Holz, das ausserhalb der Wälder wächst, wird als Flurgehölz bezeichnet. Es gedeiht auf Grünflächen entlang von Strassen und Bahnen, in Alleen, im Uferbereich von Fliessgewässern, in Grünanlagen von Dörfern und Städten, aber auch im Landwirtschaftsareal, sei es in Obstanlagen, Rebkulturen oder auf nicht mehr genutzten Wiesen und Weiden, die allmählich verbuschen. Flurgehölze bereichern das Siedlungsgebiet und die Landschaft, indem sie Lebensräume für Tiere und Pflanzen bieten. Doch damit sie diese Funktionen erfüllen, braucht es eine regelmässige Pflege.

Energieholz boomt

Könnte das dabei anfallende Holz einen namhaften Beitrag zur Energieversorgung leisten? Diese Frage stellt sich angesichts des wachsenden Brennholzbedarfs. 2009 verbrauchte die Schweiz gemäss Holzenergiestatistik 4,26 Millionen Kubikmeter Energieholz in Form von Waldholz, Restholz aus Sägereien, Pellets und Altholz in Spezialfeuerungen. Witterungsbereinigt - das heisst unter der Annahme, jeder Winter wäre gleich kalt - sind das über 20 Prozent mehr als ein Jahrzehnt zuvor. Der Anteil von Brennholz am Gesamtenergieverbrauch ist im selben Zeitraum von 2,5 auf 3,9 Prozent gestiegen.

"In den kommenden Jahren dürfte dieser Trend anhalten", schätzt Claire-Lise Suter von der Sektion Wald- und Holzwirtschaft des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). "Die Förderung erneuerbarer Energien mit Geldern aus der Teilzweckbindung der CO2-Abgabe sowie durch die kostendeckende Einspeisevergütung für Elektrizität wird sich in den nächsten Jahren spürbar auf den Energieholzverbrauch auswirken." Mehrere grössere Heizkraftwerke, die mit Holz Wärme und Strom produzieren, sind derzeit geplant oder im Bau.

Noch besteht auch auf der Holzproduktionsseite Steigerungspotenzial. Die Energieholznutzung aus dem Wald, die 2009 gemäss Forststatistik einen Umfang von rund 1,6 Mio. m3 erreichte, liesse sich noch weiter erhöhen. Dies wäre möglich, ohne dem Wald zu schaden, aber auch ohne andere Verwendungszwecke zu konkurrieren, denn bei jedem forstlichen Eingriff fällt Holz von geringerem Wert an. Dazu gehören grobe Äste und krumme Stämme, die nur als Industrie- oder als Energieholz verwertbar sind. Die "Ressourcenpolitik Holz" des BAFU, eine Leitplanke für den nachhaltigen und ressourceneffizienten Einsatz dieses einheimischen Rohstoffs, setzt eine jährliche Waldenergieholznutzung von bis rund 3,1 Mio. m3 als Zielgrösse. Bei der angestrebten vermehrten Nutzung der hiesigen Wälder dürfte sich der Output von Restholz aus Sägereien ebenfalls erhöhen. Und auch beim Altholz, von dem heute ein Grossteil ins umliegende Ausland exportiert und unter anderem zu Spanplatten verarbeitet wird, besteht noch Spielraum nach oben.

Neue Quellen erschliessen

Die verschiedentlich geäusserten Befürchtungen, Holz könnte aufgrund unseres Energiehungers in absehbarer Zeit wieder knapp werden, sind allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen. Vor allem grössere Verbraucher richten ihr Augenmerk deshalb auch auf Holz, das ausserhalb des Waldes wächst.

Das im September 2008 in Betrieb genommene Holzheizkraftwerk der Stadt Basel - nach der Anlage der Tegra Holz und Energie AG in Domat/Ems (GR) das derzeit zweitgrösste in der Schweiz - beliefert 5500 Haushalte mit Fernwärme und Strom. Es verfeuert dazu jährlich bis zu 65'000 m3 Holz. Etwa 13 Prozent davon waren im ersten Betriebsjahr Flurholz, das je zur Hälfte aus der Schweiz und dem grenznahen Ausland stammt. Auch das Holzheizkraftwerk Aubrugg (ZH), das ab 2011 Wärme für 10'000 Haushalte und Strom für 5000 Personen produzieren wird, setzt zum Teil auf Flurholz. Im jurassischen Pruntrut steht mit dem bereits 1999 erstellten Fernwärmewerk Thermoréseau ebenfalls eine grosse Holzfeuerung in Betrieb, die pro Jahr über 3 Millionen Liter Heizöl ersetzt.

Aus lufthygienischer Sicht empfiehlt sich eine Verwertung in solchen Grossanlagen mit einer effizienten Reinigung der Rauchgase. Vor allem Flurholz, das unter anderem in der Nähe von stark befahrenen Strassen wächst oder aus dicht besiedelten Gebieten stammt, enthält im Vergleich zum Waldholz nämlich erhöhte Gehalte an Schwermetallen und weiteren Schadstoffen. Bei einer Verbrennung in Kleinfeuerungen würden diese zum Teil in die Luft entweichen.

