Die Amerikanische Eichennetzwanze Corythucha arcuata (Say, 1832) (Heteroptera, Tingidae) wurde im Jahr 2013 erstmals in Ungarn und Kroatien nachgewiesen, seitdem hat sie dort großflächige Schädigungen von Eichenwäldern verursacht. Die in Massen auftretenden Wanzen schädigen die Blätter der Eichen stark, so dass es in den Hauptbefallsgebieten zum vollständigen Verlust der Assimilationsmasse im Sommer kommt.

Vermutet werden negative Auswirkungen auf das Wachstum und die Vitalität der Eichen sowie ein Ausbleiben oder eine verringerte Fruktifikation (mit weitreichenden Folgen für die Bewirtschaftung der Eichenwälder). Darüber hinaus scheinen Konsequenzen für die
Wechselwirkungen in den artenreichen Eichenwald-Ökosystemen, z.B. mit spezialisierten Blattfressern und -saugern, wahrscheinlich. Neben den bevorzugten Eichenarten Traubeneiche (Quercus petraea), Stieleiche (Q. robur), Flaumeiche (Q. pubescens), Zerreiche (Q. cerris) und Roteiche (Q. rubra) sind auch Rubus-Arten, Edelkastanie (Castanea sativa), Hundsrose (Rosa canina) und Feldulme (Ulmus minor) als Wirtspflanzen in Europa dokumentiert (Bernardinelli und Zandigiacomo 2000, Hrašovec et al. 2013, Jurc und Jurc 2017).

Corythucha arcuata wurde auf unbekanntem Weg aus dem nordamerikanischen Herkunftsgebiet nach Europa eingeschleppt, wo sie erstmals 2000 in Italien entdeckt wurde (Bernardinelli und Zandigiacomo 2000). Zwei Jahre später trat die Wanze in der Schweiz und 2003 in der Türkei auf. Ab 2012 wurde eine extrem rasche Ausbreitung auf der Balkanhalbinsel bis nach Mitteleuropa beobachtet: 2012 in Bulgarien, 2013 in Serbien, Kroatien und Ungarn (EPPO 2019). 2016 meldete man C. arcuata aus Slowenien (Jurc und Jurc 2017) und 2018 aus der Slowakei (Zubrik et al. 2019), so dass ein erstes Auftreten in Österreich erwartet wurde.

In den letzten vier Jahren wurde die Art auch aus Russland, Rumänien, Bosnien und Herzegowina, Frankreich und Griechenland gemeldet (EPPO 2019). Die European and Mediterranean Plant Protection Organization (EPPO) stellte C. arcuata nach dem Erstauftreten in Italien auf die Alert List (d.h. listete sie als Kandidat für phytosanitäre Maßnahmen), entfernte sie jedoch 2007 wieder daraus, da eine Eindämmung aussichtslos schien. Die Art hat daher in der EU keinen Quarantänestatus und wurde auch von keinem Mitgliedsland für eine Schutzgebietsregelung vorgeschlagen.

Kroatien verhängte 2017 ein temporäres, phytosanitäres Transportverbot von Eichenrundholz und -schnittholz, das mittlerweile ausgelaufen ist. Eine aktuelle Risikoanalyse aus Kroatien listet als Ausbreitungswege Transport von Holz und Holzprodukten (Adulte überwintern unter loser Rinde), passiver Transport mit Fahrzeugen sowie natürliche Ausbreitung (Pernek und Lackovi´c 2017). Eine britische Risikoanalyse hebt besonders forstliches Pflanzgut hervor (Anderson 2007).

Erstbefund in Österreich und erste Erhebungen zum Auftreten

Am 25.8.2019 fanden zwei der Autoren (Sallmannshofer und Ette) eine von C. arcuata stark befallene, freistehende Stieleiche im südlichen Burgareal der Riegersburg in der Steiermark. Die Eiche war durch gelbliche Blattverfärbungen im gesamten Kronenbereich aufgefallen und wurde daher auf C. arcuata untersucht. Der gesamte Kronenraum dieses Baumes war ohne erkennbare Unterschiede zwischen Sonn- und Schattseite durch Eichennetzwanzen besiedelt. Die Blätter zeigten typische, eher zentrale, fahle Blattvergilbungen und eine durch die Saugtätigkeit typische Symptomatik mit einem diffus gesprenkelten, zusammenhängenden Muster (Abb. 1). Zudem fanden sich auf der Blattunterseite adulte Wanzen, Nymphen, Gelege und Kottröpfchen (Abb. 2).

