Der Walderhalt und die Gestaltung zukunftsfähiger Wälder erfordern einen reibungslosen Informationsfluss zwischen den Akteuren – gerade angesichts der Zunahme von Waldschutzthemen und einer wachsenden Anzahl von Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern. Könnte dieser Informationsfluss mit einer App-gestützten Kommunikation zwischen Waldinteressierten, Waldbesitzern und Bewirtschaftern einerseits und der Forstverwaltung andererseits besser gelingen?

Wachsende Herausforderungen

Der Klimawandel führt zu einer Temperaturzunahme und zu mehr klimatischen Extremen. Während Waldbäume dadurch geschwächt werden, bedeutet dies für viele Insekten einen Entwicklungsvorteil. Diese vielen potenziell waldschädlichen Insekten treffen auf eine Zunahme an Brut- und Lebensraum – sei es durch Störungsereignisse oder auch durch die klimatische Prädisposition der Wirtspflanzen. Käfer- und Pilzarten, die bisher in absterbenden Bäumen zu finden waren, werden zwischenzeitlich auch an Bäumen gefunden, die noch als vital angesprochen werden. Konkurrenzverhältnisse verschieben sich aber nicht nur zwischen Wirt und Schadorganismus, sondern auch zwischen beispielsweise den Arten selbst. Zudem können sich viele der neu eingeschleppten Arten bei steigenden Temperaturen leichter etablieren.

Auch auf der Seite der Gesellschaft vollziehen sich viele Veränderungen: Die Ziele der Waldeigentümer werden vielfältiger. Das Wissen über die Zusammenhänge im Wald und die Kenntnis der Arten scheint hingegen teilweise abzunehmen. Gleichzeitig steigt das Interesse der breiten Öffentlichkeit am Wald.

Für öffentliche Forstverwaltungen stellt sich daher die Frage, wie sie einerseits die bisher nicht erreichten und die neuen Akteursgruppen erreichen können und wie sie andererseits einem zunehmenden Beratungsbedarf zu Waldschutzthemen auf der Fläche gerecht werden können. Eine weitere Herausforderung stellt die Gestaltung des Informationsflusses von waldschutzrelevanten Informationen auf die Fläche einerseits und Fragen, Rückmeldungen und Hinweisen aus der Fläche zurück an die Forstverwaltungen andererseits dar. Dazu müssen sowohl fachliche als auch technische Aspekte rund um die Schnittstellen und die Systemarchitektur bedacht werden.

Im Forschungsprojekt "Waldschutzplattform WaSP" wird ein Lösungsansatz für diese Herausforderung gesucht. Dazu soll ein Prototyp einer Informations- und Kommunikationsplattform entworfen werden.

Welchen Bedarf gibt es?

Im Rahmen einer Vorstudie zum Forschungsprojekt wurden Akteure aus der forstlichen Praxis in Bayern befragt. Diese wurden unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gefährdungslage im Norden und Süden Bayerns und der unterschiedlichen organisatorischen Zugehörigkeiten ausgewählt (Revierleitungen der Forstverwaltung, aus dem Staatswald, dem Körperschaftswald, von forstlichen Zusammenschlüssen, Privatwald).

Die Initiative einer Informations- und Kommunikationsplattform zur Unterstützung des Waldschutzes in Bayern wurde dabei grundsätzlich positiv bewertet, vor allem von Akteuren aus kleineren Organisationen. Besonders hilfreich wird auch ein Einsatz im Kleinprivatwald als Ergänzung zur Beratungstätigkeit der Forstverwaltung bewertet. Neben einem Hilfsmittel zur Bestimmung unbekannter Schaderreger wären nach Aussagen der Praktiker u. a. ein allgemeines Informationsportal, eine Verbreitungs- und Empfangsmöglichkeit für regionalspezifische Informationen sowie die Möglichkeit der Erfassung von Waldschäden und Schaderregern hilfreiche Funktionalitäten.

Bestehende mobile und webbasierte Anwendungen

... zur Datenerfassung

Die öffentlichen Forstverwaltungen erheben regelmäßig – zum Teil über die forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalten – abiotisch und biotisch bedingte Veränderungen des Waldzustands. Dazu wird eine immer größer werdende Palette unterschiedlicher digitaler Hilfsmittel genutzt. Die terrestrische Erfassung von Schaderregern und Schadereignissen durch das forstliche Personal der Verwaltungen (Waldschutzmeldewesen) ist etablierter Standard. Die Erhebung und Dokumentation dieser Informationen läuft meist innerhalb betrieblicher, mitunter GIS-basierter Softwarelösungen (z.B. Bayerisches Wald-Informationssystem, BayWIS). Zum Teil stehen dem Personal auch mobile Anwendungen zur Verfügung, welche eine einfache und einheitliche Dokumentation auf dem Endgerät sowie eine bruchlose Datenübertragung ermöglichen (z. B. die Borkenkäfer-App innerhalb des BayWIS; vgl. Abb. 2.2). Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang die Anwendung "Schadensmeldungen mobile" als Ergänzung zum Waldschutz-Meldeportal der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) dar, welche nicht nur von den öffentlichen, sondern auch von privaten Forstbetrieben im Zuständigkeitsbereich der NW-FVA nach einer Registrierung genutzt werden kann.

