Bei der aktuellen Debatte über die biologische Vielfalt stehen zumeist die fotogenen Tier- und Pflanzenarten in der ersten Reihe unserer Wahrnehmung. Seit Jahrzehnten auf dem Rückzug sind die ohnehin seltenen Ulmenarten. Für ihr Verschwinden aus den Wäldern, Alleen und Parks sind vornehmlich zwar zwei Käfer und ein Pilz verantwortlich. Beim genauen Hinsehen ist aber auch beim "Ulmensterben" ein menschlicher Einfluss nicht zu leugnen.

Denn vor 100 Jahren kam es zu einer nie eindeutig bewiesenen Einschleppung eines für die europäischen Ulmen todbringenden Pilzes aus Asien. Seitdem ist die Geschichte der heimischen Bergulme und Feldulme zu einer wahren Tragödie in Wald und Flur geworden. Seit Jahrzehnten kämpfen beide Arten gegen einen winzigen Schlauchpilz, der wissenschaftlich als Ophiostoma novo-ulmi bezeichnet wird und keinen deutschen Namen trägt. Fast chancenlos sind Berg- und Feldulme gegen den die Gefäße verstopfenden Pilz.

Einzig die Flatterulme scheint noch weitgehend gesund zu sein. Forstwissenschaftler führen diesen glücklichen Zustand auf ihre geringere Attraktivität als Futterpflanze für die Ulmensplintkäfer zurück. Der Kleine und der Große Ulmensplintkäfer, zu den Borkenkäfern gehörend, haben durch den Fraß im Ulmenholz und die Verbreitung der Pilzsporen für den tragisch-effektiven Seuchenzug des Ulmensterbens gesorgt.

Ulmen gegen Pilz und Käfer chancenlos

Weil die Baumkrankheit im Jahr 1918 erstmals in Holland erkannt wurde, wird sie auch "Holländische Ulmenwelke" genannt. Das Ulmensterben ist mittlerweile aber zu einem gesamteuropäischen Problem geworden, dessen Lösung gleichermaßen überall nicht in Sicht ist. Denn anders als in den ersten Jahrzehnten des Ulmensterbens mit einer weniger aggressiven Variante des heutigen Erregers und sich erholenden Ulmen, sterben befallene Bäume heute fast immer ab. Mittlerweile sind nahezu alle alten Berg- und Feldulmen verschwunden.

Glücklich können sich daher diejenigen schätzen, die eine alte und vitale Ulme versteckt in den Wäldern finden. Diese wurden dann anscheinend (noch) nicht von den Ulmensplintkäfern entdeckt, die bis zu zehn Kilometer ausschwärmen können und oft genug auch die verborgensten Ulmen finden. Borkenkäfertypisch nutzen die Ulmensplintkäfer die Baumrinde geschwächter Bäume zur Anlage ihrer Brutsysteme.

Dabei und während des Reifungsfraßes der Jungkäfer an den Ästen gesunder Ulmen infizieren die Käfer die Bäume mit den Ophiostoma-Sporen. Der Pilz wächst dann im ringporigen Holz der Ulme und verbreitet sich über die großen Frühholzgefäße zügig im ganzen Baum. Der versucht mit Abschottungen innerhalb der Zellen den befallenen Bereich zu isolieren.

Zusammen mit den vom Pilz produzierten Giftstoffen verursacht die Ulme damit Probleme bei der eigenen Wasserversorgung. Die Leitungen sind dicht, der Baum vertrocknet. Bis zum völligen Absterben der Ulme können mehrere Jahre vergehen. Doch das Leiden wird früh sichtbar. Erst werden einzelne Äste braun, dann Teile der Krone und zuletzt der ganze Baum.

Dank intensiver Wurzelbrut (bei Feld- und Flatterulme) und der Möglichkeit zum Stockausschlag treiben Ulmen glücklicherweise häufig wieder aus. Doch allzu oft wird auch der Neuaustrieb schnell wieder befallen, wenn er für die Ulmensplintkäfer ausreichend dick geworden ist. In begrenztem Maß sichern die Ulmen durch diese Formen vegetativer Vermehrung aber ihr Überleben als Art.

