Das Prädispositionsabschätzsystem (PAS) für Sachsen – Weiterentwicklung und Flexibilisierung im Zuge sich ändernder klimatischer und organisatorischer Rahmenbedingungen und deren Einflusses auf die Befallsprognose des Buchdruckers (Ips typographus).

Der Buchdrucker (Ips typographus) als einer der bedeutendsten biotischen Schadfaktoren in Fichtenwäldern Mitteleuropas profitiert als multivoltine Art in besonderem Maße von steigenden Temperaturen. Die zunehmende sommerliche Trockenheit erhöht gleichzeitig die Prädisposition seiner Wirtsbaumart, der Fichte (Picea abies). Mit einem Flächenanteil von mehr als 34 % ist sie die häufigste Baumart im sächsischen Wald. Daher sind wirksame Maßnahmen zur Verhinderung von Stehendbefall besonders wichtig.

Um diese entsprechend den vorhandenen Ressourcen und den fortpolitischen Zielstellungen möglichst zielgerichtet durchzuführen, ist eine regional differenzierende Bewertung erforderlich. Diese sollte neben den durch die Waldbewirtschaftung steuerbaren Faktoren auch die nicht oder wenig beinflussbaren standörtlichen Faktoren berücksichtigen.

Voraussetzung für eine effektive Schadensprophylaxe ist somit das Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen prädisponierenden Bestandes-Charakteristika und der Vielzahl an potenziellen abiotischen und biotischen Schadverursachern, die nicht alle durch gleiche Maßnahmen ähnlich beeinflusst werden. Gerade beim Buchdrucker gibt es auf Grund seiner Bedeutung in Mitteleuropa hierzu bereits eine Vielzahl von Lösungsansätzen. Einer davon ist Gegenstand der im Folgenden dargestellten Untersuchung.

Bewertung der Befallsprädisposition von Fichtenbeständen gegenüber dem Buchdrucker

Ein von Netherer und Nopp-Mayr 2005 entwickelte Modellansatz zur Bewertung der Befallsprädisposition von Fichtenbeständen gegenüber dem Buchdrucker - das Prädispositions-Abschätz-System (PAS) - wurde bereits 2009 als geeignetes Hilfsmittel auf Sachsen übertragen, weiter verfeinert und nun erneut an die sich verändernden Rahmenbedingungen angepasst.

Beim PAS basierten die Eingabedaten bisher auf spezifischen stichtagsbezogenen terrestrischen Erhebungen. Mit zunehmendem Alter dieser Daten wird die tatsächliche Situation im Wald allerdings nur noch unzureichend abgebildet. Dies gilt insbesondere für die Daten zur Beschreibung des aktuellen Waldzustandes. Daher wurde nun das ursprüngliche Modell auf einen fernerkundlichen und rasterbasierten Ansatz übertragen und mittels der Programmiersprache R eine Neuberechnung der Prädisposition vorgenommen. Dieses Verfahren ermöglicht in Zukunft einfachere Neubewertungen bei kürzeren Aktualisierungsintervallen. Ein weiterer Vorteil des neuen Ansatzes ist die höhere räumliche Auflösung, die grundsätzlich eine detailliertere Analyse auch für kleinere Diagnoseeinheiten ermöglicht.

Prädispositions-Abschätz-System (PAS)

Wissensbasierte Expertensysteme setzen auf allgemeingültige Zusammenhänge und sollen auf transparente Weise den forstlichen Entscheidungsprozess unterstützen. Das vorliegende PAS ist ein Bonus-Malus System, welches erfahrungsbasiert gefährdende Bestandes- sowie Standortseigenschaften und somit die Möglichkeiten der Vorbeugung oder Verringerung von Schäden direkt aufzeigt. Die jeweiligen Merkmale werden entsprechend ihrem Einfluss auf das spezifische Störungselement unterschiedlich gewichtet und skaliert. Die Summe aller Prädispositionspunkte, die den spezifischen Charakteristika zugeordnet sind, ergibt das Gefährdungsausmaß einer Störung für eine konkrete Waldfläche.

