Ohne Saatgut kein Nachwuchs

Wie können sich die Waldbesitzenden mit geeignetem Saat- und Pflanzgut für die nächsten Jahre versorgen? Um ausreichend Pflanzen in Baumschulen anziehen zu können, wird viel Saatgut benötigt. Eine wichtige Quelle für das forstliche Saatgut ist traditionell der zugelassene Forstsaatgutbestand (Saatguterntebestand). Der Forstsaatgutbestand ist bei näherer Betrachtung ein Relikt der Reinbestandswirtschaft. Eine große Anzahl von Bäumen gleicher Art in einem homogenen Bestand soll sich gegenseitig für eine hohe genetische Vielfalt befruchten.

Doch es wird immer schwieriger über solche Bestände den Bedarf zu decken. Im forstpraktischen Betrieb ist die Produktion von Vermehrungsgut meist nur eine Art Nebennutzung. In manchen Jahren fallen die Ernten gering aus, da ein Teil der Baumarten nicht oder nur wenig fruktifiziert, zudem fehlen für die Beerntung oftmals professionelle Baumsteigerinnen und Baumsteiger. Auch für die gewünschten vielfältigen Mischungsformen der Zukunft sind die vorhandenen Bestände nicht ausreichend. Für manche Arten gibt es sogar gar keine Saatgutbestände.

Erste Anlagen Mitte der 1950er Jahre

In vielen Fällen sind Samenplantagen daher die einzige Möglichkeit um qualitätsgerechtes Saatgut zu gewinnen. Das Problem ist nicht neu: So wurden z.B. nach dem Zweiten Weltkrieg in ganz Europa Technologien zur Anlage von Samenplantagen entwickelt, die den enormen Bedarf an Sämereien decken sollten. Dazu wurden Ausgangsbäume (sogennante Plusbäume) nach Vitalität, Wachstum und Form selektiert, vermehrt und als Bestäubungseinheit zusammen in eine Samenplantage gepflanzt. Der Vorteil solcher Anlagen besteht, neben den Selektionskriterien der Plusbäume, in einer gegenüber dem Forstsaatgutbestand höheren genetischen Vielfalt. Bei entsprechender Pflege sind sie zudem leichter zu beernten. Ende der 1950er Jahre wurde auch in Deutschland damit begonnen, Samenplantagen aufzubauen. Ihre praktische Bedeutung wurde später im Zusammenhang mit neuen Waldbaumethoden allerdings unterschiedlich bewertet. Dies führte leider dazu, dass viele dieser bis weit in die 1980er Jahre angelegten Plantagen heute nicht mehr existieren.

Aufbau neuer Mutterquartiere

Samenplantagen sind in erster Linie "Plantagen", also forstliche Intensiv-Bewirtschaftungsflächen mit dem ausschließlichen Ziel Saatgut zu erzeugen. Angelegt werden nicht nur Plantagen für die üblichen Hauptbaumarten, auf den Flächen wachsen auch seltene Wildobst-Arten wie Elsbeere oder Wildbirnen, Nussbäume, seltene Nadelbäume wie Eiben oder verschiedene Straucharten. Diese besonderen Bestände werden teilweise geschnitten und sind mit den üblichen gewohnten Waldbildern nicht vergleichbar. Die meisten Samenplantagen werden mit vegetativen Nachkommen von nach phänotypischen Kriterien ausgewählten Plusbäumen begründet. Dazu werden Bäume nach Vitalität, Wachstum und Formmerkmalen selektiert und analog der Verfahren im Obstbau auf Unterlagen gepfropft. Die jungen Bäume werden im weiten Abstand gepflanzt, um die Ausbildung großer Kronen zu fördern. Ziel ist eine möglichst große Menge an Saatgut zu erhalten. Die Flächen werden regelmäßig gemulcht, damit sie befahren werden können.

Technologische Gesichtspunkte

Eine Samenplantage im Revier bedeutet für die Revierleiterin oder den Revierleiter mehr Aufmerksamkeit im täglichen Betrieb, umfassende Pflege und intensivere persönliche Betreuung. Eine optimale Zuwegung und entsprechender Schutz vor Wildtieren sind besonders wichtig. Von besonderer Bedeutung ist auch die konsequente Umsetzung sauberer Waldwirtschaft. Im Gegensatz zu Wirtschaftswäldern können hier beispielweise selbst einzelne abgebrochene Äste nicht toleriert werden. Sie müssen umgehend entfernt werden, da sie als brutfähiges Material ansonsten die gesamte Plantage gefährden könnten.

NW-FVA betreut Netzwerk auf 400 ha

Der Waldumbau im Klimawandel sowie die zunehmenden Aufgaben im Zusammenhang mit Naturschutz und Biodiversität stellen die Forstbetriebe vor große Aufgaben. Auf zahlreichen Flächen sollen die vorhandenen Baumarten um weitere Arten angereichert werden oder sogar komplett andere Baumarten wachsen. Samenplantagen haben für die praktische Beerntung viele Vorteile und sind ein wichtiges Element für die nachhaltige Versorgung mit geeignetem Vermehrungsgut. In den Ländern Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, und Schleswig-Holstein ist die  Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) verantwortlich für die Anlage und Unterhaltung von Samenplantagen und Mutterquartieren. Sie betreut in ihrem Zuständigkeitsbereich im Vierländerverbund ein Netz von ca. 200 Samenplantagen auf 400 ha mit über 40 Baum- und Straucharten. In regelmäßigen Abständen werden die Plantagen durch die NW-FVA kontrolliert und gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort Maßnahmen für die nächsten Jahre besprochen. Die Ernte und Vermarktung des Saatguts erfolgt durch die Forstbetriebe der Länder.

Qualifiziertes Vermehrungsgut

Saatgut aus Samenplantagen wird auch als "qualifiziertes Vermehrungsgut" in den Handel gebracht. Die Grundlage dafür ist eine ausreichende Anzahl von Wiederholungen der Pfropflinge und eine schematische Anordnung mit möglichst variablen Nachbarschaften für die Bestäubung. Dadurch wird eine hohe genetische Vielfalt in dem erzeugten Saatgut erreicht, welche in natürlich verjüngten Wäldern mit gewachsenen Familienstrukturen nur selten zu beobachten ist.  Künftig sollen die Plantagen bestimmter Arten wieder vermehrt geschnitten werden. Das bedeutet, dass die einzelnen Bäume Höhen von 3 bis 4 m nicht überschreiten. Durch den Formschnitt wird nicht nur eine im Vergleich zu Saatguternte­beständen unkomplizierte Saatguternte ermöglicht, der Schnitt führt auch zu einer verstärkten Blütenbildung. In diesem Zusammenhang haben Samenplantagen auch eine naturschutzfachliche Bedeutung: Als Landschaftselement, Offenlandbiotop oder bei insektenbestäubten Baumarten als Bienenweide. Weiterhin gibt es noch reine "Erhaltungsplantagen", auf denen gefährdete Vorkommen bzw. besondere Baumarten-Populationen gesichert werden.