Unter den föhrenartigen Waldbaumarten des Alpenraums geniesst die Arve (Pinus cembra L., Abb. 1) eine herausragende Stellung. Bereits ihre Höhenverbreitung im Bereich der Waldgrenze zeigt, wes­halb sie als «Königin der Alpen» bezeichnet wird und der bewaldeten Höhenstufe sozusagen die Krone auf­setzt. Ebenso zeichnet sie sich durch verschiedene biologische Eigenschaften aus (siehe Steckbrief). Nebst phy­sio­lo­gi­schen An­pas­sun­gen ist die Wech­sel­wir­kung mit dem Tann­en­hä­her als Sa­men­aus­brei­ter her­vor­zu­heben. Nicht zuletzt spielt die Arve als Hauptbaumart des Arven-Lärchenwalds insbesondere in den Alpen eine ökologisch und öko­no­misch bedeutende Rolle. 

Steckbrief Arve

  • Systematik: Nacktsamer (Gymnospermae) – Föhrengewächse (Familie Pinaceae) – Föhren (Gattung Pinus) – Pinus cembra L.; nächste Verwandte: P. sibirica
  • Verbreitung: Alpen, Karpaten
  • Lebensraum: (supra)subalpine Höhenstufe, mit Lärche (Larix decidua) und Fichte (Picea abies); zumeist gut wasserversorgte, saure Rohhumusböden, vorwiegend Nord- und West-exponiert; meidet Muldenlagen
  • Wuchsform: aufrecht, bis 25 m; oft mehrstämmig oder durch Schäden kandelaberförmig
  • Alter: meistens bis max. 400 Jahre, «Methusalem»-Arven anekdotisch über 1000-jährig
  • Fortpflanzung: einhäusig / getrenntgeschlechtig, mit weiblichen (Zapfen) und männlichen Blütenständen auf derselben Pflanze; reproduktiv ab etwa 40  Jahren (in Kultur auch früher), Samenentwicklung zweijährig; reife Samen wiegen 150–270 mg
  • Ausbreitung: Pollen durch Wind, Samen hauptsächlich durch Tannenhäher
  • Erkennungsmerkmale: 5 Nadeln pro Büschel, die dreikantigen Nadeln auf 2 Seiten mit weisslichen Wachsstreifen, junge Triebe rotgelb filzig; geschlossene, violett überlaufene, selten grüne Zapfen mit ungeflügelten, hartschaligen Samen
  • Vorkommen in der Schweiz: 5,7 Mio. Bäume (>12 cm Stammdurchmesser), 1,2 % der Stammzahl landesweit; 2,9 Mio m3 (0,7 %) Holzvorrat; Zunahme beider Werte gegenüber LFI3 (2004–2006) um 9 % (Landesforstinventar LFI4, 2009–2017)
  • Namen deutsch: Arve, Arbe, Zirbe, Zirbelkiefer, Zir(b)m; französisch: arole, arolle, pin cembro, pin des Alpes; italienisch: cirmolo, pino cembro; romanisch: gembru, gembra, (d)schember; englisch: Swiss stone pine, arolla pine

Ohne Tannenhäher keine Arven

Mit seinem schwarz-braunen, weiss getüpfelten Federkleid, dem schwarzen Schwanz mit weisser Endbinde, den weissen Unterschwanzdecken und dem charakteristischen, langen und meisselartigen Schnabel ist der Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) ein unver­kenn­ba­rer Bewohner des Nadelwaldes (Abb. 2).

Arvensamen sind die Hauptnahrung des Tannenhähers. Er sammelt sie ab dem Spät­som­mer (Abb. 3) und versteckt sie als Wintervorrat im Boden. Diese Samen müssen im Winter unter dem Schnee gefunden und oft aufwändig ausgegraben werden. Umso erstaunlicher ist die Wiederfundrate von rund 80 % – die übrigen Samen sind für den Fortbestand der Arve enorm wichtig. Neue Studien zeigen aber, dass die Verstecke entgegen der ver­brei­te­ten Ansicht meistens an für die Keimung ungünstigen Standorten angelegt werden.