Anpassung und Weiterentwicklung

Die Weiterentwicklung des ursprünglichen Ansatzes verfolgt mehrere Ziele:

  • Der statische Bewertungsansatz soll durch die Möglichkeit einer Neuberechnung in kürzeren Intervallen stärker dynamisiert und somit die stattfindenden Veränderungen im Waldzustand angemessener berücksichtigt werden.
  • Die Nutzung von Fernerkundungsinformationen soll die weitestgehende Unabhängigkeit von stichtagsbezogenen terrestrischen Daten ermöglichen und eine eigentumsunabhängige Prädispositionsbewertung gewährleisten.
  • Durch die Option einer einfachen Integration weiterer Bewertungskriterien bzw. der Neugewichtung bereits Vorhandener soll es möglich sein, schnell neue Erkenntnisse hinsichtlich der Prädiktoren der Befallsdynamik bzw. deren Einflusses auf die Prädisposition im Modell abzubilden.
  • Ein weiterer Aspekt ist die stärkere Differenzierung der Gefährdungseinschätzung durch die Nutzung deutlich höher aufgelöster räumlicher Daten.

Praktische Umsetzung in einer Modellregion

Die Neuberechnung der Prädisposition gegenüber Buchdrucker, Sturm und Schnee erfolgte auf der Grundlage eines sachsenweit in einer Auflösung von 10x10 m vorliegenden Rasterdatensatzes. Dieser beinhaltet vorerst noch Daten unterschiedlicher Herkunft:

  • Zum einen über 8-Bit-Orthobilddaten, 16-Bit-Luftbilddaten sowie flugzeuggetragene Laserscandaten und dem daraus abgeleiteten digitalen Höhenmodell generierte Waldzustandsinformationen aus dem sächsischen Gesamtwaldprojekt,
  • zum anderen weiterhin „klassische“, allerdings entsprechend gerasterte, bestandesweise Forsteinrichtungsdaten mit unterschiedlichen Stichtagen.

Auf Grund der Tatsache, dass für die, in die Prädisposition einfließenden und auch über längere Zeiträume nur geringfügigen Veränderungen unterliegenden Standortsparameter erst vor kurzem eine umfassende Neubewertung stattfand, konzentrierten sich die Arbeiten vor allem auf die wesentlich dynamischeren Bestandeskriterien.
Als erste Modellregion diente der Forstbezirk Bärenfels mit einer Waldfläche von ca. 27.500 ha.

Die praktische Umsetzung des Ansatzes in der freien Programmiersprache R basiert auf einer implementierten Funktion, die das zu bewertende Raster und die Prädispositionskriterien als Übergabeparameter erhält. Die zu berücksichtigenden Kriterien aller Attribute werden hierzu in einer einzigen Textdatei (*.txt) vorgehalten und bei Bedarf ausgewählt. Bei der Berechnung iteriert die R-Funktion über alle Klassen des zu bewertenden Rasters und ersetzt die Pixelwerte durch die relative Bewertung. Auf diese Weise wird ein hohes Maß an Flexibilität gewährleistet, was z. B. eine feinere Unterteilung der Prädispositionsklassen ermöglicht.

Ergebnisse

Die Abbildung 2a zeigt das Ergebnis der mit R durchgeführten PAS-Neuberechnung für den Forstbezirk Bärenfels. Die Bewertung erfolgte hier vorerst auf der Grundlage von Waldzustandsdaten der Forsteinrichtung mit Stichtag 1.1.2013, da die Informationen des Gesamtwaldprojektes zu diesem Zeitpunkt für die Region noch nicht zur Verfügung standen.

Anhand der Abbildung ist zu erkennen, dass sich die beiden höchsten Prädispositionsklassen (Standort hoch-sehr hoch/ Bestand hoch-sehr hoch und Standort hoch-sehr hoch / Bestand gering-mittel ) auf zwei Bereiche konzentrieren, den Tharandter Wald als Übergangsbereich zwischensächsischem Hügelland und Osterzgebirge im Südwesten des Forstbezirkes, sowie die zwischen 550 und 750 m ü. NN gelegenen Waldgebiete in dessen Zentrum. Insgesamt vereinen diese beiden Klassen mit knapp 8.000 ha fast 29 % der betrachteten Waldfläche auf sich. Den Hauptanteil mit fast 14.800 ha (54 %) nehmen allerdings die mittleren Gefährdungsklassen (Standort sehr gering-mittel/ Bestand hoch-sehr hoch und Standort hoch-sehr hoch/ Bestand sehr gering) ein. Etwa 17% entfallen auf die beiden Klassen mit der geringsten Prädisposition für einen Befall durch den Buchdrucker (Standort sehr gering-mittel/ Bestand sehr gering und Standort sehr gering-mittel/ Bestand gering-mittel).

