Der naturnahe Gebirgswald zeigt in der Regel gegen die obere Waldgrenze hin eine immer ausgeprägtere Rottenstruktur. Die Bestände lockern sich zunehmend in einzelne Baumgruppen und Lücken auf. Diese Rottenstruktur gipfelt in der "Kampfzone" der Bäume meist in den sogenannten Fichtenkolonien, d.h. Lebensgemeinschaften von Klonen, die auf vegetativem Weg entstehen, indem sich Äste mit Bodenkontakt bewurzeln, an den Spitzen aufrichten und neue Stämme ausbilden. Ein Baum im Kollektiv muss also in dieser harschen Umwelt gegenüber einem Einzelbaum und auch gegenüber einem Mitglied eines geschlossenen Bestandes Vorteile haben.

Solche Klein-Kolonien besetzen unter extremen Bedingungen im Freiland der Kampfzone ausschliesslich die besseren Kleinstandorte, wo sie z.B. vor Schneebewegungen oder Pilzkrankheiten sicher sind oder genügend Wärme empfangen. Umfangreiche Forschungsprogramme über die Grundlagen der Aufforstung im Gebirge haben die hervorragende Bedeutung des Kleinstandortes im subalpinen Freiland sehr eindrücklich erwiesen.

Rotten sind voneinander räumlich abgrenzbare Baumkollektive, die aus mehreren gedrängt stehenden Einzelbäumen bestehen.

Risiken von Aufforstungsbeständen

Seit der Jahrhundertwende haben Förster im Gebirgsraum grosse Flächen ausgepflanzt. Gleichmässige Hänge ohne ersichtliche Kleinstandortsunterschiede verleiten dazu, durchgehend und flächendeckend zu bepflanzen. Wo die grossflächigen Aufforstungen kaum je gepflegt wurden, sind oft zu dichte, gleichförmige, gleichaltrige, geschlossene, kurzkronige, dunkle und artenarme Stangenhölzer und schwache Baumholzbestände entstanden. Wälder mit derartiger Struktur sind labil gegenüber Wind, Schneelast und Parasiten. Stabilitätsprobleme sind von Anfang an vorprogrammiert.

Aufforstung in Rotten

Um grosse, instabile Bestände zu verhindern, versucht man seit den Achzigerjahren vermehrt, die Rottenstruktur waldbaulich zu fördern. Im Prinzip kann man Rotten während der Jungwuchspflege oder auch noch in der Dickungsstufe herausbilden. In einer schwierigen holzwirtschaftlichen Lage ist eine Pflege aber nicht immer garantiert. Zudem ist es für das Forstpersonal sehr schmerzlich, in gut gedeihenden Dickungen die notwendigen breiten Schneisen auszuhauen. Bei der Bevölkerung stösst diese Massnahme, so notwendig sie oft sein mag, auch bei bester Aufklärung kaum auf Verständnis. Eine nachträgliche Rottenausformung ist deshalb schwer durchzusetzen. In der Stangenholzstufe ist es für eine Rottenausformung bereits zu spät, denn wenn ein Bestand schon labil ist, so erhöht ein Eingriff in der notwendigen Stärke das Zusammenbruchsrisiko.

Wesentlich leichter als durch Pflegeeingriffe in homogenen Dickungen dürfte die Rottenstruktur zu erreichen sein, wenn man von Anfang an nicht flächenhaft auspflanzt. Die Gebirgsförster kommen immer mehr von der homogenen und gleichzeitigen Aufforstung grösserer Flächen ab. Stattdessen bepflanzen sie nur noch die mehr Erfolg versprechenden Kleinstandorte, diese dafür relativ dicht. In Aufforstungskursen mit Förstern haben Wissenschafter der Eidgenössichen Forschungsanstalt WSL die Anlage von Rottenpflanzungen im Gelände diskutiert und praktisch geübt.

Rottenaufforstung – gewusst wie

Grösse, Form und Zusammensetzung der Rotten sollen variabel sein, dem Gelände und Standort angepasst. Zuerst muss man die Stellen ausscheiden, die nicht oder nur mit grossen Verlusten aufgeforstet werden können. Dies sind im allgemeinen Stellen mit überdurchschnittlich langer Schneebedeckungsdauer, mit dicht geschlossener Gras- oder Hochstaudenvegetation, mit dicker Rohhumusauflage oder mit Wärmemangel. Als nächstes sind die besten Kleinstandorte ausfindig zu machen, welche sich als Rottenplätze anbieten. Relativ günstige Stellen sind in der Regel auf Geländeerhebungen, entlang von Hangkanten, im Umkreis von Stöcken und Steinen, im Anschluss an Bestandesränder und Jungwuchsgruppen zu finden.

