Küstentanne im Portrait

Für den Umbau von Kiefernrein- beständen bietet sich als nichtheimische Nadelbaumart neben der Douglasie auch die Küstentanne an. Was hat diese Baumart zu bieten?

Die Küstentanne ist sehr schattentolerant und eignet sich daher besonders für den Aufbau von Mischbeständen – besonders unter Lichtbaumarten wie der Kiefer. Sowohl die Douglasie als auch die Küstentanne zeichnet sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit an trockenere und wärmere Klimaverhältnisse aus. Wissenschaftlerinnen  und Wissenschaftler geben dabei der Küstentanne auf ärmeren, trockenen Sandböden sowie auf wechselfeuchten bzw. verdichteten Standorten den Vorzug. Das Pfahlwurzelsystem der Küstentanne ermöglicht ihr eine große Tiefenerschließung. Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass die Küstentanne höhere Ansprüche an die Standortsgüte stellt als die Douglasie.

Insgesamt sprechen folgende Faktoren für einen verstärkten Anbau: Die Küstentanne ist standortsgemäß, bodenpfleglich, nicht über ein Normalmaß hinaus durch biotische und abiotische Risiken gefährdet, natürlich zu verjüngen, waldbaulich nicht schwierig zu führen und kann als Mischbaumart gut integriert werden. Gleichzeitig überzeugt sie durch ihr vielfältig zu verwendendes Holz. Aufgrund ihrer Verjüngungsökologie (die Samen haben ein geringes Ausbreitungspotenzial und bleiben auf dem Waldboden nur einen Winter lang lebensfähig) lässt sich ihre Ausbreitung gut kontrollieren.

Versuchsflächen in Hessen und Sachsen-Anhalt

Um das Wachstum der Küstentanne unter verschiedenen Schirmstellungen der Kiefer beobachten zu können, wurden im Frühjahr 2013 je ein Versuch im Forstbetrieb Altmark (Sachsen-Anhalt) und im Forstamt Jesberg (Hessen) angelegt. Das Saatgut dafür stammte von Plusbäumen. Gepflanzt wurden wurzelnackte Küstentannen des Sortimentes 2 + 1 20/40 im Verband 2 x 2 m. Die beiden Flächen unterscheiden sich standörtlich deutlich voneinander. Auf beiden Flächen sind in den ersten drei Jahren nach der Pflanzung erhebliche Ausfälle aufgetreten, diese betrugen unter dem dichtesten Schirm (Bestockungsgrad [B°]: 0,9) in der Altmark sogar 48 %. Der überwiegende Teil der ausgefallenen Küstentannen hat also bereits das erste Jahr nicht überlebt. Die Hauptursache auf beiden Flächen war die nach der Pflanzung aufgetretene Trockenheit, kombiniert mit einem starken Temperatur-Anstieg auf bis zu 25 °C im April 2013.

 

Deutlicher Einfluss von Standort und Bestockungsgrad

Nachdem die Bäume den Pflanzschock überwunden und sich etabliert hatten, sind die Einflüsse von Standort und Bestockungsgrad deutlich erkennbar (siehe  Abb. 4). Die Küstentannen in Jesberg unter einem B° von 0,6 sind wesentlich wüchsiger als die vergleichbaren Bäume in der Altmark. Innerhalb der Versuchsfläche Altmark zeigt sich eine deutliche Differenzierung je nach Bestockungsgrad. Der signifikante Höhenunterschied zwischen den Küstentannen der Variante B° 0,6 und der Variante B° 0,3 im Alter 11 beträgt 46 cm. Unabhängig von der Standortsgüte konnte auf allen Flächen ein signifikanter Zusammenhang zwischen Höhenzuwachs und relativer Beleuchtungsstärke (Indirect Site Factor [ISF]) nachgewiesen werden. Vergleichbar wie die Höhen entwickeln sich auch die Durchmesser (gemessen am Wurzelhals 5 cm über dem Boden). Die Küstentannen in Jesberg sind bei gleichem Alter aufgrund des besseren Standorts deutlich dicker als die Bäume in der Altmark. Innerhalb der Versuchsfläche Altmark ist auch der Unterschied im Wurzelhals-Durchmesser zwischen der Variante B° 0,6 und B° 0,3 im Alter 11 signifikant und beträgt 0,9 cm.

