Von Gebieten ohne Forst­schutzeingriffe geht häufig ein Risiko für die Gesundheit benachbarter Wald­be­stände aus. Aber nachdem die Natur nicht Schwarz und Weiß ist, gibt es darüber hinaus Bereiche, wo Forst­schutz und Biodiversitätsschutz einander unterstützen.

Denkt man an negative Aus­wirkungen des Forstschutzes auf die Biodiversität, käme wohl zunächst die negative Wirkung von Pflanzenschutz­mitteln auf die Biodiversität zur Sprache. In Österreichs Wald werden jedoch Pflanzenschutzmittel meist lokal verwendet. Wichtig ist, möglichst spezifische Pflanzenschutzmittel sehr risikobewusst einzusetzen, um Nicht-Zielorganismen nicht übermäßig zu schädigen. Nicht-Zielorganismen sind Arten, die nicht das Ziel einer Schädlingsbekämpfungsaktion sind, aber potenziell davon betroffen sein könnten (Biodiversität - Waldschutz - Insektizideinsatz).

Im österreichischen Wald von größerer Bedeutung ist der Entzug von Lebens­grundlagen holzbewohnender Arten durch die "saubere Waldwirtschaft". Diese will die Vermehrung aggressiver Borkenkäferarten, wie dem Buchdrucker, verhindern, indem zeitgerecht bruttaugliches oder bereits befallenes Material entfernt wird. Nach wie vor ist diese Strategie die wirksamste und wichtigste Forstschutzmaßnahme.

Auch der Gesetzgeber trägt dem Rechnung: Er verpflichtet die Waldeigentümerinnen und -eigentümer zur Vorbeugung und Bekämpfung einer gefährlichen Schädigung des Waldes durch Forstschädlinge und verbietet die Begünstigung einer Vermehrung derselben durch Handlungen und Unterlassungen (§§ 44-45 Forstgesetz). Führt dieses wichtige Prinzip allerdings dazu, dass jegliches tote Holz aus dem Wald entfernt wird, beraubt man holzbewohnende Arten ihrer Nische.

Dass darüber hinaus auch Totholz nicht gleich Totholz ist, verkompliziert die Lage: Holzart, Zersetzungsgrad, Vorhandensein von Rinde, Besonnung, etc. sind entscheidende Faktoren. Viele holzbewohnende Insekten (wie z.B. Alpenbock, Zottenbock und Scharlachkäfer) haben noch dazu eine mehrjährige Entwicklungsdauer, so dass sich viele davon auf diversen Listen bedrohter Arten finden .

Es gilt also, die saubere Waldwirtschaft mit einer gewissen Totholzhaltung in Einklang zu bringen mit dem Ziel, die Vermehrung einiger aggressiver Borkenkäferarten zu verhindern. Haben diese einen abgestorbenen Baum bereits verlassen oder ist der Baum von nicht ­aggressiven Arten befallen, ist er aus Forstschutzsicht wenig problematisch.

Die Beurteilung der Situation setzt allerdings einen guten Wissensstand voraus. Unbedingt notwendig ist dabei auch die Zusammenarbeit mit der Forstbehörde. Für den Erhalt mancher Arten bedarf es neben dem Vorhandensein von Totholz auch größerer Waldgebiete, in denen ­natürliche Prozesse – auch Zerfallsprozesse – ungehindert ablaufen können.

Biodiversitätsschutz als Problem für den Forstschutz

Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Prozessschutz­gebiete, vor allem wenn sie reich an Fichten sind, zum Ausgangspunkt von ausgedehnten Borkenkäfer-Massenvermehrungen (wieder in erster Linie des Buchdruckers) werden können, die bei unzureichenden Forstschutzmaßnahmen auf angrenzende, bewirtschaftete Wälder übergreifen und große Schäden verur­sachen können (Beispiel Nationalpark Bayerischer Wald und Nationalpark Nordschwarzwald).

Um die Prozessschutzgebiete sind daher Pufferzonen, in denen konsequent Bekämpfungsmaßnahmen stattfinden, und funktionierende Monitoringsysteme zu etablieren, um das Risiko zu minimieren. Im Idealfall wird bereits bei der Einrichtung neuer Schutzgebiete darauf Bedacht genommen. Auch Programme zur Anreicherung des Totholzanteiles auf der Fläche müssen, wie oben besprochen, aus Forstschutzsicht begleitet werden. Letztlich wird dies der weiteren Akzeptanz derartiger Naturschutzmaßnahmen, gerade im Bereich des Prozessschutzes, dienlich sein.

Biodiversität unterstützt Forstschutz

Wenn in geschützten Gebieten natür­liche Störungsprozesse ablaufen können, bietet dies auch der angewandten Forschung zu Waldschutzthemen einzigartige Möglichkeiten. Vermehrungen von ansonsten als schädlich angesehenen und folglich bekämpften Organismen laufen ungehindert ab und ermöglichen so Einblicke in die natür­liche Dynamik der Populationen. In den letzten Jahrzehnten brachte gerade die Forschung in Prozessschutzgebieten erheblichen Wissenszuwachs und nützliche Erkenntnisse für die Waldschutzpraxis bei vermeintlich gut bekannten Forstschädlingen wie dem Buchdrucker.

