Massenvermehrungen von Kiefernspinner (Dendrolimus pini), Nonne (Lymantria monacha), Kiefernspanner (Bupalus piniarius) und Blattwespen (Diprion spec.) bestimmen in periodischen Abständen die Waldschutzsituation der Kiefernwälder des Nordostdeutschen Tieflands. Wie ist dabei der Regenerationsverlauf der Kiefer nach Nadelfraß durch Kieferngroßschädlinge zu beurteilen?

Einleitung

Mit 710.240 ha (Quelle: DSW2) hat die Region Brandenburg-Berlin den höchsten Kiefernwald-Anteil in Deutschland. Die Kiefernbestände stocken zum überwiegenden Teil auf Standorten mit niedriger und mittlerer Nährkraftstufe und geringem Wasserspeichervermögen. Besonders auf den armen Standorten zeigt sich eine erhöhte Prädisposition der Kiefernreinbestände gegenüber Schadereignissen wie z. B. Massenvermehrungen der Kieferngroßschädlinge.

Erkenntnisse aus dem Gradationsgeschehen

1. Regenerationsdauer

Kahlfraßherde sind das Ergebnis intensiven Raupenfraßes. Während Kahlfraßherde bei einer Kiefernspinner-Gradation zum Großteil aus kahl gefressenen Kiefern bestehen (Nadelverluste > 90 %), besitzt ein Teil der Kiefern nach Nonnen-, Blattwespen- und Kiefernspanner-Fraß noch eine Restnadelmasse von 20, 30 oder 40 %. Die verbliebene Restnadelmasse hat einen entscheidenden Einfluss auf die Regenerationszeit der geschädigten Kiefern. So benötigten kahl gefressene Kiefern in der Klimastufe Tm (Tiefland, mäßig trocken) fünf Jahre, in der Klimastufe Tt (Tiefland, trocken) hingegen sechs Jahre zur Wiederherstellung ihrer Vollbenadelung.

2. Kronenentwicklung

Kahlfraß bedeutet für den Baum den vollständigen – bei Erhalt einzelner Nadelpaare – fast vollständigen Verlust seiner Benadelung. Bei starkem Fraß (Nadelverlust 50-90 %) verliert die Kiefer in den meisten Fällen die Benadelung der Schatten- bzw. Unterkrone, teilweise bleiben die Maitriebe in der Lichtkrone und hier speziell im Wipfelbereich erhalten. In diesem Fall bilden die Maitriebe und aus vereinzelten Nadelpaaren geschobenen Knospen die Basis für eine neue Licht- und Schattenkrone.

3. Jahrringentwicklung

Massenvermehrungen der Kieferngroßschädlinge führen zu erheblichen Nadelverlusten und damit zu einer geringeren Assimilation. Abhängig vom Umfang der Nadelverluste kann die Kiefer die Xylem-Bildung völlig einstellen (Null-Wachstum). Im günstigsten Fall werden nur geringe Mengen gebildet. Bis zum Raupenfraß bildeten die später kahlen Kiefern Frühholz. Spätholz konnte nach dem Fraßereignis nicht mehr nachgewiesen werden. Ein Jahr nach dem Raupenfraß bildeten die entnadelten Kiefern weder Früh- noch Spätholz. Erst im 2. Jahr begannen die überlebenden Bäume wieder Zellulose zu produzieren. Insgesamt waren in Kahlfraßbeständen Zuwachsverluste (Radialzuwachs) über einen Zeitraum von vier Jahren nachweisbar.

4. Stammzahlentwicklung

Innerhalb der Kahlfraßherde hatten Stammzahlverluste die größten wirtschaftlichen Auswirkungen. Sie führten im Extremfall dazu, dass durch den geringen Holzvorrat des verbliebenen Bestandes bei mittelalten Beständen erst nach 30 Jahren eine erneute Nutzung möglich ist bzw. bei Altbeständen der Zielvorrat bis zur Umtriebszeit nicht mehr erreicht wird.

5. Mortalität in Baum- und Altersklassen

Bei Massenvermehrungen der Kieferngroßschädlinge können alle Kiefernbestände ab der III. Altersklasse von Kahlfraß betroffen sein. Nach der Nonnen-Massenvermehrung 2002-2006 in Brandenburg starben die Kiefern der unteren Baumklassen innerhalb von Kahlfraßherden fast vollständig, die der BKL 1 zu rd. 50 %.

Fazit

  • Kahlfraß bedeutet in den meisten Fällen das wirtschaftliche Ende des Kiefernbestandes. Bisher hatten Nadelverluste von 91 bis 100 % Stammausfälle zwischen 11 und 100 % (häufig 30-60 %) zur Folge.
  • Für Kahlfraßbestände besteht in den ersten zwei Jahren nach dem Fraßereignis ein erhöhtes Befallsrisiko durch Holz- und Rindenbrüter. Kiefern mit einer Benadelung von >40 % sind von geringer Attraktivität.
  • Aufgrund der für die Kiefern nach dem Fraß bestehenden labilen Situation besteht z. B. für Altbestände die Möglichkeit, im Fraßjahr alle Kiefern mit einer Restbenadelung von 0-20 % zu nutzen (= Kahlschlag).
  • Wird auf einen Kahlschlag verzichtet (z. B. mittelalte Bestände) können Durchforstungsmaßnahmen frühestens zum Ende der Vegetationsperiode im zweiten Jahr nach dem Fraßereignis erfolgen. In der Zwischenzeit sind die Grundsätze einer "sauberen Waldwirtschaft" zu beachten.