Die Verfärbungen bildeten einen Gradienten von bräunlich im vergilbten Zentrum über intensiv gelb oder grau bis hin zu fahlgrün. Die vitalen Blattbereiche erschienen dunkelgrün so wie die schmal umrandete Blattnervatur (Abb. 1). Die gefundene Stieleiche befand sich freistehend, stark sonnenexponiert in südlicher Kuppenlage (Brusthöhendurchmesser ca. 50 cm, Höhe ca. 23 m). Der Standort zeichnete sich neben der Exposition durch seine Flachgründigkeit und Trockenheit aus. Zudem ist die Riegersburg ein bedeutendes, touristisch genutztes Ausflugsziel der Region. Eine großräumigere Stichprobenerhebung in der südöstlichen Steiermark und im Südburgenland am 4.9., 18.9. und 21.09.2019 sollte den Nachweis bestätigen und eine erste Abgrenzung des Auftretensgebiets von C. arcuata ermöglichen. Blattproben und Exemplare von C. arcuata wurden zur Diagnose am BFW geworben. Untersuchungen zur Befallsintensität und zur lokalen Verbreitung wurden durchgeführt.

Das Gebiet östlich von Graz und südlich von Friedberg wurde bis Bad Radkersburg an der slowenischen Grenze mit dem Auto befahren und nach symptomatischen Eichen entlang von Hauptverkehrswegen und Parkplätzen abgesucht. Die Vorgehensweise begründet sich in der Annahme, dass die Einschleppung wahrscheinlich durch passiven Transport (Tourismus, Verkehr, Transport, etc.) stattgefunden hat.

In Abständen von 10 bis 20 km untersuchte das Erhebungsteam mit Feldstechern vor allem freistehende und sonnenexponierte Eichen, die als besonders befallsexponiert eingeschätzt wurden, und entnahm Zweigproben. Bei befallenen Eichen wurde die Befallsintensität angesprochen, indem der Anteil der befallenen Blätter an der gesamten Blattmasse und die durchschnittliche Verfärbungsintensität je Blatt geschätzt wurden. Die Methodik entspricht jener aus dem Interreg-Projekt REFOCuS, welches vergleichbare Daten aus dem Jahr 2019 über Corythucha-Befall aus dem Biosphärenpark Mur-Drau-Donau (Abb. 3) auf gleichmäßig verteilten Transekten liefert.

Insgesamt konnte das Auftreten von C. arcuata in allen Stadien (Ei, Larve, Imago) an weiteren 21 Standorten in den Bezirken Güssing, Hartberg-Fürstenfeld, Jennersdorf, Leibnitz und Südoststeiermark nachgewiesen werden (Abb. 3). Die Befallsintensität als Anteil befallener Blätter an der gesamten Blattmasse war sehr unterschiedlich und schwankte zwischen 1 % und 95 % der Blätter pro Baum (Tab. 1). Sie ist bei einem Korrelationskoeffizient von 0,67 mit der durchschnittlichen Vergilbung der Blätter (Abb. 4) korreliert.

Ein sehr starker bis vollständiger Befall von Bäumen lässt vermuten, dass die Eichennetzwanze zumindest seit dem Vorjahr in diesem Gebiet auftritt. Geringe Befallsintensität (insbesondere bei der durchschnittlichen Vergilbung je Blatt) könnte auf eine kürzere Besiedlung des Baumes deuten. Durch C. arcuata hervorgerufene Symptome können anderen Blattsymptomen, wie beispielsweise durch Eichenmehltau verursacht, bei einer eher gräulichen Blattverfärbung sehr ähneln (Abb. 5). Die alleinige Ansprache mittels Feldstecher ist daher nur auf kürzeste Distanz möglich und wird für eine Präsenzfeststellung als unzureichend beurteilt.

Interessant ist der Vergleich zu den im Sommer 2019 durchgeführten Erhebungen im österreichischen Teil des Biosphärenparks Mur-Drau-Donau im Rahmen des Projektes REFOCuS. Diese beinhalteten sieben Probeflächen in geschlossenen Waldbeständen, auf denen im Gegensatz zu den Flächen im slowenischen Teil des Biosphärenparks dieselben Erheber des BFW C. arcuata nicht oder nur in sehr geringem Maße gefunden hatten. Dagegen wurde bei der nunmehr durchgeführten Begehung die Eichennetzwanze im menschlichen Siedlungsgebiet (Bad Radkersburg und Mureck) im REFOCuS-Studiengebiet hiermit nachgewiesen.

