Im Zuge von Klimaveränderungen kann ein Baumartenwechsel dazu beitragen, die Waldbestände zu stabilisieren. Durch die Ergänzung des bestehenden Baumartenspektrums lässt sich das Risiko auf unterschiedliche Mischbaumarten verteilt.

Die Baumart und ihre Eigenschaften

Das natürliche Verbreitungsgebiet der Baumhasel liegt auf der Balkanhalbinsel, im Norden der Türkei und im Kaukasus. Hier kommt sie aber nicht zusammenhängend vor, sondern in voneinander isolierten Einzelpopulationen (vgl. Abbildung 1). Das Gebiet zeichnet sich durch Klimabedingungen aus, die vielerorts in Deutschland in den nächsten 80 Jahren zu erwarten sind. So liegen die Jahresdurchschnittstemperatur hier zwischen 5 und 13°C bei einem durchschnittlichen jährlichen Niederschlag von 570 bis 800 mm. Dabei erträgt die Baumhasel Temperaturextreme von -38 bis +40 °C. Durch die geringen Ansprüche an Boden und Klima deckt sie eine große Bandbreite an möglichen Standorten ab: flach bis tiefgründig, trocken bis fast nass, nährstoffarm bis nährstoffreich. Über ihre 3-4 m tief reichende Pfahlwurzel erzielt die Baumhasel eine hohe Standfestigkeit. Dank dieser Wurzelausstattung vermag sie, auch auf skelettreichen Böden zu wachsen.

Die Baumhasel zeigt eine hohe Mischungsfähigkeit auf Bestandesebene. Im Gebirge kommt sie in Buchen-, in tieferen Lagen in Eichengesellschaften vor. Ihre Überlegenheit in der Wuchsleistung gegenüber anderen Baumarten zeigt sich erst auf flachgründigen, trockenen und nähstoffarmen Kalkböden. Durch die geringe Konkurrenzkraft besteht jedoch kein Invasionspotential. Ihr wertvolles Holz hat dazu geführt, dass sie auf den meisten Standorten übernutzt wurde. Aus diesem Grund hat diese Baumart in den Ursprungsländern keine forstwirtschaftliche Bedeutung mehr. In Mitteleuropa ist die Baumhasel als Parkbaum bekannt.

Neue Baumart – große Herausforderung

Generell stellt das Einführen einer möglichen Alternativbaumart alle Akteure der Wald und Forstwirtschaft vor große Herausforderungen. Eine große Verantwortung liegt bereits bei den Betrieben, die das Saat- und Pflanzgut bereitstellen. Sie sollten qualitativ hochwertiges und herkunftsgesichertes Vermehrungsgut auf den Markt bringen. Mit der Auswahl des Saatguts und dem Verkauf des Pflanzmaterials wird das zu erwartende Produkt schon vordefiniert. Gerade bei einer seltenen Baumart, die nicht dem Forstvermehrungsgutgesetz unterliegt und für die keine Saatguterntebestände ausgewählt werden müssen, ist dies kein einfaches Unterfangen.

Saatgut mit unbekannter Herkunft

Das zur Anzucht der Bäume bisher verwendete Saatgut ist meist unbekannter Herkunft und/oder stammt von einzelnen Straßen- oder Parkbäumen ab. Dem Herkunftsgedanken wurde keine Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei können die einzelnen Vorkommen der Corylus colurna in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet durchaus unterschiedliche phänotypische und genotypische Eigenschaften aufweisen. Insbesondere für die Forstwirtschaft ist es daher notwendig mehrere Bestände zu beernten und in Feldversuchen zu prüfen, um die Anbauwürdigkeit nach Herkunft abschließend bewerten zu können.

Kenntnisse zur physiologischen Anpassungsfähigkeit und genetischen Ausstattung der gepflanzten Bäume und der Baumhaselpopulationen liegen bislang kaum vor. Um eine angemessene Bewertung der Baumart unter den mitteleuropäischen Klimabedingungen vorzunehmen und ihre Anbauwürdigkeit zu bewerten, wurde 2015 das von der Fachagentur für Nachwachsende Rohrstoffe geförderte Projekt "CorCed" gestartet.