Letztlich ist es für die Arve entscheidend, wie viele Samen an Standorten zurückbleiben, die für die Keimlingsetablierung günstig sind (Abb. 4). Verstecke in Lichtungen innerhalb bestehender Waldflächen, wie sie gelegentlich vorkommen, können wie Flächen oberhalb der Baumgrenze für die Arve in Zeiten des Klimawandels von grosser Bedeutung sein.

Besiedlungsgeschichte

Wie alle heute im Alpenraum vorkommenden Arten hat auch die Arve eine bewegte Geschichte. Durch wiederholtes eiszeitliches Ausdehnen und Zurückziehen der Gletscher in Zentraleuropa veränderte sich das verfügbare Areal der Arve ständig.

Fossile Pflanzenreste (Pollen, Makro-Reste) belegen, dass die Arve die letzte Eiszeit vermutlich entlang des zentralen und östlichen Südrands der Alpen, in der Ungarischen Tiefebene und rund um die Karpaten überdauerte. Die Rückkehr in die Alpen erfolgte hauptsächlich westwärts in die Ostalpen und nord- / westwärts in die Zentral- und Westalpen. Die Karpaten wurden zumeist aus den nahegelegenen Vorkommen besiedelt.

Diese Aus- und Einwanderungsgeschichte widerspiegelt sich auch in der räumlichen genetischen Struktur, welche fünf genetische Verwandtschaftslinien entlang der Ost–West-Achse der Karpaten und Alpen erkennen lässt (Abb. 5). Die östliche Gruppe ist vor allem in den Karpaten dominant und dürfte hauptsächlich aus den karpatennahen Refugien entstanden sein; sie lässt eine genetische Verbindung zu den Ostalpen erkennen. Die drei genetischen Gruppen in den Westalpen differenzierten sich während der Rückwanderung nach der letzten maximalen Vergletscherung. In der Schweiz dominieren zwei genetische Gruppen, die jeweils den beiden Hauptarealen im Osten und Westen (Engadin, Wallis) entsprechen. Die Kenntnisse über dieses räumliche Muster ermöglichen beispielsweise, weiträumigen Saatguttransfer nachzuweisen oder passendes Saatgut (Herkunft) auszuwählen.

Nutzung

Früheste Nachweise für die Verwendung von Arvenholz stammen aus der Bronzezeit (1400 v. Chr.). Ab dem 16. Jahrhundert sind nebst der Verwendung als Brennholz, zum Beispiel in Salinen, vielfältige Nutzungen bekannt. Aus dem leicht zu verarbeitenden, weichen Holz wurden Gebrauchsgegenstände für die Berglandwirtschaft wie Schalen, Milchgeschirre und Löffel angefertigt. Aufgrund der antibakteriellen und insektenabwehrenden Eigenschaften war Arvenholz beliebt für Möbel zur Lagerung von Gütern (Schränke, Mehltruhen). 

Nebst Holz wurde in gewissen Regionen auch Waldstreu für Tierfutter und Einstreu bis Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet. Dies mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Verjüngung der Arve: Weil die Rohhumusauflage entfernt wurde, verschwand nicht nur das Keimbett, sondern oft auch die sich darin entwickelnden Keimlinge. Aus Sorge um die Waldverjüngung wurde ab 1900 in vielen Gebieten die Streu- und Zapfennutzung eingeschränkt oder verboten. Nebst der Streunutzung erschwerte die regional bis ins 20. Jahrhundert ­finanziell abgegoltene Tannenhäherjagd die Naturverjüngung.

Heute werden vermehrt nicht-forstliche Produkte hergestellt (Abb. 6). Nebst diesen Arvenprodukten, über deren Wertschöpfung keine Zahlen verfügbar sind, hat die Arve auch einen ideellen und vor allem ästhetischen Wert. Die jahrhundertealten, von Wind und Wetter gezeichneten Symbolbäume werden bewundert und die reich strukturierten Arven- oder Arvenmischwälder geschätzt. Diese Landschaftsqualität gilt als wichtiges Argument für die Attraktivität einer touristischen Destination und somit für die lokale Wertschöpfung.