Dieser Umstand könnte zwei Ursachen haben: Einerseits ist die passive Verschleppung von C. arcuata tiefer in den Wald unwahrscheinlicher, da die Besiedelung vermutlich ausgehend von ersten Populationen im Verkehrs- oder Siedlungsgebiet erfolgen wird. Darüber hinaus konzentriert sich der frühe Befall über natürliche Ausbreitung im geschlossenen Bestand auf die besonnten, oberen Kronenteile, welche bei der Astbeprobung nicht erreicht werden und im Altbestand für eine Observation mittels Feldstecher zu entfernt sind. In direkter Nachbarschaft zu einer stark befallenen Eiche wurde auch ein leichter Befall einer Flatterulme (Ulmus laevis) festgestellt (Abb. 6).

Vermutete Ausbreitungswege

Nachdem die ersten Erhebungen weder systematisch noch flächig durchgeführt wurden, lässt sich daraus keine konkrete Migrationsroute rekonstruieren. Naheliegend ist die Vermutung, dass sich C. arcuata zunächst entlang der Hauptverkehrsachsen ausbreitete und sich primär an stark frequentierten Verkehrs- und Fremdenverkehrsknotenpunkten etablierte. Basierend auf den vorliegenden Erhebungen vermuten wir, dass eine rasche Ausbreitung von C. arcuata aus den etablierten Befallsgebieten im Süden durch passiven Transport mit Fahrzeugen stattgefunden hat.

Die geringe Größe, das Vorkommen in hoher Individuenzahl und die hohe Agilität der adulten Wanzen prädestinieren diese Art für diesen Verbreitungsweg. Es wurde bei den Erhebungen festgestellt, dass der Primärbefall exponierter Eichen häufig von der unteren Krone auszugehen scheint, was ebenfalls für eine Verbreitung über Fahrzeuge spricht. Eine sehr schnelle Verbreitung entlang von Verkehrskorridoren (Straße und Eisenbahn) wurde in Kroatien und Slowenien beobachtet (Jurc und Jurc 2017). Solcherart kann sich eine Vielzahl von Satellitenpopulationen im bislang befallsfreien Gebiet bilden, von denen aus eine weitere Verbreitung auf natürlichem Weg erfolgt.

Ausblick für Österreich

Die erste Erhebung zeigt, dass C. arcuata in der südöstlichen Steiermark sowie dem südlichen Burgenland bereits weit verbreitet und etabliert ist - eine Ausrottung ist nicht möglich. Es ist mit massiven Saugschäden an Eichen in den kommenden Jahren zu rechnen. Welche Auswirkungen diese auf die Vitalität der betroffenen Bäume haben, lässt sich derzeit nicht verlässlich prognostizieren.

Der Verlust an Assimilationsmasse führt zu einer Schwächung, zum Absterben von Ästen in geringerem Umfang oder zu erhöhter Anfälligkeit für weitere Schädlinge. Als Vektor von Pflanzenkrankheiten ist C. arcuata nicht bekannt (Anderson 2007, Pernek und Lackovi´c 2017). Ein Absterben von Bäumen wurde auch in den stärksten Befallsgebieten in Kroatien bislang nicht beobachtet (Pernek und Lacković 2017, Hrašovec, mündl. Mitteil.). Zuwachsverluste sind wahrscheinlich und auch negative Auswirkungen auf die Eichelmast werden vermutet. Nicht zuletzt könnte die Dominanz dieses Schädlings die Biodiversität in Eichen-Ökosystemen herabsetzen.

Günstig für den betroffenen Baum ist, dass die starke Beeinträchtigung der Blätter (bis hin zur vollständigen Vertrocknung) erst im Laufe des Sommers auftritt. Insgesamt bestehen jedoch zu Biologie und Schadwirkung von C. arcuata noch große Wissenslücken. Auch verschiedene Bekämpfungsmöglichkeiten sind derzeit nur im Versuchsstadium. Ein im Sommer 2019 gestartetes europäisches Projekt (unter Beteiligung des BFW) im Rahmen des EUPHRESCO-Forschungsnetzwerks soll durch intensiven Informations- und Erfahrungsaustausch in den Befallsgebieten einige dieser Wissenslücken schließen (Williams 2019).