Gut zehn Jahre nach den Erstfunden in Italien im Jahr 2000 und der Türkei 2002 breitete sich die aus Nordamerika stammende Eichennetzwanze, Corythucha arcuata (Heteroptera: Tingidae), erfolgreich über die Balkanhalbinsel nach Mitteleuropa aus und erreichte 2019 Österreich und Tschechien. Im Jahr 2021 wurde C. arcuata im südwestlichen Deutschland nachgewiesen. Ein erster Survey nach dem Erstfund in Österreich im Spätsommer 2019 zeigte, dass die Art in der südöstlichen Steiermark und im Südburgenland bereits weit verbreitet war. Damals waren die Blattschäden an den meisten befallenen Bäumen noch gering und leicht zu übersehen.

In vielen Eichenwäldern am Balkan und in Ungarn verursacht die Saugtätigkeit der Nymphen und der adulten Netzwanzen schon seit Jahren andauernde massive Schädigungen der Blattmasse im Laufe der Vegetationszeit, wobei eine Reduktion der Photosyntheseleistung befallener Blätter um 60 % nachgewiesen wurde. Da der meiste Holzzuwachs in der ersten Hälfte der Vegetationszeit erfolgt, sind die messbaren Auswirkungen der Saugtätigkeit bislang gering. Kumulative Effekte auf den Baum durch mehrjährigen starken Befall sind wahrscheinlich, darüber hinaus sind negative Auswirkungen zu erwarten, wenn im selben Jahr weitere Schadfaktoren wirksam werden.

Die ersten Erhebungen in Österreich im Herbst 2019 deuteten auf eine Einwanderung oder Einschleppung von C. arcuata entlang mehrerer Wege hin, sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit Auto- und LKW-Verkehr. Um das Befallsgebiet abgrenzen zu können und die Ausbreitung besser zu verstehen, wurden im September 2020 und 2021 detaillierte Surveys durchgeführt. Dazu wurden in bekannten und erwarteten Befallsgebieten sowie in angrenzenden Gebieten Eichen visuell auf Befall kontrolliert. 2022 wurde kein systematischer Survey mehr durchgeführt. Allerdings wurden einige Eichenbestände gezielt aufgesucht, um die weitere Entwicklung zu dokumentieren. Die Ergebnisse illustrieren die rasche Ausbreitung von C. arcuata und das Zusammenspiel von anthropogen unterstützter Fernausbreitung mit natürlicher, lokaler Ausbreitung, ausgehend von neu etablierten Satellitenpopulationen.

Methode der Surveys

Im September 2020 konzentrierte sich der Survey, basierend auf den Ergebnissen von 2019 (Sallmannshofer et al. 2021), auf die West- und Oststeiermark sowie das Südburgenland. Da das Ziel war, das Befallsgebiet möglichst gut abzugrenzen, wurden Eichen im Siedlungs- und Gewerbegebiet sowie an Bestandesrändern, meist entlang von Straßen, aufgenommen. Die ausgewählten Probebäume wurden von zumindest zwei Personen vom Boden aus mit Ferngläsern auf Befall kontrolliert und die Position mittels Mobiltelefon-GPS eingemessen.

Als Nachweis des Befalls dienten eindeutige Hinweise auf den Schädling, wie Eigelege, Gruppen von Nymphen, adulte Wanzen oder die charakteristischen Kottröpfchen. In Zweifelsfällen wurden Probezweige mittels einer Teleskopsäge geworben. Die Anteile der befallenen Kronenbereiche wurden geschätzt, ebenso die durchschnittliche Vergilbung befallener Blätter.

Im September 2021 weiteten wir das Untersuchungsgebiet in der Steiermark und im Burgenland aus und kontrollierten auch Eichen in Wien, dem nordöstlichen Niederösterreich (Weinviertel) und in Kärnten. In den zuvor noch nicht untersuchten Gebieten konzentrierten wir uns auf Bestände bzw. Einzelbäume entlang von Verkehrswegen. Im bereits bekannten Befallsgebiet untersuchten wir abseits stark befahrener Straßen gelegene Bestände und Einzelbäume.