Samenernte, Aufzucht und Aufforstung

Die Forschungsanstalt WSL untersucht schon seit über 50 Jahren Möglich­keiten, die Arve im Gebirgs­wald zu fördern. Zu diesem Thema wurden viele Auf­fors­tun­gen realisiert und wissen­schaftlich betreut. Wenn immer möglich sollte die Arve jedoch natürlich verjüngt werden, auch wenn dies Jahr­zehnte dauert. Dabei spielt der Klein­stand­ort eine ent­schei­dende Rolle für den Ver­jün­gungs­erfolg.

Als Pflanzstellen sollten nur aus­gewählte Klein­standorte mit kleinen Grup­pen (drei bis fünf Arven) bepflanzt werden. Günstige Klein­stand­orte sind Gelände­erhöhungen und Bereiche um alte Baum­strünke oder liegen­gelassenes, zum Hang quer gefälltes Baum­holz. In den ersten 20 Jahren sind die Arven anfällig auf Pilz­er­kran­kun­gen (vor allem Gremmeniella-Triebsterben), die sich unter lang andauernder Schnee­bedeckung ausbreiten. Dies wurde in der Hoch­lagen­auf­fors­tung am Still­berg (Davos, Kanton Graubünden) sehr deutlich, wo in Mulden­lagen und zwischen Lawinen­verbau­ungen mit langer Schnee­bedeckung praktisch alle Arven wegen Gremmeniella-Triebsterben eingingen. Gepflanzte Arven sind anfällig auf Wild­schäden und werden gerne durch das Schalen­wild gefegt, geschlagen und verbissen (Abb. 7). Besonders in Gebieten, wo keine Alt­bäume vorhanden sind, ist der Wild­druck auf diese Baum­art enorm. Eine Auf­forstung ohne Wild­schutz­massnahmen ist daher kaum erfolg­reich.

Die Arve im Klimawandel

Die rasante Klimaveränderung stellt für die Arve eine grosse Herausforderung dar. Eine Fallstudie im Averstal (Kanton Graubünden) zeigt, dass die Arven in tieferen Lagen seit den 1980er Jahren weniger gut wachsen. Dies im Gegensatz zur Lärche, die offenbar von der Klima­erwärmung profitiert (Abb. 8). Die langlebige Arve kann dem zunehmenden Konkurrenzdruck von höher steigenden Baumarten nur langsam nach oben ausweichen.

Zukunftsaussichten

Die kommenden Jahrzehnte lassen vielfältige Änderungen der Umwelt erwarten: wärmere Temperaturen, eher weniger Niederschlag und längere Trockenperioden. Somit ist anzunehmen, dass sich die Vegetationsstufen und damit auch der Lebensraum der Arven nach oben verschieben. Dabei hat die Arve einen schweren Stand: Sie ist gegenüber den von unten vordringenden Baumarten konkurrenzschwach und wächst langsam. Hinzu kommt, dass die Arve fast nur durch den Tannenhäher weiter nach oben gelangt (Abb. 9), dieser aber vorwiegend im bereits bewaldeten Bereich seine Samenverstecke anlegt. Ebenso fehlt oberhalb der Waldgrenze zumeist die Rohhumusauflage, welche der Arve günstige Keimungs- und Etablierungsbedingungen bietet. 

Nebst dem Klima wird sich die Nutzung in den Arven-Lebensräumen weiter verändern: Wo Wiesen und Weiden auf­gegeben werden, kann sich Wald entwickeln, was der Arve zugutekommt. Dabei ist zu beachten, dass die Rückgewinnung von Waldfläche oberhalb der heutigen Waldgrenze einer Wiederbewaldung entspricht, da durch Alpnutzung die natürliche Waldgrenze oft um 200–300 m nach unten gedrückt wurde. Andernorts können intensivierte Aktivitäten (z. B. Tourismus, Berglandwirtschaft) und hoher Wilddruck negative Auswirkungen auf die natürliche Verjüngung haben.

