Lose, ungebundene Holzwolle ist ein vielseitig einsetzbarer, hochwertiger Holzwerkstoff. Lange vernachlässigt, findet er heute wieder auf den Markt zurück. Ein Schweizer Unternehmen produziert rund 180 verschiedene Sorten und entwickelt neue Anwendungen – auch interessant für Buchenholz.

Die Holzwolle, ein im Kunststoffzeitalter in den Hintergrund gerückter und verkannter Holzwerkstoff, erlebt derzeit eine Renaissance. Er kann seine wiederentdeckten Stärken – Nachhaltigkeit, Reinheit, hygienische Eigenschaften und Vielseitigkeit – heute zunehmend besser ausspielen. Holzwolle im heutigen Sinn wird seit etwa 1840 industriell durch ein in Amerika entwickeltes mechanisches Verfahren aus entrindetem Nadel- und Laubholz hergestellt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ist Holzwolle inklusive seiner Herstellung und Verwendung immer wieder Thema in führenden deutschsprachigen Zeitschriften für Technik und Naturwissenschaften wie im "Dingler‘s Polytechische Journal".

In der Schweiz ist die Lindner Produktions AG , Wattwil (SG), derzeit die einzige Firma, die Holzwolle herstellt. Das Unternehmen begann 1919 als Manufaktur. Heute wird zwar mit modernen Maschinen gearbeitet, aber die Herstellung von Holzwolle erfordert immer noch viel Handarbeit. Der Maschinenpark ist speziell auf die Anforderungen der Produktion von hochwertigen Holzwollen in den unterschiedlichsten, an verschiedene Verwendungen angepasste Breiten, Dicken und Längen ausgerichtet – derzeit gut 180 verschiedene Sorten. Das Rohmaterial ist ausschliesslich FSC- und PEFC-zertifiziertes Schweizer Holz, welches nach eigenen, strengen Qualitätskriterien eingekauft wird. Im Gegensatz zu ihrem Ruf hat Holzwolle nichts Verstaubtes an sich. Sie wird während der Produktion gründlich gereinigt, störende Holzsplitter werden ausgeschieden und zu begehrtem, trockenem Sägemehl verarbeitet. Die anfallenden Restholzstücke werden energetisch genutzt.

Holzwolle gemäss dem Schweizer Holzwolle-Standard

"Holzwolle ist ein hochwertiger naturbelassener Werkstoff in Form von gleichmässigen feinen und bis zu 500 mm langen, elastischen, losen, holzsplitterfreien und quasi staubfreien Holzwolle-Fäden. Diese werden aus entrindeten und bis auf 13% Holzfeuchte luftgetrockneten Baumstämmen der höchsten Qualitätsklassen (nach FSC und PEFC zertifiziert) hergestellt. Eingesetzt wird die Holzwolle als Füll-, Stopf-, Polster-, Dämm-, Isolations- und Filtermaterial in unzähligen Branchen für anspruchsvolle Problemlösungen und Produkte, aber auch in der Hygiene sowie für die Verpackung empfindlicher Produkte und Lebensmittel."

Breite Produktpalette

Die Holzwolle-Produktpalette umfasst neben Tierhaltung mit den Sparten Euterhygiene, auch Einstreu- und Nistmaterial, Garten- und Gemüsebau, Erosionsschutz (Holzwollmatten), Begrünungen, Winterschutz für Pflanzen, Anzündhilfen oder Verpackungen. Ursprünglich wurde Holzwolle für Wundverbände und im Hygienebereich eingesetzt. Die ersten Tampons für die Monatshygiene der Frauen waren aus Holzwolle. Mitte des letzten Jahrhunderts verdrängten synthetische Stoffe Hygieneprodukte aus Holzwolle.

Anwendungen in der Tierhaltung

Heute spielt Holzwolle bei der Euterhygiene in der Milchwirtschaft eine bedeutende Rolle. Zum Reinigen des Euters von Kühen, Ziegen und Schafen ist Holzwolle nicht nur konkurrenzlos preiswert, sie verkürzt auch durch das Anregen des Milchflusses die Melkzeiten. Nach Gebrauch kann sie problemlos mit dem Stallmist entsorgt oder zum Anfeuern verwendet werden.

