Das Reich der Pilze
Echte Pilze (Eumycota) gehören zum Reich der Pilze (Fungi) und umfassen eukaryotische (Lebewesen mit einem Zellkern) ein- oder vielzellige Organismen. Wie Tiere sind sie heterotroph und ernähren sich durch die Aufnahme von organischem Material. Sie wachsen entweder als Hefen oder fädig, mit langestreckten Zellen (Hyphen) und bilden ein verzweigendes Geflecht (Myzelien) sowie Pseudogewebe in ihren Fruchtkörpern aus. Als Reservestoffe dienen ihnen Speicherkohlenhydrate wie Zuckeralkohole, Disaccharide oder Polysaccharide (z.B. Glykogen). Zu den Echten Pilzen gehören unter anderen die AM-Pilze (Arbuskuläre Mykorrhizapilze) und die Dikarya (Unterreich der Pilze). Letztere umfassen Schlauchpilze (Ascomycota) und Ständerpilze (Basidiomycota).
Abb. 2: Hallimasch (Armillaria sp., Basidiomycota). Foto: Gitta Langer (NW-FVA)
Abb. 3: Gemeiner Schwefelporling (Laetiporus sulphureus, Basidiomycota). Foto: Gitta Langer (NW-FVA)
Lebensweise der Endophyten
Die klassische Einteilung pilzlicher Lebensweisen in Symbionten (z.B. Flechten, Mykorrhiza), Parasiten (z.B. Brand- und Rostpilze) und Saprobionten (Abbauer von abgestorbenem Material) wurde um die Endophyten ergänzt. Endophyten sind Pilze, die einen erheblichen Teil ihres Lebenszyklus im Gewebe ihrer Wirtspflanze verbringen ohne dort Symptome zu verursachen. Verändern sich die Umweltbedingungen können sie jedoch ihre Lebensweise von endophytisch zu pathogen oder zu saprob (Aufnahme toter organischer Substanz) verändern. So können endophytische Pilze, wenn zum Beispiel ihr Wirtsbaum unter Stress gerät oder hohe Sommertemperaturen vorliegen, zu einer pathogenen Lebensweise übergehen. Viele pilzliche Krankheitserreger, abgesehen von obligaten Parasiten (z.B. Rostpilze), können neben ihrer parasitischen, phytopathogenen Phase auch eine endophytische Lebensphase aufweisen. Sie werden daher auch als latente Pathogene bezeichnet. Manche dieser Pilze können in einer Baumart nur endophytisch vorkommen und in einer anderen Baumart pathogen sein.
Haupttreiber für Erkrankungen der Waldbäume
Eine Pflanzen- bzw. eine Baumkrankheit kann als eine Funktionsstörung von Wirtszellen und -geweben der Pflanze definiert werden. Sie resultiert aus einer anhaltenden Reizung durch einen Krankheitserreger oder einen Umweltfaktor. Als krank gelten Pflanzen, die anormale Veränderungen der Form, Physiologie, Integrität oder des Verhaltens aufweisen. Diese Veränderungen können zu einer teilweisen Schädigung oder zum Absterben der Pflanze oder ihrer Teile (Kompartimente) führen. Verantwortlich dafür sind neben abiotischen Faktoren wie Wind, Trockenheit und Feuer auch biotische Faktoren wie Insekten und Mikroorganismen. Vereinfacht können Pflanzenkrankheiten als komplexe Interaktionen zwischen Pflanzen, Pflanzenpathogenen oder Schädlingen und ihrer Umwelt beschrieben und im sogenannten Krankheitsdreieck dargestellt werden.
Das Krankheitsdreieck
Treffen mindestens folgende drei Faktoren zusammen, kann eine Erkrankung ausgelöst werden:
- das Vorhandensein eines Krankheitserregers,
- eine anfällige Wirtspflanze,
- geeignete Umweltbedingungen.