Schliesslich könnte auch die Langlebigkeit zum genetischen Stolperstein werden: Alte Bäume, die sich in ihrer Jugendzeit vor etwa 150 Jahren unter feuchteren und deutlich kühleren Bedingungen erfolgreich durchgesetzt haben, weil sie damals gut angepasst waren, werden weiterhin ihre Gene an den Jungwuchs vererben, der in einer trockeneren und wärmeren Umwelt erfolgreich sein muss.

Diese Einschätzung bedeutet aber nicht, dass die Arve kurz vor dem Aussterben steht und der ­Arvenwald verschwinden wird. Zum Beispiel könnte in tieferen Lagen des Arvenvorkommens die Konkurrenz insbesondere durch die Fichte abnehmen, falls diese durch Trockenheit und Borkenkäfer vermehrt unter Druck gerät. Das Arvenareal könnte sich insgesamt aber verkleinern. Vor allem in Randvorkommen, wo das Klima bereits jetzt sehr ozeanisch geprägt ist, dürfte die Arve über die nächsten ein- bis zweihundert Jahre Mühe bekunden oder gar lokal verschwinden. Demgegenüber steht das vermehrte Interesse an Arvenprodukten und damit auch an der waldbaulichen Förderung der Arve. Diese sollte sich angesichts der Klimaerwärmung auf die hohen Lagen fokussieren, wo auch in Zukunft Arven-taugliche Bedingungen herrschen werden.

Empfehlungen für die Praxis

Damit Arvenwälder als vielfältige Lebensräume am Übergang zur alpinen Stufe unter zukünftigen Klimabedingungen erhalten bleiben, bedarf es eines integrativen Ansatzes zugunsten der Biodiversität und verschiedener Waldfunktionen und -leistungen wie Schutz, Nutzung und Erholung. Lokale Gegebenheiten und die waldbauliche Geschichte sind bedeutend bei der Beurteilung, wo und wie die Arve gefördert werden soll. Die beiden Pilzpathogene Arvenschneepilz (Gremmenia infestans, Abb. 10) und Gremmeniella-Triebsterben (Gremmeniella abietina) spielen eine entscheidende Rolle in der Verjüngungsdynamik der Arve und beeinflussen deren räumliche Verteilung.

Die Arve bevorzugt offene Waldstrukturen (Abb. 11). Sie ist zwar gut an Gebirgsstandorte angepasst, bekundet aber Mühe bei hoher Stammzahl, insbesondere im Schatten von schneller wachsenden Baumarten wie der Fichte. Um die Arve auch bei zunehmender Konkurrenz zu erhalten, sollte sie möglichst frühzeitig durch gezielte Jungwaldpflege oder später durch die Entnahme von konkurrierenden Arten gefördert werden. Damit kann die Arve auch ausserhalb des für sie in Zukunft prognostizierten Verbreitungsgebiets als wertvolle Mischbaumart Funktionen übernehmen, sollte die Fichte dort durch Käferschäden zunehmend unter Druck geraten.

Bei Arvenpflanzungen ist auf folgende Aspekte zu achten:

  • geeeignete Kleinstandorte auswählen, Runsen und schneereiche Muldenlagen meiden
  • in kleinen Gruppen mit Abständen dazwischen
  • gemischt mit anderen Hochlagen-Baumarten (z. B. Bergföhre, Lärche)
  • regionales Pflanzmaterial in Töpfen verwenden, dabei eine mögliche Höhenverschiebung unter zukünftigen Klimabedingungen einbeziehen
  • wo möglich, Pflanzen bereits in hohen Lagen aufziehen (Prä-Adaptation)
  • Pflanzungen auch oberhalb der heutigen Waldgrenze in Betracht ziehen

Literatur

Literaturverweise finden sich im Originalartikel (PDF).

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