In der Haustierhaltung wird Holzwolle wegen der leichten, staubfreien Handhabung, der grossen Saugfähigkeit und der geruchsbindenden Eigenschaften für Tiere jeder Grösse, vom Hamster bis zum Pferd, geschätzt. Kleinsäugern dient das entsprechende Holzwolle-Erzeugnis, wie sich ein Tierarzt ausdrückte als "Antidepressivum", da sie sich mit ihr "artgerecht beschäftigen" können. Bei wertvollen Sportpferden ist die Staubfreiheit zum Schutz der Atemwege ein gewichtiges Argument für die Holzwolle. Das Konkurrenzprodukt Stroh ist heute vielfach, vor allem wenn es importiert wird, stark mit Pestiziden belastet und mit gefährlichen Kunststoffpartikeln, Teilen von Getränkedosen usw. verunreinigt.

Verpackungsmaterial und Anzündhilfen

Bei der Produktion empfindlicher Früchte und Gemüse ist Holzwolle kaum wegzudenken. Beim Anbau von Erdbeeren beispielsweise verhindert die Holzwolle das Verschmutzen der Früchte, Schneckenfrass, Schimmelbefall und das Aufkommen von Unkraut. Dank einer ausgesuchten Rohholzmischung enthält dieses Holzwolle-Produkt besonders viel ätherische Öle, Gerb- und Faserstoffe, welche die Schnecken nicht mögen. Holzwolle wird auch als Verpackungsmaterial geschätzt, vor allem in Bereichen mit erhöhten Ansprüchen an die Nachhaltigkeit, denn sie lässt sich nach getanem Dienst problemlos energetisch nutzen oder kompostieren.

Besonders bei Verpackungen für edle Weine und Spirituosen, Trockenfleisch, Salami, Lebensmittelkörbe oder hochwertige Glaswaren, spielt Holzwolle diese Qualitäten aus. Zum Umsatz trägt die sog. Logistikholzwolle allerdings nur 5% bei. Mit den verschärften Vorschriften für Holzfeuerungen haben alte Zeitungen und Ähnliches als Anzündhilfen ausgedient oder sind sogar ausdrücklich verboten. Naturbelassene, mit hochwertigem Lebensmittelparaffin getränkte Holzwolle gewinnt als Anzündhilfe zunehmend Marktanteile.

Holzwolle-Matten – ein Zukunftsprodukt mit Buchenholz

Holzwolle-Matten (Howolis) sind Steppverbindungen aus Holzwolle verschiedener Holzarten und Jute oder abbaubarem Polypropylen. Dank ihrer guten mechanischen Eigenschaft und ihrer biologischen Abbaubarkeit eignen sie sich gut für den Bodenschutz und die Begrünung von Freiflächen. Mit unterschiedlichen Holzwolle-Rezepturen kann die Dauer des Verrottungsvorganges exakt gesteuert werden. Eine zentrale Rolle bei diesen Rezepturen spielt Buchenholz, dessen Einsatzmöglichkeit derzeit in einem Projekt des Eidgenössischen Fonds zur Förderung der Wald- und Holzwirtschaft unter Federführung der Lindner Suisse GmbH in Labortests und Praxisversuchen untersucht wird.

Mit der Herstellung von Holzwolle-Matten soll ein neuer Absatzkanal für einheimisches Buchenholz erschlossen und die zunehmenden Vermarktungsprobleme für diese Holzart gelindert werden. Angesichts der Klimaveränderung mit den zunehmenden Starkregen-Ereignissen ist der Erosionsschutz eine Anwendung mit grossem Potenzial für die Holzwolle. Ein anderes Einsatzfeld ist der Forststrassenbau. Werden dort Holzwolle-Matten eingesetzt, schliesst sich auch der Kreis zum Rohstoff Holz.

Bei Arvenduft schlafen

Ein ehemals wichtiger Einsatzbereich von Holzwolle – Bettwaren- und Möbelposter – wurde 2010 mit der Produktion von Kopfkissen aus Mondphasen-Holz wieder belebt. In der Nackenrolle des Kissens steckt das im Winter bei abnehmendem Mond geschlagene Mondphasenholz von Apfelbaum, Waldkirsche, Föhre oder Arve. Dieses Holz ist zu Holzwolle verarbeitet und mit Schafwolle umhüllt. Besonders den Holzarten Arve und Föhre werden positive Einflüsse auf den Schlaf und die Gesundheit nachgesagt. Auf dem Etikett und dem Produktepass des Kissens lässt sich der Einschlagszeitpunkt und die Herkunft des Holzes einschliesslich Standort des Baumes ablesen.