Potenzial nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft

Während sich das Holznutzungspotenzial der Schweizer Wälder dank dem Landesforstinventar (LFI) recht genau beziffern lässt, war bisher nur ungefähr bekannt, wie viel Energieholz die Flur liefert oder liefern könnte. Dank einer Erhebung im Auftrag des BAFU und des Bundesamtes für Energie liegen nun erstmals genauere Zahlen dazu vor. Gefragt wurde nach dem "nachhaltig nutzbaren Potenzial", das niedriger ist als der Zuwachs, weil sich nicht alles Holz, das in der Landschaft wächst, auch nutzen lässt. Manche Gehölze stocken auf zu steilen Flächen, als dass sie mit vernünftigem Aufwand bewirtschaftet werden könnten, während andere schlecht erschlossen sind.

Gemäss der Studie beläuft sich das energetisch verwertbare Flurholz auf jährlich 700'000 m3. Dies entspricht gut 17 Prozent des Energieholzverbrauchs der Schweiz im Jahr 2009. Geschlagen werden derzeit etwa 580'000 m3. Davon landen 310'000 m3 oder mehr als die Hälfte schon heute in Holzfeuerungen, ein kleiner Anteil wird stofflich verwertet, zum Beispiel in Form von Schnitzeln als Abdeckmaterial, und etwa 40 Prozent bleiben vor Ort liegen und verrotten.

Mit einer Ausschöpfung des gesamten nachhaltig nutzbaren Flurholzpotenzials für die Energieversorgung liesse sich das Brennholzangebot aus der Schweiz somit durch entsprechende Mobilisierung um maximal 390'000 m3 oder etwa 10 Prozent erhöhen. Knapp 0,4 Prozent des heutigen Gesamtenergieverbrauchs könnten damit zusätzlich CO2-neutral mit Holz gedeckt werden.

Synergien mit dem Landschaftsschutz

Vor allem auf landwirtschaftlichen Nutzflächen wäre mehr zu holen. Das Potenzial liegt hier bei 300'000 m3, geschlagen werden derzeit rund 240'000 m3. Das landwirtschaftliche Flurholz besteht zu einem grossen Teil aus Gehölzen, die nicht mehr genutzte Wiesen und Weiden im Alpenraum in Beschlag nehmen. Dieser Prozess drückt sich auch in einer jährlichen Zunahme der Schweizer Waldfläche um 0,5 Prozent aus. Dabei verändert sich nicht bloss das vertraute Landschaftsbild. Oft gehen dadurch auch naturschützerisch wertvolle Flächen - wie zum Beispiel Trockenstandorte - verloren. Es wäre daher auch im Hinblick auf den Landschaftsschutz und die Erhaltung der Biodiversität sinnvoll, hier mehr zu holzen, was aber mit hohen Kosten verbunden ist. Eine bessere Verwertung des anfallenden Holzes könnte dafür die nötigen Anreize schaffen. In der Studie wird deshalb vorgeschlagen, mit Pilotprojekten innovative Lösungen zu entwickeln, die eine Flurholznutzung auf einwachsenden Flächen im Alpenraum rentabel machen könnten.

Markus Thommen von der Sektion Landschaft und Landnutzung im BAFU sieht in der vermehrten Flurholznutzung noch eine weitere Chance für Natur und Landschaft: "Wenn Flurholz einen Wert erhält, werden längerfristig auch mehr Gehölze angelegt und so Lebensräume geschaffen. Namentlich im Uferbereich bestehen hier noch erhebliche Defizite: Ein Grossteil der Ufer unserer Fliessgewässer ist noch unbestockt."

Unterschiedliche Erlöse

Der mit Flurholz zu erzielende Preis hängt natürlich von dessen Qualität, den Kosten für die Bereitstellung sowie der regionalen Nachfrage ab. Während hochwertige Hackschnitzel 140 Franken pro Tonne einbringen können, zahlt man bei nassem Staudenmaterial denselben Betrag als Entsorgungsgebühr drauf. Zudem ist der Heizwert der Pflanzen unterschiedlich. Dass derzeit bloss etwas mehr als die Hälfte des anfallenden Flurholzes energetisch verwertet wird, sei auch darauf zurückzuführen, dass die für die Bewirtschaftung verantwortlichen Stellen nur unvollständig über die Absatzmöglichkeiten informiert seien, heisst es in der Studie: "Gleichwertiges Material wird an einigen Orten verkauft, während anderenorts dafür Entsorgungsgebühren bezahlt werden." Mehr Transparenz, Erfahrungsaustausch, das Prüfen verschiedener Verwertungswege und die Optimierung der Logistik könnten deshalb ebenfalls dazu beitragen, das Potenzial von Flurholz für die Energieversorgung besser auszuschöpfen.

(TR)