Im Rahmen einer Forschungsarbeit zum Thema "Biologische Rationalisierung" untersuchten Wissenschafter Waldbestände, die nie durchforstet worden sind. Daraus leiteten sie neue Produktionskonzepte ab. Der vierte und letzte Teil der Artikelserie behandelt die Frage der Baumartenmischung und den Anwendungsbereich der neuen Konzepte.

Die Frage der Baumartenmischung ist ein oft gehörter Kritikpunkt der in den Teilen 1-3 vorgestellten Konzepte. Tatsächlich sind die Mischungsverhältnisse in einem unbehandelten Bestand dem Zufall überlassen: Die stärksten Bäume setzen sich durch. Oftmals bestehen ungleiche Kräfteverhältnisse zwischen verschiedenen Baumarten, so dass mittel- bis langfristig eine Entmischung stattfindet. Häufig sind die konkurrenzschwacheren Lichtbaumarten davon betroffen.

Realistische Ziele

Bevor von Mischungen gesprochen wird, sollte man sich über die konkrete Zielsetzung für einen Bestand oder Betrieb im Klaren sein. Nicht jede Mischung ist sinnvoll und schon gar nicht auf jedem Standort. Mischungen sind auch einer zeitlichen Dynamik unterworfen. In einer Dickung kommen ohne weiteres zehn oder mehr Baumarten in Einzelmischung vor. Gewisse Elemente einer solchen Mischung sind langfristig aber gar nicht möglich, zum Beispiel Nussbaum einzeln beigemischt in Buche auf gutem Standort. Der lichtbedürftige Nussbaum, welcher maximal 25 m hoch wird, hat keine Chance zwischen 45 m hohen Buchen.

In der herkömmlichen Jungwuchspflege wird aber das "Unmögliche" häufig versucht. Bäume werden gefördert, welche nie den Zieldurchmesser erreichen können, also die wirtschaftliche Investition nicht lohnen (vgl. Teil 1). Gute waldökologische Kenntnisse und ein Blick auf die Standortkarte könnten hier unnötige Kosten vermeiden helfen. Nichts ist teurer, als gegen die Natur zu arbeiten.

Falls man in einem Mittellandbetrieb mit den Baumarten Buche, Esche, Bergahorn, Fichte und Tanne zufrieden ist, besteht wenig Anlass für Mischungsregulierung; bei dieser Zielsetzung können die Konzepte der biologischen Rationalisierung angewandt werden, ohne Eingriffe im Jungwuchs und in der Dickung. Falls hingegen "anspruchsvollere" Baumarten angestrebt werden wie Kirsche, Nussbaum, Elsbeere oder Lärche und Föhre, so kommt in den meisten Fällen der erste Eingriff bei Oberhöhe 15 m zu spät. Es muss frühzeitig eingegriffen werden, damit für das Stangenholz eine genügende Anzahl Kandidaten sichergestellt ist.

Indem man die Produktion der seltenen und wertvollen Holzarten auf geeignete und erfolgsversprechende Standorte konzentriert, lässt sich der Anteil "pflegeintensiver" Bestände im Griff behalten; in Abhängigkeit der Zielsetzung werden beispielsweise 10% der Betriebsfläche so behandelt, dass genügend Kandidaten der gewünschten Baumarten vorhanden sind.

Wer die Zielsetzung konsequent verfolgt (und diese langfristig realistisch ist), erreicht mit wenig Aufwand viel bezüglich Baumartenvielfalt. Grundsätzlich gilt auch, dass innerhalb von Reinbeständen bzw. Bestandesteilen einer Baumart eine Mischungsregulierung unnötig bzw. nicht möglich ist.

Zu "kleinflächiges" Denken

Häufig erfolgt im Schweizer Wald die Beurteilung der Mischung sehr kleinflächig, wobei oft die zeitliche Dimension ausser Acht gelassen wird. Ein Beispiel:

Eine Dickung von 10 a Grösse, bestehend aus einer Baumart, wird schnell einmal als "Monokultur" bezeichnet. 80 Jahre später besteht dieser "Bestand" – je nach Baumart – aus zehn bis zwanzig Bäumen. Falls daneben ein "Bestand" einer anderen Baumart steht, haben wir eine schöne Mischung – nicht einzelbaumweise, aber trupp- oder gruppenweise.