Um die Ausbreitung vom Siedlungsgebiet und in den angrenzenden Wald zu untersuchen, wurden im September 2019 erstmals aufgenommene Eichen entlang eines Transekts in Mureck (Steiermark) im September 2021 neuerlich inspiziert. Der ca. 600 m lange Transekt reichte vom Ortsgebiet durch den Auwald ans Ufer der Mur. Im September 2022 fanden keine weiteren systematischen Inspektionen mehr statt. Allerdings wurden ausgewählte Standorte der früheren Surveys aufgesucht und nach der beschriebenen Methode untersucht, um allfällige Änderungen zu dokumentieren. 
 

Vorkommen der Eichennetzwanze in Österreich und Befallsintensitäten

Der Survey 2020 verdeutlichte das zumindest disjunkte Vorkommen der Eichennetzwanze in weiten Teilen der südlichen Steiermark und des Südburgenlands und die Grenzen des Befallsgebiets. Von 89 Surveypunkten (mit insgesamt 226 untersuchten Eichen) war über die Hälfte ohne Befall. Eichen mit starkem Befall fanden sich nordwestlich von Fürstenfeld, in der Umgebung von Gleichenberg, bei Leibnitz und in der südlichen Weststeiermark. Nördlich von Gratwein wurde kein Befall festgestellt, ebenso nicht um Weiz. Im Burgenland wurde C. arcuata bei Jennersdorf und Oberwart nachgewiesen. Keinen Befall gab es bei Pinkafeld, Bad Tatzmannsdorf und Rechnitz. Es traten Unterschiede zwischen dem etablierten Befallsgebiet und dem neuen Ausbreitungsgebiet zutage.

Während in Ersterem auch entfernt gelegene Bäume befallen waren (Abb. 1, Ziffer 1), war C. arcuata im neuen Ausbreitungsgebiet in Verbindung mit Verkehrs- und Gewerbeinfrastruktur anzutreffen (Abb. 1, Ziffer 2).

Der Survey in der Ost- und Weststeiermark im September 2021 belegte, dass C. arcuata inzwischen auf großer Fläche etabliert war. Auch in von Menschen wenig frequentierten Gebieten und an einzelnen Eichen in Mischwäldern wurde regelmäßig Befall in oft hoher Intensität festgestellt. Die Wiederholung der Befallsaufnahme entlang des Transekts vom Ortsgebiet von Mureck in die Murauen lieferte gegenüber September 2019 eine signifikante Zunahme der Befallsintensität an den Eichen im Stadtgebiet sowie eine Ausbreitung auf die verstreuten Eichen im Mischbestand des Auwaldes (Abb. 2). In der Weststeiermark lag der mit 950 m höchstgelegene Fundort von C. arcuata an Eichen am Autobahnrastplatz Herzogberg an der A2 (Abb. 1, Ziffer 3). Eine weitere Ausbreitung entlang der Autobahn über die Packalpe nach Kärnten wurde nicht festgestellt (Abb. 1, Ziffer 4).

Im August 2021 ging eine erste Fundmeldung aus Wien, Bezirk Simmering, am BFW ein. Es folgten mehrere Nachweise von C. arcuata in unterschiedlichen Gebieten Wiens (Abb. 2, Ziffer 5). Eine Aufnahme von Wien nach Norden hin im September 2021 brachte keine Nachweise außer am Zollamt Drasenhofen direkt an der tschechischen Grenze (Abb. 1, Ziffer 6). Dieser passt zum ersten tschechischen Fund von C. arcuata bei Břeclav 2020. Auch im Mittelburgenland wurde C. arcuata in noch geringer Intensität nachgewiesen.

Auch wenn 2022 kein systematischer Survey mehr erfolgte, brachte die Untersuchung ausgewählter Punkte interessante Ergebnisse. Im Kerngebiet des Befalls in der Oststeiermark (Umgebung von Fürstenfeld) wurden im September 2022 sehr starke Schäden am Eichenlaub festgestellt. Die Eichen wiesen meist Verfärbungen an mehr als 90 % der Krone auf, der Großteil der Blattfläche war von Saugschäden betroffen. Durch die charakteristische Verfärbung waren befallene Eichen schon aus der Ferne zu erkennen (Abb. 4). Auch in der Umgebung von Oberwart, wo der Befall 2020 noch gering und vereinzelt war, hatte sich C. arcuata etabliert und verursachte Schäden in ebenso starkem Ausmaß wie bei Fürstenfeld. Die Bäume an der hochgelegenen Raststation Herzogberg waren 2022 wieder befallen, die Intensität war gegenüber 2021 deutlich erhöht. 