Das Projekt und seine Schwerpunkte

Dabei wurden vier Arbeitsschwerpunkte definiert:

  • Aufbau von Kontakten zu Behörden, Institutionen und Saatgutlieferanten im natürlichen Verbreitungsgebiet.
  • Auswahl phänotypisch geeigneter Erntebestände im natürlichen Verbreitungsgebiet.
  • Dokumentation der Vorkommen und genetische Charakterisierung des Vermehrungsgutes.
  • Durchführung von kontrollierten Ernten für einen Herkunftsversuch zur Beurteilung der Anbaueignung je nach Herkunft auf wissenschaftlicher Grundlage.

Neben der Untersuchung der Anbauwürdigkeit ist ein weiteres wichtiges Ziel, günstige Voraussetzungen für spätere Beerntungsmaßnahmen und Saatgutimporte zu schaffen. Bei der Einführung des Baumhasel-Saatguts muss ein Augenmerk auch auf die Saatgutqualität und den Keimerfolg gerichtet werden. Um hohe wirtschaftliche Ausfälle bei den produzierenden Betrieben zu vermeiden, wurden daher vom ASP bei ersten Saatgutimporten eine Saatgutprüfung durchgeführt und unterschiedliche Stratifikationsverfahren getestet.

Saatgutprüfung bei der Baumhasel

Die forstliche Saatgutprüfung ist ein Standardverfahren, um die äußere Qualität von Saatgut zu bestimmen. Dabei werden folgende Parameter bestimmt: Reinheit, Hohlkornateil, Tausendkornmasse, Lebensfähigkeit als Anteil lebensfähiger Samen pro Kg. Die Bestimmung erfolgte nach den Regeln der ISTA 2014. Die maximale Anzahl der zu erwartenden Sämlinge pro Kg Saatgut errechnet sich aus der Formel:

𝑡𝑒𝑐ℎ𝑛𝑖𝑠𝑐ℎ𝑒 𝑅𝑒𝑖𝑛ℎ𝑒𝑖𝑡∗𝐴𝑛𝑡𝑒𝑖𝑙 𝑙𝑒𝑏𝑒𝑛𝑓äℎ𝑖𝑔𝑒𝑟 𝑆𝑎𝑚𝑒𝑛∗100 / 𝑇𝑎𝑢𝑠𝑒𝑛𝑑𝑘𝑜𝑟𝑛𝑚𝑎𝑠𝑠𝑒

Das am AWG untersuchte Saatgut stammt aus der Türkei (Saatguternte 2013, 2014, 2015 in zwei autochthonen Beständen in der Nähe der Dörfer Bolu und Tosya), Frankreich (Bezug durch Firma Vilmorin, Herkunft unbekannt, Sammlung von Parkbäumen) und Deutschland (Sammlung von 30 Individuen im Schlosspark Gotha durch Kollegen vom Forstkompetenzzentrum Gotha).

  • Alle Saatgutpartien wurden einer einheitlichen forstlichen Saatgutprüfung in den Laboren des AWGs unterzogen.
  • Die technische Reinheit bei den Nüssen der Baumhasel war mit 99 % relativ hoch.
  • Der Hohlkornanteil war mit 1-7 % bei allen Partien gering (vgl. Tabelle 1).

Tab 1: Ergebnisse der Saatgutprüfung an 5 Partien der Baumhasel.

Anhand der Ergebnisse der fünf Saatgutpartien zeigen sich deutliche Unterschiede bei dem Saatgutgewicht und dem Anteil lebensfähiger Samen. Laut NINIC-TODOROVIC et al. (2005) haben niedrige Temperaturen zu Beginn der Vegetationsperiode einen erheblichen Einfluss auf die Größe und Qualität der Nüsse.

Am besten hat das Saatgut aus der Türkei-Tosya abgeschnitten. Sowohl die Tausendkornmasse als auch der Anteil lebensfähiger Samen liegen bei dieser Partie am höchsten. Die in der Literatur beschriebene Korrelation aus der zunehmenden Größe der Nüsse und dem Anteil lebensfähiger Samen trifft hier zu (NINIC-TODOROVIC et al. 2012). Die Nüsse sind recht groß und weisen die typischen Merkmale auf (Abbildung 4). Wie Abbildung 5 zeigt, sind die Samen intakt und sehr gesund. Der Tetrazoliumtest ergab für diese Partie 89 % (489 Stück pro Kg) lebensfähiger Samen.

