Das Lawinensimulationsmodell SAMOS-04

Lawinendynamische Modelle sind Stand der Technik in der Beurteilung von Lawinenge­fahren. Sie werden überwiegend in der Gefahrenzonenplanung und bei der Optimierung von Schutzmaßnahmen verwendet. Mit SAMOS-04 liegt nun das Nachfolgemodell des bewährten Lawinensimulationsmodells SAMOS-99 vor.

SAMOS-99 (Snow Avalanche MOdelling and Simulation) war das erste Modell, das die Kräfte von Katastrophenlawinen dreidimensional berechnete. Es wurde für über 100 Lawinenstriche angewendet und hat maßgeblich zur Verbesserung der Schutzmaßnahmen beigetragen.

Die Modelle sind eine Entwicklung von AVL-List, Graz, im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Sie entstanden in Zusammenarbeit mit dem Forsttechnischen Dienst der Wildbach- und Lawinenverbauung und dem Bundesforschungs- und Ausbildungszentrums für Wald, Naturgefahren und Landschaft.

Dreidimensionales Modell

Richtungweisend war die Annahme, dass eine Staub­lawine nichts anderes ist als ein sich turbulent bewegendes Feststoff-Luft-Gemisch. Die AVL konnte auf Computersimulationsmodelle für einen ähnlichen Anwendungszweck zurückgreifen, nämlich die Berechnung von Diesel-Einspritzmotoren (Kraftstoff-Luft-Gemisch). SAMOS berechnet als einziges Modell den Fließ- und Staubanteil einer Lawine (Abbildung 1).

Lawinen erodieren und nehmen während des Hinunter­strömens sehr viel Schnee aus der Sturzbahn auf. In manchen Fällen kann die so erodierte Schneemasse sogar größer sein als die eigentliche Abbruchmasse. Dies wird im SAMOS-Modell berücksichtigt.

Weiters gibt es im SAMOS-Modell die so genannte Resuspensionsschicht: Je schneller der Fließanteil einer Lawine und je kleiner die Lawinenpartikel, umso höher ist der Anteil, der in den Staubanteil übergeht (und umgekehrt auch wieder absinken kann). Dieser Mechanismus wird in der Resuspensionsschicht ge­steuert.

Die Neuerungen

Skalierung des Raumgitters: Im Bereich von Schutzbauten kann die räumliche Genauigkeit der Berechnung erhöht werden. Dies bringt vor allem bei der Dimensionierung von Lawinendämmen oder der Optimierung von Gebäuden enorme Vorteile.

Variabler Bettreibungswinkel: Gerade bei kleinen Lawinen war die bisherige Annahme einer konstanten Reibung (Bettreibungswinkel) problematisch. In SAMOS-04 können über einen variablen Bettreibungswinkel auch kleine Lawinen realitätsnäher nachgestellt werden.

Sekundäre Anrissgebiete: In vielen Fällen lösen Lawi­nen während der Bewegungen weitere Lawinen aus (sekundäre Anbruchgebiete). In SAMOS-04 können nun sekundäre Anbruchgebiete definiert und bei der Simulation berücksichtigt werden.

Benutzeroberfläche verbessert: Auch die graphische Benutzeroberfläche von SWIFT wurde für SAMOS-04 angepasst. Als neue Import- und Exportfilter kommen das SHAPE-Format und das E00-Format (beide Fa. ESRI) hinzu. Die maßgeblichste Erweiterung der Benutzeroberfläche betrifft die Analyse der Berechnungsdaten, wie etwa die Darstellung der Ge­schwindigkeit und der Drücke entlang benutzer­definierter Profillinien.

Was liefert SAMOS?

Abbildung 2 zeigt, wie Simulationsergebnisse üblicherweise dargestellt werden. Im Detail können aber viel mehr Informationen aus jeder einzelnen Simulation erhalten werden:

  • maximale Geschwindigkeit, Dichte und Druck an jedem Punkt im Gelände
  • Fließhöhen und bewegte Massen an jedem Punkt im Gelände
  • Geschwindigkeit-, Dichte- und Druckverteilung in verschiedenen Höhen über dem Boden (dies ist vor allem bei Staublawinen wichtig, die ihre größte Kraft nicht am Boden besitzen)
  • Geschwindigkeit, Dichte und Druck entlang von wichtigen Profilen.

Alle Informationen können dabei sowohl für den Staub- als auch den Fließanteil geliefert werden (mit Ausnahme der Druckverteilung über die Höhe bei Fließ­lawinen).

Weiterentwicklung von SAMOS durch das BFW

Mit dem institutseigenen Lawinenradar und den Druckplatten können die Front- und Partikelgeschwindig­keiten, aber auch die Kräfte von echten Lawinen gemessen werden. Diese werden mit den simulierten Größen verglichen, um Rückschlüsse auf die Realitätsnähe zu ziehen.

Ein großes Problem stellen derzeit noch Simulationen von Lawinen dar, die in einen Wald einstoßen. Gemeinsam mit der WLV und der Landesforstdirektion Tirol werden gerade die Daten von interessanten Einzelfällen gesammelt, um die Reibungsparameter bei diesen schwierigen Bedingungen zu optimieren.

Ab dem Winter 2005/2006 können mit dem neuen Laserscanner des Institutes außerdem die Ab­lagerungs­volumina und die Schnee-Erosion mit hoher Genauigkeit gemessen und wiederum mit den Simulationen verglichen werden.