Artenkomplex zur Zerreiche. Hybridisierung zwischen Zerreichen und anderen Eichen tritt entweder nicht auf oder beeinflusst die genetischen Strukturen nicht. Die grosse Ähnlichkeit der genetischen Strukturen der anderen Arten belegt dagegen die Bedeutung der Hybridisierung für Stiel-, Trauben und Flaumeiche. Insbesondere scheint die Schweiz in einer breiten Zone intensiver Hybridisierung zwischen Trauben- und Flaumeiche zu liegen. Da sich trotz bedeutsamer Hybridisierung die allelischen Strukturen der drei Arten an einigen Genorten klar unterscheiden, hat also die der Erkennung der Arten zugrundeliegende morphologische Variation eine nachweisbare genetische Grundlage.

Erhaltung des Anpassungspotentials von Eichen in der Schweiz

Weiträumiger Genfluss durch Pollen zwischen Populationen innerhalb von Arten und eingeschränkter, aber evolutionär bedeutsamer Austausch von Genen zwischen Arten bestimmen die genetischen Strukturen von Eichen in der Schweiz. Aufgrund der relativ geringen Bedeutung des anthropogenen Transfers von Eicheln (Saatguttransport) in der Schweiz sind die Gefahren des Verlustes lokal angepasster Populationen durch exzessiven Genfluss von weiträumig verfrachtetem Material gering.

Trotzdem empfiehlt es sich, Populationen mit einer möglichst grossen Zahl von Nachkommen von vielen Sameneltern zu erzeugen und zu pflegen. Dies geschieht in der Regel mittels natürlicher Verjüngung. Die Naturverjüngung kann durch Pflanzung ergänzt werden, wenn diese in einem engen Pflanzverband und mit Saatgut erfolgt, das in der Umgebung und von zahlreichen Bäumen geerntet wurde.

Bei der Auswahl von speziellen Erhaltungsgebieten sollten alle heimischen Eichenarten vertreten sein. Mischbestände aus Stiel- und Traubeneichen erwiesen sich als besonders variabel. Deshalb sollte man sie als Bestände mit vermutlich hohem Anpassungspotential unbedingt bei der Auswahl von Erhaltungspopulationen berücksichtigen.

Literatur

  • Bonfils, P.; Horisberger, D.; Ulber, M. (Red.) (2005): Förderung der Eiche. Strategie zur Erhaltung eines Natur- und Kulturerbes der Schweiz. Hrsg. proQuercus, Bundesamt für Umwelt- Wald und Landschaft BUWAL. Bern; 102 S.
  • Máthyás, G. (1999): Rekonstruktion der nacheiszeitlichen Einwanderung der Eichen in der Schweiz anhand ihrer Chloroplasten-DNA. Diss. Nr. 13386 ETH Zürich. Zürich, 144 S.