Von den drei türkischen Saatgutpartien hatte das Saatgut aus dem Erntejahr 2014 zwar eine mit den anderen beiden Partien vergleichbare Tausendkornmasse, aber mit 28 % eine vergleichsweise geringe Anzahl an lebensfähigen Samen. Ein möglicher Faktor für die unterschiedlichen Qualitäten ist die Transport- und Lagerdauer, die bei der Lieferung 2014 die längste Zeitpanne (neun Monate) umfasste. Es bestehen noch viele Ungewissheiten über die optimalen Bedingungen für Transport und Lagerung der Baumhasel. Beide Faktoren müssen in Abhängigkeit von Erntedatum und Feuchte untersucht werden, da sie den Keimerfolg stark beeinflussen können.

Bei dem deutschen Saatgut aus Gotha betrug die Tausendkornmasse 1269 Gramm, der Anteil der lebensfähigen Samen lag bei 51%. Die maximale Anzahl der Sämlinge, aus einem Kg Saatgut lag bei 404 Stück. Damit schneidet diese Partie durchschnittlich ab.

Bei dem Saatgut aus Frankreich sah das Verhältnis völlig anders aus. Die Tausendkornmasse betrug 1404 Gramm, der Anteil der lebenden Samen aber lediglich 19%. Der TZ-Test wurde hier am vorstratifiziert gelieferten Saatgut gemacht. Auch das tatsächliche Auflaufergebnis war bei diesem Saatgut trotz der Vorstratifizierung gering (vgl. Abbildung 8, Variante S5). Der Grund kann eine Austrocknung des Samens während des Transports sein.

Stratifikation der Baumhasel

Die Stratifikation ist ein Verfahren zur Brechung der Samenruhe (Keimruhe) und wird bei allen keimgehemmten Baumarten unterschiedlich vollzogen. Die Baumhasel hat eine starke Keimhemmung. Um die Stratifikation zu umgehen, wird die Herbstsaat empfohlen. Bei der Saat im Oktober herrschen in den ersten vier Wochen noch wärmere Temperaturen. Danach folgen die kälteren Wintermonate - wie bei der Kaltstratifikation. Dieser Ablauf ähnelt sehr stark dem natürlichen Verjüngungsprozess, da im September die reifen Früchte auf den Boden fallen, wenn die Temperaturen noch relativ mild sind. Anschließend folgt der Winter und das Saatgut ist niedrigeren Temperaturen ausgesetzt. Die Herbstsaat muss allerdings geschützt werden, da sonst ein großer Verlust durch Mäusefraß auftreten kann.

Wenn eine Herbstsaat nicht möglich ist, sollte die Aussaat im zeitigen Frühjahr (bis Mitte März) erfolgen, da die Baumhasel schon sehr früh keimt. In diesem Fall muss das Saatgut jedoch vorher stratifiziert werden. Beachtet werden muss auch, dass das Saatgut (vorwiegend aus dem Ausland kommend) auch während dem Transport vom Ernteort zur Anzuchtfirma feucht gehalten wird (vgl. Abbildung 6). Wenn die Nüsse der Baumhasel bei dem Transport oder der Zwischenlagerung austrocknen und nicht rechtzeitig ausgesät werden, kann die Primärruhe von der Sekundärruhe abgelöst werden. Dann kommt es zu einem hohen Anteil überliegender Nüsse. Um Erfahrungen mit der Stratifizierung zu sammeln wurden am AWG und in der Staatklenge Nagold (Baden-Württemberg) verschiedene Stratifikationsverfahren getestet und optimiert

Ergebnisse der Stratifikationsversuche

Folgende Startifikationsvarianten wurden getestet:

  • S1 - Direktsaat im Topf (Herbstsaat als Vergleichsvariante)
  • S2 - Nüsse 14 Tage in feuchtem Torf und warmer Umgebung vorquellen
    •   - danach mindestens 6 Wochen bei 2-4 °C kühl stellen (im gleichen Torf)
    •   - ab Februar im warmen Glashaus bis zur Aussaat feucht halten
  • S3 - Nüsse in feuchtem Sand bei 0-5 °C mäusesicher lagern (Vgl. Abb.7)
    •   - regelmäßig wässern und wenden (ca. 7 Wochen)
  • S4 - Nüsse in feuchtem Sand bei 4 °C lagern (ca. 7 Wochen)
  • S5 - Vorstratifiziert durch Lieferfirma, Verfahren unbekannt, aussaatfertig geliefert
  • S6 - Alle 2 Tage mit kaltem Leitungswasser übergossen (9 Wochen)