Übrigens: Eine Bestockungseinheit von 10 a ist gar kein Bestand; diese Bezeichung gilt im Waldbau eigentlich erst ab einer halben Hektare.

Konzentrationsprinzip: Mischung der Z-Bäume entscheidend

Auf Bestandesebene gilt auch bezüglich Mischung die Konzentration auf die Z-Bäume: Entscheidend sind nicht die Mischungsverhältnisse des Gesamtbestandes, sondern der Z-Bäume. Nur was den wirtschaftlich interessanten Zieldurchmesser erreicht, ist von ökonomischer Bedeutung. In Jungbeständen gilt es deshalb zu beurteilen, wie viele Kandidaten welcher Baumarten vertreten sind.

Falls in einem von Eschen dominierten Stangenholz 100 Bergahorn-Kandidaten pro Hektare in guter Verteilung vorhanden sind, lässt sich daraus mit geringem Aufwand ein reiner Bergahornbestand formen, auch wenn der Bestand total nur 20%Bergahorn, aber 80% Esche enthält. Dazu müssen nur die Bergahorn-Kandidaten als Z-Bäume gewählt und gefördert werden. Welcher Baumart die zu entnehmenden Konkurrenten bzw. der restliche Bestand ist, ist in diesem Fall egal. Wichtig ist, dass Bäume vorhanden sind, welche die Erziehungsfunktion wahrnehmen.

Die Frage der Mischung wird somit konzeptionell in einem Schritt, bei der ersten Z-Baum-Durchforstung, definitiv geregelt. Das Mischungsverhältnis der Z-Bäume entspricht den Mischungsverhältnissen im Endbestand. Bei den bisher üblichen, flächigen Mischungsregulierungen wurde dagegen bei jedem Eingriff der Anteil der zu fördernden Baumart schrittweise – und mit riesigem Aufwand ­– erhöht.

Dieser wichtige konzeptionelle Unterschied lässt sich auch bei der Festlegung der Pflegeziele nachvollziehen: Bei den herkömmlichen Konzepten wurde das Pflegeziel jeweils für die nächsthöhere Entwicklungsstufe definiert. Bei den neuen Konzepten bezieht sich die Zielsetzung immer auf den Endbestand, abgebildet durch die Z-Bäume.

Kostenlose Mischungsregulierung

Die biologische Rationalisierung der Holzproduktion beginnt nicht erst in der Dickung oder im Stangenholz, sondern bereits bei der Einleitung einer Verjüngung. Dann werden erstens die Voraussetzungen geschaffen, dass die spätere Entwicklung zufriedenstellend verläuft, in Form von genügend dichten Verjüngungen, welche eine gute Qualitätsentwicklung erlauben.

Zweitens liegt gerade in der Verjüngung selber die eleganteste Methode, die zukünftigen Mischungsverhältnisse zu bestimmen, nämlich durch die Steuerung der verjüngungsökologischen Verhältnisse wie Licht bzw. Beschattung, Wärme, Samenbäume, Art der Hiebsführung usw. Dies geschieht im Rahmen der Verjüngungstätigkeit, das heisst durch die Ernte von hiebsreifen Beständen, verursacht also keine Kosten.

Diese altbekannte Beeinflussung der Baumartenzusammensetzung im Zuge der Verjüngung braucht ein gewisses Fingerspitzengefühl und funktioniert nicht absolut; es gibt auch Störfaktoren wie Wildverbiss, Frass durch Mäuse usw.; Samenjahre müssen berücksichtigt werden. Trotzdem ist es möglich, die Zusammensetzung eines Jungbestandes nach Baumarten innerhalb eines gewissen Bereichs zu steuern. Durch längere Beschattung scheiden Lichtbaumarten aus, so dass Buchen- oder Tannen-, evtl. Fichtenverjüngungen, ankommen. Bei mehr Licht bzw. schnellerer Erweiterung von Verjüngungsflächen werden Lichtbaumarten wie Esche oder allenfalls Eiche, bevorteilt. Dazwischen gibt es feine Übergangsbereiche, in denen sich der Bergahorn etablieren kann (Abb. 2).

