Lawinen in der Radarfalle

Vallée de la Sionne in der Schweiz im Winter 2004: Ein Hubschrauber fliegt zum Bergkamm. Dort werden 15 Kilo Sprengstoff positioniert und entzündet. Innerhalb kürzester Zeit löst sich ein großes Schneebrett, das mit Geschwindigkeiten bis zu 200 km/h den Lawinenzug Creta Besse runter donnert. Und an diesen Geschwindigkeiten sind Forscher des Bundesforschungs- und Ausbildungszentrums für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW), Innsbruck, interessiert.

Denn gute Berechnungsmodelle benötigen nicht nur Anriss- und Ablagerungsdaten, sondern auch Informationen über die Geschwindigkeiten und Druckwirkungen von Lawinen. Im speziellen Fall wird die Geschwindigkeit mit Radargeräten bestimmt; Informationen über die Druckwirkung liefern Messinstrumente, die an Hindernissen (zum Beispiel Verbauungen) in der Sturzbahn montiert sind. Insbesondere für die Gefahrenzonenplanung ist dies von großer Bedeutung, weil man mit den Informationen über die Druckwirkung die gelbe und rote Gefahrenzone ausscheiden kann.

Das Forschungsgebiet im Vallée de la Sionne im Kanton Wallis wird vom Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung betrieben, das zur Forschungsanstalt WSL gehört. In diesem Testgebiet werden jeden Winter Lawinenexperimente durchgeführt, um die dynamische Struktur von Fließ- und Staublawinen mit verschiedenen Methoden zu vermessen und die Kräfte und Auswirkungen von Lawinen auf ihre direkte Umwelt zu erfassen. Die erhobenen Daten werden unter anderem dazu verwendet, physikalische Modelle zu überprüfen und zu kalibrieren, die in der Lawinenwarnung eingesetzt werden.

Lawinenradar misst Geschwindigkeit und Entfernung

Das Institut für Naturgefahren und Waldgrenzregionen des BFW verwendet ein gepulstes Doppler-Lawinenradar für die Messung räumlich und zeitlich aufgelöster Geschwindigkeits- und Turbulenzparameter. Das Radarsystem sendet kurze Mikrowellenimpulse aus und analysiert die Echos, die von den vom Antennenstrahl getroffenen Objekten (Schnee, Lawine) reflektiert werden. Mit dem Lawinenradar können somit nicht nur Geschwindigkeiten, sondern auch die dazugehörigen Entfernungen gemessen werden.

Dies erfolgt durch eine quasi gleichzeitige Auswertung von Doppler-Frequenzen von einer Anzahl aneinander gereihter Abschnitte der Lawinenbahn. Dieses so genannte Range-Gating ermöglicht eine räumliche und zeitliche Zuordnung der gemessenen Echointensität, Geschwindigkeits- und Turbulenzparameter entlang der Lawinenbahn.

Das Lawinenradar ist mit zwei Antennen für unterschiedliche Frequenzen (5,8 GHz und 35,8 GHz) ausgestattet. Warum zwei Frequenzen? Weil die niedrigere den Staubanteil der Lawine durchdringt und Reflexionen nur vom Fließanteil bringt, während die hohe Frequenz von den kleinen Schnee- und Eispartikeln der Staubwolke reflektiert wird (Abbildung).

Europaweit einzigartiges Gerät

Da das Lawinenradar des BFW europaweit ein einzigartiges Gerät ist, werden auch im Ausland, zum Beispiel Schweiz und Norwegen, Messungen durchgeführt.

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