Sechs Stratifikationsvarianten, dargestellt in der Übersicht, wurden durchgeführt. Nach der Stratifikation wurden die Baumhaseln im Pflanzgarten ausgesät. Die Auflaufergebnisse wurden über zwei Jahre verfolgt, da die Baumhasel eine Art ist, die in der Baumschule auch überliegen kann. Die Ergebnisse in Abbildung 8 zeigen klar, dass die Herbstsaat (Varinate S1) mit Abstand am besten ist, mit dem höchsten Gesamtauflauf bereits im 1. Jahr. Die Frühjahrsaat nach Stratifikation ist bei allen Varianten deutlich schlechter, wobei die Variante S3 (7 Wochen Kaltstratifikation) und S5 (Verfahren unbekannt) am schlechtesten aufgelaufen sind.

Als Ursachen des deutlich niedrigeren Auflaufs nach Stratifikation sehen wir die relativ kurze Stratifikationsdauer (max. 63 Tage). Dafür spricht auch der deutlich bessere Auflauf im Folgejahr nach einer quasi natürlichen "Zweitstratifikation" durchs Überliegen im Beet. Nur 21% der Nüsse sind im ersten Jahr aufgelaufen (S2). Die restlichen Nüsse sind bei allen Stratifikationsvarianten erst im zweiten Jahr aufgelaufen. Die Nüsse der Baumhasel können bis zu vier Jahre im Beet liegen bleiben. Daher sollte das Beet nicht gleich im nächsten Jahr abgeräumt werden

Inwieweit das schlechte Ergebnis bei dem vorstratifiziert geliefertem Saatgut auf das Stratifizierungsverfahren oder den Transport des stratifizierten Saatgutes zurückgeführt werden kann, können wir nicht beurteilen. Fest steht, dass bei dieser Variante nur insgesamt 19 Sämlinge pro Kg aufgelaufen sind.

Die Aussaat sollte möglichst früh im Jahr erfolgen und die Beete feucht gehalten werden. Bei zu später Aussaat besteht die Gefahr, dass das Beet austrocknet und dies zum Überliegen der Nüsse führt.

Zur weiteren Optimierung der Ergebnisse wurde am AWG ein neuer Stratifikationsversuch mit den Varianten S2 und S3 aber unter Verlängerung der Stratifikationsdauer auf 120 bis 150 Tage begonnen. Der Versuch spricht für eine Stratifikation von mindestens 120 Tagen. Unsere Ergebnisse decken sich mit denen anderen Autoren (AYGUN et al. 2009 und NINIC-TUDUROVIC et al. 2012), die ebenfalls mit der Herbstsaat und einer Stratifikation von 120 Tagen die besten Ergebnisse erzielten.

Fazit und Empfehlung

Da in Deutschland keine größeren natürlichen Waldbestände der Baumhasel vorhanden sind, wird das Saatgut meistens in den Herkunftsländern der Baumhasel bestellt. Die Lieferung des Saatgutes an die Aussaatbetriebe sollte baldmöglichst nach der Ernte und ohne Zwischenlagerung erfolgen. Während des Transports und der Lagerung müssen die Nüsse stets feucht gehalten, aber ein Pilzbefall vermieden werden. Falls es zum Austrocknen des Samens kommt, können die Nüsse ein bis mehrere Jahre überliegen. Bei günstigen Voraussetzungen ist eine Herbstsaat zu empfehlen, andernfalls muss eine Kaltstratifikation vorgenommen werden. Die Mindestdauer der Stratifikation beträgt 120 Tage.

Oft ist die Herbstsaat aber nicht möglich, da die Lieferung des Saatgutes in der Regel erst im Winter erfolgt, wenn es für eine Herbstsaat bereits zu spät ist.

Ein zentrales Thema für die Baumschulbetriebe stellt das Überliegen des Saatgutes da. Dadurch können hohe Kosten bei der Pflege und der Bereitstellung des Pflanzmaterials entstehen. Um ein Überliegen zu vermeiden, müssen bestimmte Bedingungen berücksichtig werden:

Das Saatbeet darf während der Keimphase keinesfalls austrocknen und muss bei Bedarf gewässert werden. Die Bodenfeuchte und Bodentemperatur in den Anzuchtbeeten ist daher regelmäßig zu kontrollieren. Um das Saatbeet vor Vogelfraß zu schützen, empfiehlt sich eine Beetabdeckung.