Der idealtypische Ablauf des Risikomanagementzyklus sieht folgende vier Phasen vor:

  • Risikoidentifikation
  • Risikoanalyse & Risikobewertung
  • Risikobehandlung
  • Risikoüberwachung und Überprüfung

Im Folgenden wird auf Möglichkeiten zur Gestaltung der ersten beiden Phasen eingegangen.

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt? Die Risikoidentifikation

Das Erkennen von möglichen Risiken ist naturgemäß der erste und entscheidende Schritt im Risikomanagement. Manchmal liegen die zielgefährdenden Risiken geradezu auf der Hand, sodass die Risikoidentifikation trivial erscheint. Teilweise ist jedoch tieferschürfende Analysetechnik notwendig, um sämtliche Risikopotentiale aufzuspüren. Von den zahlreichen Möglichkeiten der Identifikation soll an dieser Stelle die Delphi-Methode näher vorgestellt werden.

Die Delphi-Methode ist ein Instrument, bei dem mehrere Experten (z.B. alle Revierleitenden in einem Forstbetrieb) in anonymer Form ihre Expertise zu einem bestimmten Sachverhalt (z.B. möglichen Risiken für den Betrieb) formulieren. Die Expertenmeinungen werden dann vom Moderator ausgewertet und zusammengefasst. Anschließend wird das Resultat dieser ersten Befragungsrunde den Experten vorgestellt und diese können (wiederum anonym) erneut dazu Stellung nehmen, mit dem Ziel, einen Konsens herzustellen. (Vgl. Abb. 1).

Dieses iterative Vorgehen und die anonymisierte Bearbeitungsweise steigern die Wahrscheinlichkeit, dass auch unpopuläre Ansichten geäußert werden und sämtliche Beiträge gleichwertig nebeneinander stehen, ohne dass besonders eloquente Persönlichkeiten den Problemfindungsprozess dominieren.

Konkret kann diese Methode dazu genutzt werden, eine möglichst breite Informationsbasis (durch den Revierbezug sind alle Teile des Betriebs integriert) und gleichzeitig eine Priorisierung der Dringlichkeit bzw. Relevanz einzelner Risikotreiber herauszuarbeiten.

Weitere Methoden der Risikoidentifikation sind "Brainstorming", Prüflisten und Szenario-Analysen (nicht abschließende Aufzählung).

Der Umgang mit Risiken - Risikobewertungsmethoden

Intuitive Risikobewertung

Dies ist die simpelste Form der Risikobewertung. Es ist der erste Schritt, sich mit einem Risiko auseinanderzusetzen. Der intuitiven Bewertung liegen keine definierten Grenzwerte oder abgestimmten Verfahrenswege des Risikomanagements zugrunde, sondern sie unterliegt der persönlichen Meinung und dem Wissen der Anwendenden.

Die menschliche Risikowahrnehmung ist unter anderem geprägt durch:

  1. den Bekanntheitsgrad (z.B. Alkohol)
  2. Die Abwägung zwischen Gefahr und Nutzen (z.B. Autofahren)
  3. Die emotionale Einschätzung des Bedrohungspotentials (z.B. Kernenergie).

Die intuitive Risikobewertung ist daher hoch subjektiv und findet oftmals spontan statt. Sie eignet sich dezidiert nicht als einziges Instrument der Risikobewertung und sollte unbedingt mit zusätzlichen Methoden ergänzt werden.

Qualitative Risikobewertung

    Bei diesem Verfahren wird jedes Risiko anhand der zwei Kriterien Schadausmaß (Horizontale) und Eintrittswahrscheinlichkeit (Vertikale) bewertet. Die Skalen können dabei eine beliebige Anzahl von Einstufungen annehmen, am häufigsten sind drei-, vier- oder fünfstufige Skalen.

    Die Bewertung eines Risikos erfolgt i.d.R. innerhalb eines Kreises von Betroffenen bzw. Entscheidenden. Die Qualität der Bewertung steigt mit der Zahl der einbezogenen Experten/innen und den einbezogenen Daten. Es handelt sich um ein klassisches und praktisches Verfahren, welches gute und taugliche Ergebnisse erbringt, sofern es gewissenhaft durchgeführt wird. Die Anwendung des Verfahrens ist jedoch sehr subjektiv und führt zu signifikanten Variationen zwischen den Anwendenden, da es nach wie vor Gefühlssache ist, was zum Beispiel als "sehr häufig" oder "katastrophal" angesehen wird.

    Kriterienbasierte Risikobewertung

    Durch das Zufügen von Daten und Fakten werden Schadausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit mit Kriterien unterlegt. Die Daten sind meist gut zu ermitteln und es wird ein gewisser Grad an Standardisierung und Objektivität erreicht. Das Verfahren ist nach wie vor sehr einfach. Es bietet jedoch den Vorteil, dass es auch für Dritte gut nachvollziehbar ist und im Falle der Wiederholung des Bewertungsprozesses zu einem späteren Zeitpunkt eine mögliche Entwicklung des Risikopotentials aufzeigt.