Pilzkrankheiten gehören dabei zu den wichtigsten Faktoren – die Erkrankungsprozesse werden häufig durch Pilze, die holzige Gewebe von Bäumen besiedeln, ausgelöst. Entscheidend sind dabei prädisponierende, auslösende und begleitende bzw. nachfolgende Faktoren, die biotisch oder abiotisch sein können. Hat der auslösende Faktor (z.B. Wassermangel) einen Krankheitsprozess in Gang gesetzt, können opportunistische Pathogene (z.B. Rinden- oder Holzfäulepilze) und sekundäre Insekten den Schadensverlauf beschleunigen und irreversibel machen und schließlich zum Absterben einzelner Baumkompartimente oder des gesamten Baumes führen – selbst wenn der anfängliche, auslösende Stressfaktor (z.B. Hitze und Dürre) verschwindet.
Auslösende Faktoren
Als wichtigste Triebkraft und Hauptursache für das Auftreten neuer Pilzkrankheiten an Bäumen wird neben dem Welthandel der Klimawandel bzw. die Klimaveränderung angesehen. Weitere Treiber sind das Auftreten von invasiven, gebietsfremden Arten, Quarantäneschädlingen, neuen virulenteren, aggressiveren oder latenten pilzlichen Pathogenen, neuen Pilzhybriden sowie die Bildung neuer Pathogen-Vektor-Kombinationen, der Anbau neuer Waldbaumarten und Änderungen in der Waldbewirtschaftung.
Klima, Wetter, Witterung
Klimawandel ist nicht gleichzusetzen mit „globaler Erwärmung“, sondern darunter sind die langfristigen Veränderungen der Temperaturen und Wettermuster auf der Erde zu verstehen. Der Begriff Klima beschreibt das durchschnittliche Wetter mit den Klimaelementen (z.B. Temperatur, Niederschlag, Sonnenscheindauer, Strahlung und Wind) im Bereich von Monaten bis zu Tausenden oder Millionen von Jahren. Der Begriff Witterung hingegen beschreibt kurzfristige atmosphärische Prozesse über einen Zeitraum von bis zu einer Woche, seltener einem Monat oder einer Jahreszeit. Der Begriff Wetter beschreibt atmosphärische Prozesse einen Zeitrahmen von Stunden bis wenigen Tagen in einem bestimmten Gebiet.
Trockenstressperioden
Verschiedene Klimaszenarien prognostizieren, dass in Mitteleuropa steigende Temperaturen zu erwarten sind. Sie führen zu wärmeren Sommern, wärmeren/milderen Wintern und zu verlängerten Vegetationsperioden. Die veränderte Niederschlagsverteilung führt wahrscheinlich zu trockeneren Sommern und feuchteren Wintern, sowie zu häufiger auftretenden Witterungsextremen wie Dürre, Starkregen oder Stürmen. Seit 2018 waren die Jahre bis 2023, abgesehen von 2021, von Witterungsanomalien und extremer Hitze- und teilweise Dürreperioden geprägt. Die Jahre 2018 bis 2020 waren zudem durch eine ausgeprägte Frühjahrstrockenheit gekennzeichnet.
Abb. 4: Bäume im Trockenstress, Sommer 2019. Foto: Michael Spielmann (NW-FVA)
Günstige Bedingungen für Pilze
Von diesen Bedingungen, z.B. hohe Temperaturen und längere Trockenperioden, profitieren besonders pilzliche Schadorganismen. Der durch die außergewöhnlichen Witterungsbedingungen in den Jahren 2018 bis 2020 entstandene Wassermangel im Boden hat zu Stresserscheinungen, Vitalitätsverlusten sowie Pilz- und Komplexkrankheiten bei Waldbäumen geführt. Die Folgen waren Wachstumsrückgang, frühzeitiger Blattabwurf und -verfärbung sowie großflächige Kronenverlichtung und Absterbeerscheinungen. Diese Faktoren vermindern erheblich die Stand- und Bruchsicherheit der Bäume.