Auch nördlich von Wien wurde die Ausweitung des Befallsgebietes festgestellt. An drei von fünf untersuchten Punkten wurde C. arcuata nachgewiesen, einer davon war wieder beim Zollamt Drasenhofen; der Befall war überall sehr schwach und nur nach intensiver Suche zu entdecken. Im nördlichen Burgenland wurde C. arcuata 2022 erstmals vereinzelt an Eichen im Gebiet um Sankt Margarethen entdeckt.

Einschleppungs- und Ausbreitungswege

Die Ergebnisse der Surveys 2020 und 2021 unterstreichen ganz klar die Bedeutung des passiven Transports mit dem Verkehr für die Fernausbreitung von C. arcuata, die auch in anderen Ländern beobachtet wurde (Bernardinelli 2006, Jurc und Jurc 2017, Mutun et al. 2009). Häufig standen befallene Eichen, die zu Ausgangspunkten neu etablierter, lokaler Populationen wurden, nahe bei Verkehrsinfrastruktur wie Raststätten, Tankstellen, Parkplätzen oder Gewerbegebieten (Abb. 3).

Einer der ersten Funde in Österreich im Herbst 2019 war am Autobahnrastplatz Gralla an der A9, etwa 20 km von der slowenischen Grenze entfernt. Einige Eichen direkt neben der Raststation waren sehr stark befallen. Die Intensität der Kronensymptome deutete darauf hin, dass die Netzwanze zumindest schon ein oder zwei Jahre hier präsent war. Beim Survey 2020 wurden stark befallene Eichen direkt am Rastplatz Hainersdorf an der A2 gefunden. Ähnlich, wenn auch etwas schwächer war der Befall am LKW-Parkplatz Arnwiesen an der A2. Die Befallsdaten deuten klar auf die Einschleppung über mehrere Wege entlang stark frequentierter Straßen aus Slowenien oder Ungarn in den Südosten Österreichs hin (Abb. 1). 

Auch die nahezu zeitgleichen Erstfunde in verschiedenen Wiener Bezirken lassen mehrere, punktuelle Einschleppungen vermuten. Die kroatische Regierung hatte 2017 ein temporäres Transportverbot für Eichenholz verhängt, um die Ausbreitung von C. arcuata zu unterbinden. Dieses begründete sich auf der Annahme, dass Holz aufgrund der in Rindenritzen überwinternden Netzwanzen ein wichtiger Verbreitungsmechanismus sei. Um diesem möglichen Einschleppungsweg nachzugehen, wurden beim Survey im September 2020 mehrere Standorte in der Nähe von fünf laubholzverarbeitenden Betrieben untersucht.

An drei Standorten mit Eichen in unmittelbarer Nähe zum Betriebsgelände wurde C. arcuata gefunden. Zwei Standorte lagen im geschlossen befallenen Gebiet, einer befand sich an der Front der expandierenden Population. Bei zwei weiteren Standorten, beide wieder an der Ausbreitungslinie, fanden sich Eichen erst über 500 m entfernt (getrennt durch Häuser und Gärten); an einem war C. arcuata vorhanden, am anderen Ort fehlte sie. Eine Verbindung zum Transport von Eichenholz aus Befallsgebieten scheint durchaus möglich.

Die weite Verbreitung der Eichennetzwanze im untersuchten Gebiet im Jahr 2020 lässt allerdings darauf schließen, dass Einschleppung und Ausbreitung wahrscheinlich wie oben dargestellt auch über andere Wege und auf breiter Front stattgefunden haben. Das Muster im etablierten Befallsgebiet und entlang dessen Randes deutet darauf hin, dass an mehreren Punkten entlang der Ausbreitungsrouten durch anthropogenen Ferntransport Satellitenpopulationen entstehen. Wenn diese sich etabliert und eine gewisse Populationsgröße erreicht haben, beginnt die lokale Ausbreitung.

Diese erfolgt wahrscheinlich aktiv und geschieht, wie etwa die Wiederholung des Transekts bei Mureck 2019 und 2021 oder die Funde an einzeln stehenden Eichen in Mischbeständen 2021 zeigten, bemerkenswert rasch und erfolgreich. Wir folgen der Vermutung anderer Autoren, dass durch den Wind unterstützter Flug adulter Netzwanzen ausschlaggebend für die rasche Ausbreitung auf lokaler Ebene ist (z.B. Zubrik et al. 2019, Mutun et al. 2009).