Falls grössere Lücken geschaffen werden (welche bei Abdeckung von vorhandener Verjüngung gemäss Definition im Waldgesetz keine Kahlschläge sind), oder durch sehr raschen Verjüngungsfortschritt, haben ausgesprochene Lichtbaumarten wie Lärche, Föhre, Kirsche, Nussbaum oder Birke eine Chance. In diesem Fall können sich aber auch Weichlaubhölzer wie Pappel oder Salweide stark entwickeln, welche nicht ganzflächig erwünscht sind.

Agieren, nicht reagieren

Diese Steuerungsmöglichkeiten sind wie gesagt nicht ganz einfach; sie sind sozusagen mehrdimensional, weil auch der Zeitfaktor eine wichtige Rolle spielt. Verlangt wird dabei ein aktiver Waldbau, welcher vorausdenkt und die Verjüngung bewusst gestaltet. Biologische Rationalisierung beginnt bereits mit der Einleitung der Verjüngung.

Aussagen, wonach der Sturm "Lothar" für die Anwendung der biologische Rationalisierung gute Voraussetzungen geschaffen habe, sind falsch und zeugen von einem fehlenden Verständnis der Zusammenhänge. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass sich auch auf Sturmflächen rasch eine zufrieden stellende Verjüngung einstellt, in vielen Fällen entstehen aber problematische Flächen, welche von Konkurrenzvegetation wie Brombeere überwuchert sind und nur ungenügende Verjüngung aufweisen. Für die Natur sind solche Bestände kein Problem und durchaus eine Bereicherung. Für den Wirtschaftswald sind hohe Kosten, schlechtere Voraussetzungen für die qualitative Entwicklung bzw. der Umweg über die Sukzession von Pionierbaumarten die Folge.

Konkretes Vorgehen

Die Überlegungen zeigen, dass sich in vielen Fällen biologische Rationalisierung und Baumartenmischung nicht ausschliessen. Es gibt – bei entsprechender Zielsetzung – aber auch Bestände, in denen man aufgrund der Mischung frühzeitig eingreifen muss.

Solche Eingriffe sollen nicht ganzflächig, sondern punktuell zugunsten von einzelnen, wirklich vitalen Bäumen gemacht werden. Es handelt sich somit immer um eine positive Auslese. Es geht darum, die späteren Kandidaten (der gewünschten Baumart) sicherzustellen. Dabei Endabstände einhalten zu wollen, verursacht in der Dickung einen viel zu hohen Aufwand. Auch ist das Ausfallrisiko von so früh geförderten Bäumen noch relativ hoch.

Sinnvoll ist die Förderung von einzelnen bis maximal einigen hundert Bäumen (nicht mehr!) der gewünschten Wertholzarten, so dass sie eine herrschende bis vorherrschende soziale Position behalten können. Voraussetzung dazu ist zuerst einmal die Information über die vorhandenen Kandidaten und damit Möglichkeiten innerhalb eines Bestandes.

Nach Erreichen der gewünschten astfreien Schaftlänge wird analog zu den im Teil 2 (Fichte) und Teil 3 (Esche, Bergahorn und Buche) vorgestellten Konzepten eingegriffen, durch Auswahl und Förderung der Z-Bäume im Endabstand.

Ausnahmen von früheren Eingriffen: Protzen, Nielen

Neben dem erwähnten Spezialfall von Eingriffen zugunsten der Mischung gibt es weitere Ausnahmen von der "Regel" der neuen Konzepte. Dies sind einerseits Protzen und anderseits die Waldrebe.

Protzen sind Bäume mit einem grossen Wuchsvorsprung innerhalb einer Jungbestockung, welche selber nie als Kandidaten in Frage kommen werden. Häufig handelt es sich um ältere Bäume (z. B. Buchenvorwüchse aus dem ehemaligen Nebenbestand) oder aber um schnellwachsende Lichtbaumarten (z. B. Salweiden). Bei übermässiger Dominanz können Protzen einen grossen Teil der Bestandesfläche besetzen, so dass dort keine Kandidaten vorkommen können.