Umfangreiche Erkrankungsprozesse
In Deutschland, aber auch in anderen Teilen Europas, zeigten die wichtigen Waldbaumarten wie Bergahorn, Rotbuche, Eichen, Waldkiefer und Fichte eine erhöhte Mortalität. Die betroffenen Bäume wiesen meist eine intensive Holzfäule im Stamm- und Kronenbereich auf, Äste und ganze Kronenteile starben plötzlich ab. Oftmals kam es zum Ausbrechen noch belaubter Äste, dem sogenannten Grünholzbruch bzw. Sprödbruch. Eine besondere Rolle spielten dabei besonders wärmeliebende Pilze aus der Verwandtschaft der Holzkeulenartigen (Xylariales). Diese parasitären, holzabbauenden Pilze besiedeln ihre lebenden Wirtsbäume, können aber nach der Infektion zunächst in einem endophytischen Stadium im Holzgewebe überdauern. Die frühen Stadien der Holzfäule werden meist durch endophytische Ascomycota, die in ihre parasitische Phase übergehen, eingeleitet. Oft sind dies Moderfäulepilze, die Zellulose in holzigen Geweben enzymatisch abbauen und innerhalb von Zellwänden ihrer Wirte wachsen. Sie können Holz unter Bedingungen besiedeln, die zu nass, heiß, kalt oder zu sauerstoffarm für Braun- oder Weißfäulepilze sind. Danach folgt das Wachstum von Basidiomyceten, wie Weißfäule- und/oder Braunfäulepilzen und anderer Ascomycota.
Drei Beispiele für aktuelle pilzliche und komplexe Erkrankungen in Nordwestdeutschland
1. Diplodia-Triebsterben der Koniferen
Seit den Hitze- und Trockenjahren ab 2018 werden verstärkt Absterbeerscheinungen von Einzelbäumen bis hin zu ganzen Kiefernbeständen beobachtet, die durch den in Deutschland weit verbreiteten Schlauchpilz Diplodia sapinea verursacht werden (Abb. 5). Er kann als Wund- und Schwächeparasit auftreten und befällt alle Altersklassen. Dieser Pilz geht dann in eine parasitische Phase über und wird zum Krankheitserreger, wenn sein Wirtsbaum gestresst oder vorgeschädigt ist. Das typische Schadbild umfasst ein Triebsterben, das oft mit einer plötzlichen, rotbräunlichen Verfärbung der Nadeln oder ganzer Kronenteile, Kümmerwuchs, Triebdeformationen, traumatischem Harzfluss, Verkienung, Rindennekrosen an Stamm- und Ästen sowie Zuwachsverlusten verbunden ist. Als Folgeerscheinungen treten Befall durch Borken-, Pracht- oder Bockkäfer sowie Bläue und Holzfäule durch andere Pilzarten auf, die zur Holzentwertung führen.
2. Buchen-Vitalitätsschwäche
Die Buchen-Vitalitätsschwäche wird in der Regel durch abiotische Faktoren wie Niederschlagsdefizite und Hitze ausgelöst. Ab Herbst 2018 zeigten sich als Folge der Hitzesommer massive Absterbeerscheinungen an der Rotbuche. Zunächst waren nur ältere Bäume auf prädisponierten Standorten oder Bäume mit Vorschädigungen in Mitteldeutschland betroffen, nachfolgend auch Buchenbestände in anderen Regionen. In der initialen Phase der Erkrankung fruchteten typischerweise der Rindennekroseerreger Neonectria coccinea (Scharlachrotes Pustelpilzchen) und Eutypella quaternata. Der Pilz verfärbt die Borke betroffener Bäume grau bis orange und fruchtete stark mit seiner orange leuchtenden Nebenfruchtform (Libertella faginea). Bei Wassermangel kann der Wasserstrom in den Leitgefäßen abreißen und zu Embolien führen. Die betroffenen Buchen bekommen Rindenrisse, was zum Lufteintritt in das Holz führt. Dies führt zu spritzkernartigen Verfärbungen und zum Wachstum von Holzfäuleerregern im Holz. Bereits endophytisch vorkommende Holzfäulepilze wie Biscogniauxia nummularia (Pfennig-Kohlenkruste, Rotbuchen- oder Münzenförmiger Rindenkugelpilz, Abb. 6) gingen, sobald der für ihr Wachstum im Holz notwendige Sauerstoffgehalt erreicht war, in ihre schwächeparasitische Phase über. Parallel wurden die geschwächten Bäume oft von rindenbrütenden Insekten befallen. In den durch Sonnenbrand geschädigten Stammbereichen kam es zum Wachstum und zur Fruktifikation von Austernseitlingen und Spaltblättlingen, beides Weißfäulepilze.