    Quantitative Systemanalyse am Beispiel Bayes-Netze

    Diese Verfahren sind zumeist rein quantitativ. Es werden i.d.R. Zusammenhänge in Zeitreihen untersucht, um die Einflussstärke verschiedener Faktoren zu analysieren. Hieraus wird eine Bewertung des Grades der Zielerreichung abgeleitet. Beispielsweise lässt sich mittels eines Bayes-Netzes (s. Abb. 4) die Reinertragserwartung durch die Abhängigkeit von den Komponenten Anteil zufälliger Nutzung des laufenden Jahres, Anteil zufälliger Nutzung des Vorjahres, dem aktuellen Holzerlösniveau, der Einschlagsmenge und den Kosten des Holzeinschlages gut beschreiben.

    In das System können erwartete und bekannte Konstellationen eingegeben werden. Bayes-Netze sind für Ziele mit ausreichend großer Datengrundlage ein hocheffektives Instrument, um den Grad der Zielerreichung einzugrenzen. Zudem ist es ein lernendes System, welches von Jahr zu Jahr auf eine größere Datengrundlage zugreifen kann. Auch können verschiedene Konstellationen erprobt und ausgewertet werden.

    Bayessche Netze werden als Methode der Risikobewertung auch von der DIN EN 31010 ausdrücklich empfohlen.

    Qualitative Systemanalyse

    Eine letzte Methode, die hier vorgestellt werden soll, ist die von der Abteilung Forstökonomie an der FVA Baden-Württemberg entwickelte EVA-Methode (Einfluss - Veränderung - Auswirkung). Diese Methode beruht im Wesentlichen auf dem Kernkonzept des IPCC-SREX Reports (2012) und dem Pressure-State-Response Framework der OECD (1993).

    Mit der EVA-Methode erhält man einen umfassenden und gut strukturierten Überblick über die Gefährdung der betrieblichen Ziele. Auch über Ziele mit komplexem Wirkungsgefüge und teilweise nicht auf den ersten Blick sichtbaren Zusammenhängen gibt diese Methode Aufschluss.

    Die Indikatoren, die dabei die Ziele beeinflussen, werden in drei Ebenen unterteilt.

    Einflüsse: Ereignisse und Strukturen, die vielfach nicht oder zumindest nicht kurzfristig steuerbar sind. Häufig wirken sie sich negativ aus (z.B. Sturm, Temperaturerhöhung,…). Welche Triebfedern beeinflussen die Zielerreichung?

    Veränderungen: Betriebliche Parameter, die anfällig für Veränderungen sind und somit zur Verbesserung oder Verschlechterung der Zielerreichung beitragen können (z.B. Anteil zufälliger Nutzung, Holzerlöse,…). Welche Veränderungen im Betrieb gefährden die Zielerreichung – wo sind wir verletzlich?

    Auswirkungen: Maßnahmen, Strukturen, Parameter und Konzepte, welche betriebliche Auswirkungen (Betroffenheit) mindern oder erhöhen können (z.B. Arbeitssicherheitskonzept, Borkenkäfermanagement,…). Welche Maßnahmen mindern oder verstärken die Auswirkungen auf die Zielerreichung?

    Das Ergebnis einer EVA-Analyse ist ein Bericht, der in strukturierter Form die wichtigsten Betriebsziele auflistet und daran anknüpfend relevante Einflüsse, Veränderungen und Auswirkungen benennt sowie deren individuelle Ausprägung in ihrer Wirkung auf die Zielerreichung einordnet. Dadurch gewinnt die Betriebsleitung einen detaillierten Überblick über die Risikosituation des Forstbetriebs. Als dauerhaftes Controlling-Instrument eignet sich die EVA-Methode auch um Elemente der Risikobehandlung und der Risikoüberwachung zu implementieren und somit den kompletten Risikomanagement-Zyklus zu durchlaufen.

    Literatur

    • CENELEC (2010): DIN EN 31010 Risikomanagement – Verfahren zur Risikobeurteilung, Deutsche Norm, 91 Seiten
    • DIN ISO 31000:2018-10: Risikomanagement Leitlinien DIN Deutsches Institut für Normierung e.V., Berlin, 24 S.
    • Dörner, D. (1989): Die Logik des Misslingens: strategisches Denken in komplexen Situationen. 1. Auflage, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 320 S.
    • Gruber, Kittelmann, Mierdel (2008): Leitfaden für die Gefährdungsbeurteilung, 9. vollständig überarbeitete Auflage, März 2008, Verlag Technik & Information, Seite 82.
    • IPCC (2012): Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation (SREX). A Special Report of Working Groups I and II of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Field, et al.] Cambridge University Press, Cambridge, UK, and New York, NY, USA, 582 pp.
    • OECD (1993): OECD core set of indicators for environmental performance reviews. OECD Environment Monographs No. 83. OECD. Paris
    • PwC (2012): Risk-Management Benchmarking 2012.
    • Wiedemann, P. (2010): Vorsorgeprinzip und Risikoängste: Zur Risikowahrnehmung des Mobilfunks. 1. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften; GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2010.
    • Hartebrodt, C.; Chtioui, Y. (2015): Zielbezogenes Risikomanagement mit der EVA-Methode. AFZ-DerWald 23/2015.

    Ratgeber Forstliches Krisenmanagement

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