Im Waldbautraining wurden die staatlichen Revierleiter in Bayern in einem neuen Pflegekonzept für Jungbestände trainiert. Damit wird unter anderem das Augenmerk bei der Pflege weg vom Schlechten und hin zum Guten gerichtet. Ein Konzept, auf das derzeit auch die Förderrichtlinien in Bayern ausgerichtet sind und das somit wichtig für Waldbesitzer und Förster ist. Aber wie kommt das Konzept in der Praxis an? Das wurde anhand von Fallbeispielen im Forstrevier Röttenbach eruiert.

Situation im Revier

Das Revier am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Fürth weist sowohl bäuerlich geprägten Waldbesitz als auch eine spürbare Tendenz zur Urbanisierung auf. Der Privatwaldbesitz hat eine durchschnittliche Größe von 2,0 Hektar, meist verteilt auf zwei bis drei Parzellen. Der Kommunalwald ist ebenfalls stark zersplittert. Einige große Privatforstverwaltungen besitzen kompakte und ausgedehnte Waldflächen.

Die Kiefer dominiert mit über 80 Prozent die Bestockung. Eiche und Roterle erreichen zusammen etwa zehn Prozent. Der Rest verteilt sich auf ein weit gefächertes Baumartenspektrum. Das Klima ist trocken warm getönt und in der Regel ist Wasser der wachstumsbegrenzende Faktor.

Die meisten Pflegeflächen stammen aus den 1990er Jahren und sind vorwiegend Erstaufforstungen. Aus ihnen sind in der Regel gruppenweise gemischte Eichen-Kiefern-Mischbestände mit meist einzeln beigemischter Lärche, Douglasie, Vogelkirsche oder Edellaubbäumen entstanden.

Die Fallbeispiele

Wichtiger Bestandteil des neuen Pflegekonzepts ist die systematische Bestandsanalyse, die innerhalb der Kriterien Stabilität, Qualität und Vitalität eine Eingriffsvariante entwickeln soll. Vier Fallbeispiele sollen zeigen, inwieweit es gelungen ist, diesen neuen Ansatz und hohen Anspruch in der Praxis zu vermitteln.

Je zwei Beratungssituationen und zwei Unternehmereinsätze wurden nach Akzeptanz, Verständnis und Umsetzbarkeit evaluiert. Desweiteren wurden die Pflegeeingriffe nach Effizienz und Zeitaufwand untersucht. Auch die Meinung eines Revierleiters aus dem Großprivatwald wurde erfragt.

Fallbeispiel 1: Privatwaldbesitzer

Bestand: Eichen-Kiefern-Bestand mit einzelnen Vogelkirsche, Lärche, Douglasie (aus Nachbesserung) und Nebenbestand aus Winterlinde (zum Teil durchgewachsen, oft zwieselig), Hainbuche und Buche; vereinzelt Weiden und Birken eingeflogen;
0,6 Hektar Erstaufforstung, Pflanzung 1990; ausgehende ungepflegte Dickung, auf zwei Meter geastet; Kiefer ist sehr grob; Durchmesser im Hauptbestand 8 bis 15 Zentimeter, Höhe 9 bis 11 Meter

Beratung: im Beisein einer forstlich noch nicht ausgebildeten Praktikantin und in Anlehnung an das Vorgehen im Formblatt "Analyse und Zielfindung" (Bestandsanalyse; persönliche Zielsetzung des Waldbesitzers; Sicherung der Laubholzanteile; Besonderheiten: Vogelkirsche, Douglasie; Pflegeintervall); Waldbesitzer entscheidet sich für das Pflegeziel: Sicherung einer klimatoleranten Baumartenmischung (Eiche, Douglasie, Kirsche)

Pflegeauftrag:
1.Markierung vitaler, mindestens mitherrschender Eichen, astungswürdiger Douglasien oder Vogelkirschen (Optionen) im Abstand von 8 bis 10 Metern
2. Markierung von Kiefern nur, wo obige Optionen fehlen
3. Markierung von einem Bedränger
4. Markierung zwieseliger, durchstechender Linden im Zwischenbereich (sollen hüfthoch geköpft werden)
5. Arbeitsverfahren: motormanuelle Brennholzernte, händisches Vorliefern, Feinerschließung vorhanden