Das Potenzial der Küstentanne im Waldumbau

Die große Küstentanne wird überwiegend wie die Douglasie als eine Halbschattenbaumart eingestuft, übertrifft diese hinsichtlich der Schattentoleranz aber deutlich. Insgesamt verfügt sie über eine hohe Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Lichtverhältnisse. Vergleichende Untersuchungen über die Schattenerträgnis junger Weiß- und Küstentannen kommen zu dem Ergebnis, dass die Küstentanne auf armen Sandböden nur etwas mehr Licht benötigt als die Weißtanne. Empfohlen wird daher, die Küstentanne unter einem leichten Schirm anzubauen und dabei die Freilandstrahlung nicht für längere Zeit auf unter 50 % absinken zu lassen. Eine leichte und moderate Überschirmung soll zu einer erfolgreichen Etablierung und zu besserem Wachstum in der Verjüngungsphase führen. 

Mittleres Trockenstressrisiko

Auf der Versuchsfläche in der Altmark liegt die relative Beleuchtungsstärke (ISF) je nach Bestockungsgrad zwischen 41 % (B° 0,9) und 61 % (B° 0,3) und sollte den Lichtansprüchen der Küstentanne eigentlich genügen. Der Schirm der Altbäume hat eine Reihe positiver Eigenschaften, wie Verdunstungsschutz, Frostschutz oder Eindämmen der Begleitvegetation. Doch neben diesen vorteilhaften Eigenschaften wirkt er sich auch negativ auf das Wachstum der Pflanzen aus, weil er die Lichtzufuhr verringert und Niederschläge zurückhält (Interzeption). Zudem erhöhen die Wurzeln der Altbäume die Konkurrenz um Wasser und Nährstoffe. Diese Effekte werden in der Altmark deutlich. Der Standort weist in der Vegetationszeit geringe Niederschläge und eine hohe Verdunstungsrate auf, also eine schlechte klimatische Wasserbilanz (KWB). Der Boden verfügt über eine geringe Wasserhaltefähigkeit und besitzt dadurch eine niedrige nutzbare Feldkapazität (nFK). Aus den beiden Größen - Klimatische Wasserbilanz plus nutzbare Feldkapazität - berechnet sich die Standortswasserbilanz (KWB + nFK = SWB) für den Bezugszeitraum 2041 bis 2070. Diese ist auf der Versuchsfläche in der Altmark negativ. Sie beträgt -222 mm und kann als Maß für die Trockenheit interpretiert werden. Nach der Meinung von Expertinnen und Experten wird auf Standorten mit einer Standortswasserbilanz zwischen -150 und -350 mm das Trockenstressrisiko für die Küstentanne als „mittel“ eingeschätzt. In diesem Bereich ist eine Entwicklung des Kiefernbestandes hin zum sogenannten Bestandeszieltyp (Sachsen-Anhalt) aus führender Küstentanne mit Buche möglich. 

Küstentannen-Buchen-Mischbestand

Bei der Umwandlung von Kiefernreinbeständen in Küstentannen-Buchen-Mischbestände ist der richtige Zeitpunkt wichtig, um Hiebsunreifeverluste zu vermeiden. Der Voranbau sollte dann erfolgen, wenn ein nennenswerter Anteil der Kiefern ihren Zieldurchmesser erreicht hat. Ein Bestockungsgrad von 0,9 ist für den Voranbau nicht optimal. Unter dem dichten Bestand sind die Ausfälle am höchsten und das Wachstum der Küstentanne ist so verhalten, dass sie im Alter von 11 Jahren immer noch nicht den Jugendgefahren entwachsen ist. Wenn der Bestockungsgrad vor der Pflanzung abgesenkt wird, verringern sich die Ausfälle und das Höhen- und Durchmesserwachstum wird beschleunigt. Des Weiteren lassen sich auf diese Weise Hiebsschäden am Voranbau verringern. Die Fläche in Jesberg zeigt, wie gut sich die Küstentanne unter einem Kiefernaltholz mit einem B° von 0,6 und einer relativen Beleuchtungsstärke von durchschnittlich 56 % entwickeln kann. Im Alter von 10 Jahren beträgt die mittlere Höhe 212 cm (Minimum 56 cm, Maximum 400 cm). Der Standort weist mit einer Standortswasserbilanz von -53 mm nur ein geringes Anbaurisiko für die Küstentanne auf. Das in Hessen sogenannte Waldentwicklungsziel aus führender Küstentanne mit Buche kann hier mit hoher Sicherheit realisiert werden.

Fazit

Das Wuchsleistungspotenzial der Küstentanne ist sehr groß und übersteigt vielerorts das der Douglasie. Für den klimaangepassten Waldumbau von Kiefernreinbeständen hin zu Mischbeständen aus Laub- und Nadelbäumen bietet sich daher auch die Küstentanne an. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sollte sie in einem bemessenen Flächenumfang in die Waldbauplanungen einbezogen werden, um künftig in den kontinentalgeprägten Regionen des Norddeutschen Tieflands die Palette der standortsgemäßen Baumarten zu erweitern.