Zusätzlich konnte bei den eigenen Erhebungen beobachtet werden, dass die Eichennetzwanze ein guter Flieger ist und bei Windstille exakt gerichtete Flüge über kürzere Distanzen von sich aus ausführt. Eine Ausbreitung von einer Krone zur nächsten ist aktiv möglich. Gewiss kann auch menschlicher Transport bei der lokalen Ausbreitung unterstützend wirken.
 

Schlussfolgerungen und Ausblick

Passive, durch menschliche Aktivität unterstützte Verschleppung über lange Distanzen und anschließend aktive, lokale Ausbreitung erlauben der Eichennetzwanze eine schnelles Einwandern bzw. Eindringen in neue Gebiete. Die neuen Populationen in Österreich konnten sich etablieren und binnen weniger Jahre sehr stark anwachsen. So scheint auch eine weitere Ausbreitung in Europa unausweichlich 

In ihrem Review berichten Paulin et al. (2020) über keine direkte Mortalität befallener Eichen, halten allerdings negative Auswirkungen auf die Vitalität für wahrscheinlich. Dies kann insbesondere bedeutsam werden, wenn zur andauernden Schädigung durch C. arcuata andere Schadfaktoren wie Schwammspinner und andere Blattfresser, Eichenmehltau oder ausgedehnte Dürreperioden und Hitzewellen hinzukommen. Negative Auswirkungen auf Populationen anderer Insektenarten, die sich insbesondere im Sommer an Eichenblättern entwickeln, und somit auf die Biodiversität in Eichenwäldern sind zu erwarten.

Nachdem weder Eindämmung und noch viel weniger eine Ausrottung von C. arcuata realistisch sind, müssen Gegenmaßnahmen auf eine Milderung der negativen Auswirkungen der invasiven Art zielen. Derzeit stehen gegen C. arcuata keine tauglichen Bekämpfungsmaßnahmen zur Verfügung. Chemische Insektizide sorgen zwar für signifikante, kurzfristige Kontrolle, verhindern jedoch nicht den neuerlichen Befall der behandelten Fläche noch im selben Jahr (Bălăcenoiu et al. 2021, Drekić et al. 2021). Bedenkt man die Wirkung auf Nichtzielorganismen und allfällige rechtliche Beschränkungen, sind unspezifisch wirkende Insektizide daher keine Option im Wald.

Interessante erste Ergebnisse liegen zum Einsatz insektenpathogener Pilze gegen C. arcuata vor (Kovač et al. 2021), die in betroffenen Waldgebieten angereichert werden könnten. Hier ist allerdings noch weitere Forschungsarbeit nötig. Mittelfristig könnte die klassische biologische Bekämpfung, d.h. die Einführung spezialisierter natürlicher Gegenspieler (z.B. parasitische Wespen) aus dem nordamerikanischen Heimatgebiet, eine erfolgversprechende Strategie sein.

Aufwendige Tests, um sicherzustellen, dass keine inakzeptablen negativen Auswirkungen auf Nichtzielorganismen auftreten, sind eine Voraussetzung. Sinnvollerweise müssten solche Programme auf EU-Ebene akkordiert werden. Eichenarten gelten als Hoffnungsbaumarten im Klimawandel. Nachdem auch nach mehrjährigem intensivem Befall in Ungarn und Kroatien nur wenige messbare Schäden nachweisbar sind, besteht die Hoffnung, dass die invasive Eichennetzwanze für die Eichen und deren wirtschaftliche Nutzung keine existentielle Bedrohung darstellen wird. Aus heutiger Sicht stellt C. arcuata keinen Grund dar, von einer Förderung von Eichen im Lichte der Klimawandelanpassung abzugehen. 

Diversität an Baumarten wird auch hier die Sicherheit erhöhen und eventuell auftretende negative Wirkungen mildern. Die weitere Entwicklung der invasiven Netzwanze C. arcuata und deren Auswirkungen sind jedenfalls genau zu beobachten, an biologischen Bekämpfungsverfahren sollte zugleich geforscht werden.