 

 

 

 

Die heimischen Ulmenarten

In Deutschland kommen drei Ulmenarten vor: Bergulme (Ulmus glabra), Feldulme (Ulmus minor) und die Flatterulme (Ulmus laevis), die zu den seltensten Gehölzen überhaupt zählt.

Leicht zu unterscheiden sind die Ulmen häufig nicht. Blätter variieren innerhalb einer Art manchmal deutlich. Außerdem kommen Bastardierungen zwischen Berg- und Feldulme vor.

Die Ulmen sind insgesamt Nährstoff und recht Wärme liebende Baumarten. Forstlich werden sie der Gruppe der Edellaubhölzer zugeordnet. Die Bergulme kommt auch in höheren Lagen vor, Feld- und Flatterulmen eher im Flachland und dort auch als typische Bäume des (kaum noch vorhandenen) Auenwaldes.

Alle Ulmen, die sich durch ein sehr schnelles Jugendwachstum auszeichnen, sind typische Mischbaumarten in Buchen- (Bergulme) und Eichenwäldern. Ohne das Ulmensterben könnten Berg- und Feldulme über 400 Jahre alt werden.

Von den Ulmen verabschieden?

Das einzigartig dunkle und harte Ulmenholz fand in früherer Zeit vielfältige Verwendung im Innen- und Außenbereich. Drechsler und Tischler gerieten ins Schwärmen, wenn es um das Holz der Ulmen ging. Denn das auch als "Rüster" bezeichnete Holz gehört zu den dekorativsten und edelsten Sortimenten der heimischen Baumartenpalette.

Eine echte wirtschaftliche Relevanz kann den Ulmen trotz des hochwertigen Holzes heute allerdings nicht mehr zugesprochen werden. Nur noch in Ausnahmefällen findet man Stämme auf den Holzversteigerungen und Submissionen. Es sind zumeist die Zwangsnutzungen der letzten starken Stämme.

Das Sterben der Ulmen hält nun schon seit einem Jahrhundert an. Ausgestorben sind sie bislang nicht. Dennoch schrumpft mit jedem Verschwinden eines Baumes die noch verbliebene genetische Vielfalt innerhalb der Art. Auch Neuanpflanzungen zum Generhalt werden allzu oft doch vom umher streichenden Ulmensplintkäfer entdeckt, die tödliche Sporenfracht im Gepäck.

Das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft beerntet noch vorhandene Waldbäume und betreibt seit Jahrzehnten Erhaltungssamenplantagen für Berg- und Flatterulmen zur Saatgutproduktion. Leider sind auch diese Flächen vom Käfer gefunden worden und Bäume sterben regelmäßig ab. Daher raten Förster beim Nachpflanzen der Ulmen zu höchster Wachsamkeit, weil zunächst gut gemeinte Aufforstungen schnell zu gefährlichen Trittsteinen für die Käfer zu noch vitalen Ulmenvorkommen werden können. Die Möglichkeiten des Menschen und die Hilfsmittel der Natur sind demzufolge beim Ulmensterben sehr begrenzt. Ulmenzüchtungen zeigen mehr oder weniger ausgeprägte Resistenzen gegen die Ophiostoma-Erreger.

Den Forstwissenschaftlern bleibt im Hinblick auf die Wildformen eigentlich nur die zweifelhafte Hoffnung, dass sich das Ulmensterben irgendwann "tot läuft", weil den Ulmensplintkäfern schlicht die brutfähigen Bäume weggestorben sind. Das Ulmensterben in der Mitte des letzten Jahrhunderts ging durch einen den Pilz befallenden Mykovirus zeitweise zurück. Ein Virusbefall des Erregers wäre auch eine Hilfe beim aktuellen Ulmensterben. Ob dieser sich vielleicht durch Mutation entwickeln wird, weiß allerdings niemand.

Diese Hilflosigkeit von Baum und Mensch gegenüber dem Ulmensterben ist Zeugnis für die tückische Gefahr, die von eingeschleppten Tier- und Pflanzenarten oder Pilzen in heimischen Ökosystemen ausgehen kann. Zudem zeigt das für die Ulmen fatale Zusammenwirken von Pilz und Käfer beispielhaft die komplexen Zusammenhänge in der Natur, die, einmal durch menschliches Handeln in ihren Abläufen gestört, trotz aller Mühen nicht mehr rückgängig zu machen sind.