Bei der Festlegung von Grösse und Abstand der Rotten ist es vorteilhaft, statt in absoluten Längen und Flächenmassen in relativen Grössen oder in Entwicklungszeiträumen zu denken. So soll sich die Rottengrösse nach der zu erwartenden Baumhöhe richten. In hohen Lagen werden deshalb Rotten kleiner sein als in mittleren. Der ideale Durchmesser entspricht etwa einer halben bis ganzen Baumlänge. Die Rottenform ist rundlich bis oval, damit Einzelbäume nicht zu stark exponiert sind. Der Abstand zwischen den Rotten muss im Zeitpunkt der Pflanzung mindestens der doppelten Astausladung eines ausgewachsenen Baumes entsprechen, damit sich die Rotten nicht vollständig zusammenschliessen.

Bei Durchmessern bis zu einer Baumlänge würden die Rotten, zumindest solange die Bäumchen noch klein sind, immer noch flächige Gebilde ergeben. Bei engem Pflanzverband braucht man zudem sehr grosse Pflanzenzahlen. Um die Kleinststandorte noch besser auszunützen und die Pflanzenzahlen in Grenzen zu halten, unterteilt man die Rotten in mehrere vorläufige Teil- oder Kleinrotten mit Durchmessern von 3 bis 4 m, bestehend aus 20 bis 40 Bäumchen. Die Pflanzabstände innerhalb der Kleinrotten sind so zu wählen, dass die Bäumchen sich innert spätestens 5 bis 10 Jahren zu einem Klein-Kollektiv zusammenschliessen. In höchsten Lagen bedeutet dies also Abstände bis hinunter auf 50 cm. Nur so kommen die Vorteile der Lebensgemeinschaft schon während der gefahrvollen Aufwuchsphase zum Tragen. Der Abstand zwischen diesen Kleinrotten wird so festgelegt, dass diese im Laufe weniger Jahrzehnte zu den endgültigen Rotten zusammenwachsen.

Innerhalb der Rotte sollte man nur eine Baumart verwenden. Ein Baumartenwechsel von Rotte zu Rotte ist jedoch erwünscht. Die aufrechten Nadelbaumarten, besonders die Schattenbaumarten, eignen sich am besten zur Rottenpflanzung. Man kann auch einmal grössere Lücken für die Naturverjüngung oder für spätere Nachpflanzung freilassen. Wo Erosionsschutz erforderlich ist, können die Zwischenräume mit strauchigen Vorbau-Arten ausgepflanzt werden. So lässt sich das Risiko der Schädigung durch Krankheiten oder extreme Ereignisse auf verschiedene Baumarten und Altersstufen verteilen.

Folgende Bildserie zeigt die mögliche Entwicklung einer Rottenaufforstung:

Vorteile der Rottenaufforstung

Diese Art der standortsgemässen und zielgerichteten Aufforstung ist recht anspruchsvoll und setzt voraus, dass der Förster das ausführende Personal gut instruiert, überzeugt und führt. Der Aufwand bei der Pflanzarbeit ist jedoch nicht grösser als bei der herkömmlichen Pflanzung.

Für die An- und Aufwuchsphase sind wesentlich geringere Ausfälle zu erwarten, wenn gezielt die besseren Kleinstandorte bepflanzt und die schlechteren ausgespart werden. An den besten Kleinstandorten ist die Konkurrenz durch die Vegetation geringer, und durch den raschen Kronenschluss innerhalb der Kleinrotten wird ihr Einfluss zudem bald eingedämmt. Dies erleichtert die Pflege der Kulturen ganz wesentlich, denn man muss nur etwa ein Drittel bis ein Viertel der Fläche während weniger Jahre ausgesicheln. Einzelschutzmassnahmen wie Verbiss- oder Gleitschneeschutz können oft auf den kleineren Bereich der Rotten konzentriert werden. Die zentral stehenden Bäumchen einer Kleinrotte sind nach dem raschen Kronenschluss durch die randständigen Rottenglieder vor Wildverbiss geschützt und gedeihen so am besten.

Mit zunehmendem Bestandesalter wirkt sich die Rottenstruktur vorwiegend für die Bestandesstruktur günstig aus. Im Gebirgswald, wo die Schutzfunktion absolute Priorität vor der Produktion geniesst, ist dies ein entscheidender Vorteil. Die Rottenstruktur führt zu einer Entlastung der Kronen vom Schnee, der durch den Wind in die Lücken geblasen und nicht auf einem geschlossenen Kronendach abgelagert wird. Da die Rottenmitglieder ständig Windströmungen ausgesetzt sind, halten sie den Belastungen besser stand als Bäume in homogenen Beständen. In den Lücken dringt Licht und Wärme überall bis zum Boden vor. Dadurch erhalten die Rotten ihren Kronenmantel. Es kann sich eine grosse Artenvielfalt von Bodenpflanzen, Insekten und Vögeln sowie ein reichhaltiges Äsungsangebot für das Wild entwickeln.

Vermehrte Sorgfalt, besondere Rücksicht auf Kleinstandortsunterschiede und zielgerichtete Pflanzverbände machen sich bei der Gebirgsaufforstung durch besseren Anwuchserfolg, weniger Pflegeaufwand und ein geringeres Risiko bezahlt.

(TR)