3. Rußrindenerkrankung des Ahorns
Das Pathogen Cryptostroma corticale (Abb. 7) verursacht die Rußrindenerkrankung des Ahorns, welche ebenfalls seit 2018 zunehmend in Deutschland beobachtet wird. Der letale Krankheitsverlauf kann komplex sein und geht mit einer Holzentwertung einher, die die Bruch- und Arbeitssicherheit beeinträchtigt. Der in Deutschland invasive Schlauchpilz infiziert seine Wirtbäume meist über frische Wunden und verursacht starke Verfärbungen sowie Moderfäule im befallenen Gewebe. Am stärksten betroffen ist der Bergahorn, seltener andere Ahornarten. Kürzlich wurde dieser Schaderreger auch als Opportunist in erkranktem Eschengewebe festgestellt und als Schaderreger bei Rosskastanie nachgewiesen. Als wärmeliebende Art mit einer optimalen Wachstumstemperatur von 25 °C kann C. corticale von der symptomlosen in die parasitische Phase übergehen, wenn die Wirtsbäume vitalitätsgeschwächt sind. Erste sichtbare Symptome sind das Aufwölben und anschließende Aufplatzen und Abblättern der Rinde im unteren Stammbereich des Wirtsbaums. Dadurch werden die namensgebenden schwarzen, rußartigen Konidienlager des Erregers sichtbar.
Fazit
Die Sommertrockenheit in den Jahren 2003, 2013, 2015, 2018, 2019 und 2022 verdeutlicht, dass häufigere und intensivere Extrem-Trockenheitsereignisse durch den Klimawandel deutlich ansteigen. Waldbäume sind durch direkte Trockenschäden und eine verminderte Verteidigungsmöglichkeit gegenüber Schaderregern gefährdet. Die Trockenheit 2018 und 2019 löste in weiten Teilen Deutschlands pilzliche und komplexe Erkrankungen aus, die teilweise zum Absterben von Einzelbäumen und ganzen Beständen geführt haben. Besonders gravierend wirkten sich die Niederschlagsdefizite und die langanhaltende Wärmeperiode in den Jahren 2018 und 2019 auf Kiefern-, Rotbuchen und Ahornbestände aus.
Mehraufwand bei der Arbeits- und Verkehrssicherheit
Wärmeliebende Rinden- und Holzfäulepilze spielten eine maßgebliche Rolle im Schadprozess und bei der Holzentwertung. Die veränderten Klimabedingungen bzw. die besonderen Witterungsverhältnisse führten bei den betroffenen Bäumen zu einem Vitalitätsverlust. Das macht sie einerseits anfällig für Infektionen durch holzzerstörende Pilze und begünstigt andererseits den Übergang von endophytischen, potenziell pathogenen bzw. holzzerstörenden Pilzen in ihre parasitische Lebensphase. Sowohl bei Waldbäumen, wie auch bei Bäumen im kommunalen oder urbanen Umfeld führten die witterungs- bzw. klimabedingten Veränderungen im Schadensprozess der Rinden- und Holzfäulepilze zu einem Mehraufwand bei der Arbeits- und Verkehrssicherheit sowie Baumpflege.