Aber die unterstützende Wirkung der Biodiversität kann auch eine wesentlich direktere sein. Die konservierende biologische Schädlingskontrolle ist eine wichtige Strategie im integrierten Pflanzen­schutz. Diese zielt darauf ab, natürliche Gegenspieler (z.B. parasitische oder räuberische Insekten) zu fördern, in dem geeignete Habitate mit Nahrungsquellen für alle Entwicklungsstadien, wie etwa Blütenpflanzen für erwachsene Schlupfwespen oder Schwebfliegen, sowie ein kontinuierliches Angebot von Wirts- oder Beutetieren bereitgestellt werden. Eine dauerhafte Population natürlicher Gegenspieler soll so die Auswirkung von Schadorganismen mindern.

In einfacheren Systemen können spezi­fische Maßnahmen einzelne Nützlinge fördern, im sehr komplexen Ökosystem Wald mit meist sehr umfangreichen Gilden natürlicher Gegenspieler ist es schwer möglich, gezielte Einzelmaßnahmen zu setzten. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass eine möglichst hohe Vielfalt an Strukturen und Arten auch einen funktionierenden und vielfältigen Gegenspielerkomplex ermöglicht. Dieser kann Vermehrungen mancher Schadinsekten puffern.

Bei Arten, wie dem Buchdrucker, deren Dynamik vom Vorhandensein geeigneten Brut­materials angetrieben wird, kann dieser Gegenspielerkomplex allerdings nicht die Entstehung einer Massenvermehrung verhindern, wenn etwa windgeworfenes Holz nicht rechtzeitig entfernt wird.

Biodiversität braucht Forstschutz

Dass ausgefeilte Forstschutzkonzepte notwendig sind, um zu verhindern, dass Prozessschutzgebiete aufgrund von Schädlingsmassenvermehrungen zum Problem werden, wurde bereits oben dargelegt. Als zweite, sehr bedeutende unter­stützende Wirkung des Forstschutzes für den Schutz der Biodiversität ist die Bekämpfung und Eindämmung eingeschleppter, invasiver Schadorganismen zu nennen.

Die Ulmenwelke brachte die heimischen Ulmenarten in massive Bedrängnis, aktuell ist die Esche vom aus Ostasien stammenden Eschentriebsterben bedroht, jeweils mit negativen Konsequenzen für die Vielfalt im Wald durch den Ausfall derart bedeutender Mischbaumarten. In beiden Fällen werden sich die Krankheitserreger nicht mehr ausrotten lassen. Der Forstschutz kann hier nur mehr arter­haltend unterstützend eingreifen.

Umso wichtiger ist es, alarmbereit Schadorganismen zu beobachten, die vor unseren Toren stehen. Der Kiefernholznematode, Erreger der Kiefernwelke, sei als eines der bedrohlichsten Beispiele genannt. Der in Nordamerika heimische Fadenwurm verursacht seit seiner Einschleppung nach Ostasien im zwanzigsten Jahrhundert dort sehr hohe Ausfälle bei den Kiefern. Im Jahr 1999 wurde der Kiefernholznematode erstmals in Portugal entdeckt, seither fielen ihm auf großer Fläche tausende Kiefern zum Opfer. Der Ausfall der Kiefer hat gravierende Auswirkungen auf die Ökosysteme, in den meisten Fällen wurden die abgestorbenen Wälder in Portugal mit Eukalypten neu bepflanzt (Notfallplan für Österreich).

Rigorose Maßnahmen sind nötig, um die weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Einzelne, punktuelle Einschleppungen nach Spanien werden ­einem Ausrottungsprogramm unterzogen. Im Radius von 500 m werden alle Wirtsbäume (das sind fast alle Nadelbäume) gefällt, gehäckselt und verbrannt; im weiteren Umkreis findet intensives Monitoring statt. Diese Bekämpfungsmaßnahmen sind radikal, aber notwendig - ungeachtet des mittelfristig negativen Effektes auf viele Arten.

Ansonsten sind nachhaltig negative Auswirkungen auf die betroffenen Waldökosysteme zu erwarten. Von der Krankheit bedroht sind die meisten Koniferenarten. Den Überträgern, Bockkäfern der Gattung Monochamus, die sich in absterbenden Bäumen entwickeln, muss besondere bekämpfungstechnische Aufmerksamkeit gewidmet werden. Allersauberste Waldwirtschaft ist also nötig, mit negativen Konsequenzen wie oben dargestellt.

Es zeigt sich, dass in diesen beson­deren Fällen auch drastische Waldschutzmaßnahmen gerechtfertigt sind, um langfristig die Biodiversität zu schützen. Wie immer sind die Dinge bei näherer Betrachtung nicht simpel – es bleibt der Schluss: Forstschutz und Biodiversitätsschutz sind Gegner und Verbündete.