Dadurch wird die Auslesebasis beeinträchtigt und womöglich das Produktionsziel in Frage gestellt. In diesem Fall lohnt sich der Aushieb der Protzen, am einfachsten und günstigsten möglichst früh, noch im Jungwuchs oder anfangs Dickung. Die Entfernung der Protzen bedeutet oftmals nur wenige Entnahmen pro Hektar, so dass diese Massnahme nur 1 bis 2 Std./ha beansprucht. Keinesfalls angezeigt ist ein systematischer Aushieb von Weichlaubhölzern. Falls diese nicht vorherrschend sind, werden sie von selber verschwinden und haben oftmals sogar einen positiven Einfluss, speziell in Fichtenbeständen.

Der zweite Spezialfall ist die Niele oder Waldrebe (Clematis vitalba), welche sogar noch Stangenhölzer überwachsen und zerstören kann. Auch hier sind frühzeitige Eingriffe angebracht.

Anwendungsbereich der biologischen Rationalisierung

Die neuen Konzepte der Holzproduktion lassen sich grundsätzlich auf jenen Standorten anwenden, auf denen auch die Untersuchungen gemacht wurden, sind also übertragbar auf Mittellandverhältnisse, welche zur Qualitätsholzproduktion geeignet sind. Voraussetzung ist eine vorhandene Verjüngung von genügender Dichte, welche eine gute Qualitätsentwicklung erlaubt. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob Bestände gepflanzt sind oder natürlich verjüngt wurden. Bei gezielter Verjüngung sind solche Jungbestände in der Regel problemlos zu erreichen (vgl. oben).

Während ähnliche Konzepte bei Laubholz in Deutschland teilweise bereits angewandt werden, ist das Fichtenkonzept völlig neu. In Zukunft wird die Fichte wohl auch im Mittelland vermehrt natürlich verjüngt werden; im Moment sind noch gepflanzte Bestände (oft im Privatwald) als Anwendungsbereich aktuell. Solche dicht gepflanzten Fichtenbestände sind gerade in Deutschland noch in riesigen Mengen vorhanden; solange dort – anders als in der Schweiz – bereits die Nutzung sehr dünner Bäume kostendeckend ist (ab 12 cm), ist der wirtschaftliche Druck bzw. Anreiz, auf die neuen Konzepte umzusteigen, noch zu gering.

Die biologische Rationalisierung ermöglicht die Produktion von Qualitätsholz mit einem gegenüber bisher markant geringeren Aufwand. Für die Forstbetriebe kann sich dies nur positiv auswirken, indem weniger Kosten anfallen, ohne dass aber das «Produktionskapital», das heisst die Qualität der Bestände, negativ beeinflusst wird.

Gegenüber der herkömmlichen Bewirtschaftung, bei der im Winter die Holzernte und im Sommer die Waldpflege im Vordergrund standen, muss neu nur noch wenige Wochen für die Pflege und Stangenholzdurchforstung eingesetzt werden. Dies bedeutet für die Betriebe entweder vermehrt saisonale Tätigkeit mit Schwerpunkt im Winterhalbjahr, oder aber die Herausforderung, im Sommer andere Geschäftsbereiche zu erschliessen. Auch wenn solche Tätigkeiten vorerst noch nicht kostendeckend sein sollten, sind sie sinnvoller als eine Pflege, welche über das notwendige Mass hinausgeht: Jungwaldpflege verursacht im Moment nur Kosten – der Ertrag kommt erst viele Jahrzehnte später (vgl. Teil 1, ökonomische Betrachtungen).

Für die ausführenden Förster und Forstwarte bedeutet die Abkehr von systematischer, flächiger Pflege hin zu situativen Eingriffen eine Aufwertung. Voraussetzung zur Anwendung der biologischen Rationalisierung sind gute waldökologische Kenntnisse und Verständnis für die natürlichen Entwicklungsabläufe bzw. eine entsprechende Weiterbildung.

(TR)