Abbildung 2 zeigt außerdem einen Vergleich des herkömmlichen vektorbasierten Bewertungsansatzes (2b) mit dem neuen rasterbasierten und in R umgesetzten Algorithmus (2c) am Beispiel eines Waldteils im Süden des Tharandter Waldes. Die Unterschiede in der Klassenausprägung lassen sich dabei vor allem auf die aktuelleren Waldzustandsdaten zurückführen, die in die Neuberechnung Eingang gefunden haben. Da allerdings gerasterte Forsteinrichtungsdaten als Basis dienten, bilden die aktuellen Bestandesgrenzen i.d.R. die höchste Auflösungsebene.
Wenn, in Abhängigkeit von deren Verfügbarkeit, die vollständige Umstellung auf Fernerkundungsdaten vollzogen wird, stellt die Rasterzelle tatsächlich die kleinste Gliederungseinheit dar und es ist ein wesentlich differenzierteres Bild zu erwarten.

Diskussion und Ausblick

Da die aktuellen Arbeiten im Rahmen des Verbundprojektes IpsPro (Verbesserte Abschätzung des Risikos für Buchdruckerbefall – Grundlagen für ein Prognosewerkzeug als Bestandteil des integrierten Waldschutzes, 2017-2021) realisiert wurden, lag der bisherige Fokus vorerst auf den Modellregionen dieses Projektes.
Perspektivisch ist allerdings geplant, die Prädispositionsabschätzung für alle Waldflächen in den fichtengeprägten Regionen des Freistaates Sachsen zeitnah umzusetzen. Zudem hat sich gezeigt, dass nicht alle bisher der Bewertung zugrundeliegenden Prädispositionskriterien praktikabel mittels Fernerkundungsdaten abgebildet werden können.

  • Es ist daher vorgesehen, den tatsächlichen Einfluss ausgewählter Parameter auf die abschließende Zuordnung zu einer bestimmten Prädispositionsklasse zu untersuchen und so zumindest für die spezifischen sächsischen Verhältnisse eine Aussage zu treffen, inwieweit ggf. einzelne Parameter unberücksichtigt bleiben können, ohne die Bewertungsqualität signifikant zu verschlechtern.
  • Ebenfalls ist geplant, die nun bestehende Möglichkeit der Integration zusätzlicher, nicht zuletzt aus den Ergebnissen des IpsPro-Projekts resultierender, Prädispositionskriterien zu nutzen, um die bisherigen Modellierungsergebnisse weiter zu qualifizieren. Mögliche Parameter wären bspw. aufgetretener Vorjahresbefall, die Stehendbefall-Sanierungsquote, aber auch die Menge an verfügbarem, bruttauglichem Material infolge abiotischer Schadereignisse im unmittelbaren Umfeld.
  • Regelmäßige Validierungen des ursprünglichen Modells von Netherer & Nopp-Mayr auf der Grundlage eines mittlerweile umfangreichen Pools an räumlich verorteten Stehendbefallsdaten sollen eine dauerhafte Gültigkeit der Modellannahmen sicherstellen.

Anmerkung: Die in Sachsen seit 2018 andauernde Massenvermehrung des Buchdruckers hat die hohe Bedeutung eines funktionierenden Bewertungssystems noch einmal deutlich gemacht, auch wenn die spezifischen damit verbundenen Bedingungen vom PAS in seiner jetzigen Form nur eingeschränkt berücksichtigt werden. Die vorgesehenen Änderungen tragen dem teilweise aber bereits Rechnung. So ist die Einbeziehung von Vorbefall ebenso wichtig wie eine stärkere Dynamisierung, da sich die Waldzustände aktuell sehr schnell verändern und eine Priorisierung auf der Grundlage der Prädispositioneinschätzung beispielsweise eine bessere Steuerung der Kapazitäten im Rahmen des Borkenkäfermanagements erlaubt.