Vorbereitung: Da sich der Waldbesitzer das Auszeichnen nicht zutraute, übernahm die Praktikantin die Bestandsvorbereitung im Rahmen einer Projektarbeit. 20 Prozent der Fläche wurden gemeinsam bearbeitet. Optionen wurden mit einem gelben, Bedränger mit einem roten, einzukürzende Linden mit zwei roten Farbbändern markiert. Zehn Prozent der Optionen wurden vom Revierleiter korrigiert, vor allem wegen einer Fehleinschätzung der Wuchsrelationen.

Fallbeispiel 2: Privatwaldbesitzer – Gruppe

Zu der Gruppenberatung waren der Eigentümer (gleicher Waldbesitzer wie in Fallbeispiel 1) sowie Waldbesitzer mit Forstwirtschaftsmeistern und Revierleitern eingeladen.

Bestand: Eichenbestand mit gruppenweise Beimischung von Spitz- und Bergahorn sowie Vogelkirsche, Nebenbestand aus Winterlinde;
1,4 Hektar Erstaufforstung, Pflanzung 1995; ausgesprochen wüchsig und von allgemein guter Qualität, aber wenig differenziert; Durchmesser 6 bis 9 Zentimeter, Höhe 7 bis 8 Meter

Beratung: mit dem Waldbesitzer wurde in gleicher Weise wie in Fallbeispiel 1 ein Pflegeziel erarbeitet

Pflegeauftrag:
1. Markierung von etwa 120 Optionen pro Hektar
2. Markierung von ein bis zwei Bedrängern
3. durchstechenden Lindenbestand hüfthoch köpfen

Vorbereitung: Der Waldbesitzer markierte die Optionen und Bedränger auf dieser Fläche selbst.

Fallbeispiel 3: Unternehmer

Bestand: Eichen-Roterlen-Bestand mit Birke, Vogelkirsche und Kiefer;
2,8 Hektar Erstaufforstung, Pflanzung 1995; sehr heterogen entwickelt; für Eiche, Hainbuche, Buche, Kiefer: mittlerer Durchmesser 7 Zentimeter, Höhe 3 bis 5 Meter, für Birke, Erle, Kirsche: Durchmesser 16 bis 18 Zentimeter, Höhe 13 bis 15 Meter

Arbeitsauftrag:
1. Anlage von Pflegepfaden (1.500 lfm)
2. Markierung von ca. 200 Optionen je Hektar (Abstand 6 bis 8 Meter)
3. Entnahme von 2 bis 3 Bedrängern bei Erlen- und Birkenoptionen
4. Entnahme von bis zu 2 Bedrängern bei Eichenoptionen (v.a. vorwüchsige Hainbuche, Hainbuchen-Protzen)
5. Entnahme von bis zu 2 Bedrängern bei Kirschenoptionen
6. Entnahme von Kiefern-Protzen (wurden markiert)

Vorbereitung: Der Revierleiter markierte die Optionen und die zu entnehmenden Kiefern-Protze, die Bedränger haben die Arbeiter im Zuge der Pflege bestimmt und entnommen.

Fallbeispiel 4: Unternehmer – Eichensaat

Bestand: elfjährige Eichensaat unter Kiefernschirm mit gruppenweiser Tannenbeimischung; letzter Eingriff in der angehenden Dickungsphase

Arbeitsauftrag:
1. Bestimmung von 100 Tannen-, Eichen- und Birkenoptionen je Hektar und ggf. Förderung
2. Entfernung von Grobformen (v.a. Kiefer und Aspe)
3. Entfernen von Fällungsschäden

Vorbereitung: Eine Markierung der Optionen durch den Revierleiter unterblieb.

Ergebnisse und Stimmen

Die vier geschilderten Fälle spiegeln sehr unterschiedliche Bestandssituationen wider. Genauso mannigfach waren die persönlichen Eindrücke der Beteiligten.

 WaldbesitzerPraktikantinUnternehmer
VerständnisAnalysevorgang nicht völlig nachvollziehbar, bedurfte durchgehender Betreuung durch den Revierleiter; Herleitung von Pflegeziel und Pflegeauftrag waren zu komplexkeine Probleme, mit "Blick auf das Gute" und "punktuelle Eingriffe"; als sehr hilfreich empfunden wurden die zahlenmäßige Vorgabe und die Prioritätenlisteprinzipielles Verständnis für Analyse und Zielfindung; hält sich selbst nicht für kompetent, die Analyse selbst vorzunehmen
Umsetzungfühlt sich noch sehr unsicher und fachlich nicht ausreichend erfahren bei der Festlegung der Optionen; sehr positiv: gute Orientierung im Arbeitsfeld, rascher Arbeitsfortschritt durch Auszeichnung; reduzierter Holzanfall war kein Problemin relativ gleichförmigen Bestandsbereichen Schwierigkeiten bei der Entscheidung, v.a. hinsichtlich der Beurteilung der Wuchsrelationenje jünger die Bestände, desto schwieriger die Ansprache der Optionen; Übernahme des Auszeichnens allenfalls in ausgehender Dickung oder angehender Jungdurchforstung
AkzeptanzPflegeziel und Pflegeauftrag waren dem Waldbesitzer eingängigAndere Pflegekonzepte waren nicht bekannt, dieses Verfahren erscheint in sich schlüssigPrinzip, primär das Gute zu fördern, ist in Ordnung
Effizienzüberrascht vom erzielten Pflegeeffekt und der hohen Effizienz des Verfahrenskeine AngabeFlächenleistung hat Unternehmer überzeugt

Der befragte Revierleiter aus dem Großprivatwald befürchtet, dass mit der Beschränkung auf eine Option je Pflegezelle zu viele Entwicklungschancen im Gesamtbestand verpasst werden. Er sieht die Gefahr, dass die (Wert-)Leistung des Gesamtbestandes nicht ausgeschöpft wird.

Der staatliche Revierleiter sieht, dass die Bestandsanalyse und die Ableitung des Pflegeziels sowie des Pflegeauftrags einen schwierigen Prozess darstellen, der von den meisten Waldbesitzern allein nicht vollzogen werden kann. Auch die Umsetzung (Festlegung der Optionen und Bedränger) birgt ihre Schwierigkeiten. Reservehaltung und Pflege der Reserve scheinen den Waldbesitzern zu wenig beachtet, die sich vollkommen umorientieren müssen (Blick auf die Guten statt gegen die Schlechten).

Den für die einzelnen Arbeitsschritte benötigten Zeitaufwand finden Sie in der untenstehenden Tabelle.

Ein akzeptiertes Konzept, nicht ohne Probleme

Das Pflegekonzept und die Idee, effektiv das Gute zu fördern, treffen durchaus auf Akzeptanz. Allerdings ergeben sich in der Praxis doch einige Probleme:

  • Die Abkehr von eingeschliffenen Pflegegrundsätzen (Negativauslese) fällt schwer.
  • Die Analyse des Bestands verlangt ein Maß an Fachwissen, das bei vielen Waldbesitzern in der Breite nicht vorhanden ist.
  • Auch die Markierung der Optionen und die Entscheidung ob und wie viele Bedränger entnommen werden, können die meisten Waldbesitzer nicht auf Anhieb alleine leisten.

In den Fallstudien wird jedoch deutlich, dass das Konzept durchaus vermittelbar und praxistauglich ist. Dafür besteht auch eine grundsätzliche Offenheit seitens der Waldbesitzer. Allerdings ist ein beträchtlicher Beratungs- und Schulungsaufwand notwendig.

Es gibt sicherlich Situationen, in denen andere Pflegekonzepte oder eine Kombination mit diesen zielführend sein können. Insgesamt haben wir für die Praxis mit dem neuen Vorgehen eine wertvolle Ergänzung unseres Maßnahmenportfolios in der Jungbestandspflege.