Für das Monitoring großflächiger Ereignisse werden Methoden der Fernerkundung angewendet und weiterentwickelt. Über die (automatisierte) Auswertung von Satelliten- und Luftbildern können somit rasch Informationen über aktuelle Entwicklungen auf großer Fläche zur Verfügung gestellt und als Entscheidungsgrundlage genutzt werden. So bietet beispielsweise das Internetportal Waldinfo.NRW die Möglichkeit, über eine automatisierte Auswertung von Satellitenbildern die Entwicklung der Vitalität von Nadelbäumen in Nordrhein-Westfalen zu beobachten und das Risiko eines Borkenkäferbefalls abzuschätzen. Diese Informationen können beispielsweise für eine Priorisierung von Flächen für die Bohrmehlsuche genutzt werden.

Abgesehen von den behördlichen Monitoring-Verfahren ist in Deutschland auch ein Meldesystem in Entwicklung, welches die Option bietet, Waldschäden über eine mobile Anwendung zu erfassen und zu melden sowie Rückmeldungen durch Experten verschiedener Fachbereiche zu den Beobachtungen zu empfangen (WALD-WIKI-Meldesystem). Das bundesweite Angebot richtet sich in erster Linie an Waldbesitzer und Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse in Deutschland und wird von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e. V. (AGDW – Die Waldeigentümer) zur Verfügung gestellt.

Über die Anwendung "WaldKat mobile" können Waldbesitzer in Niedersachsen mit ihrem Smartphone (sowie den notwendigen Grundkenntnissen der Schadenserkennung) Schäden im Bestand erfassen und an die Landwirtschaftskammer Niedersachsen melden. Nach deren Bestätigung durch Fachpersonal werden die Daten an das Waldschutz-Meldeportal weitergegeben.

Größere Forstbetriebe verfügen in vielen Fällen über eine unternehmenseigene Softwarelösung für das Management von Schaderregern. Beispielsweise nutzt das Unternehmen Bayerische Staatsforsten AöR eine mobile Anwendung (ZE-Insekt) zur Erfassung des Borkenkäferbefalls. Die erhobenen Informationen werden laufend synchronisiert und stehen allen am Aufarbeitungsprozess Beteiligten zur Koordination und Durchführung der notwendigen Maßnahmen zur Verfügung.

Weitere mobile Anwendungen (z. B. glforest mobile, ForestManager, LogBuch, Waldinfoplan, WoodsApp) können von Waldbesitzern, Forstbetrieben und Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen für die Erfassung von Schadereignissen und das betriebliche Monitoring sowie zur Übermittlung der Standorte für die Aufarbeitung an die beteiligten Dienstleister genutzt werden. Neuere Entwicklungen bei den Angeboten von (mobilen) Anwendungen für Waldbesitzer und Waldbewirtschafter umfassen auch einen Monitoring-Service zur frühzeitigen Erkennung von Gefährdungen. Dazu werden automatisierte Auswertungen von periodischen Satelliten- und Luftbildern durchgeführt und Veränderungen der Baumvitalität abgeleitet (z. B. Waldstolz, WoodsApp).

... zur Informationsweitergabe

Umfangreiche Informationen zum Waldschutz werden über Newsletter oder die Internetportale der verschiedenen Landesanstalten bereitgestellt. Darüber hinaus bieten die behördlichen Institutionen vor allem über das forstliche Personal vor Ort persönliche Beratungen zu verschiedenen Fragestellungen des Waldschutzes an. Diese beinhalten beispielsweise die Unterstützung bei der Bestimmung von Schaderregern oder Handlungsempfehlungen unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten. Bei Bedarf können die jeweiligen Ansprechpartner mit den Kontaktinformationen, z. T. über interaktive Webanwendungen (z. B. Försterfinder, BayFoV), von den Forstbetrieben und Waldbesitzern ausfindig gemacht werden.

Zur verbesserten Ansprache und Erhöhung der Handlungsbereitschaft im Kleinprivatwald wurde in diesem Zusammenhang von der FVA in Freiburg auch eine mobile Anwendung (WaldExpert) entwickelt, welche standortbasierte Informationen zum eigenen Waldbesitz und weiterführendes Wissen zur Forstwirtschaft vermittelt und für ein niederschwelliges Beratungsangebot eine einfache Kontaktmöglichkeit zu den zuständigen betreuenden Einrichtungen anbietet.

... zur Bestimmung von Schadorganismen

Für den Waldbesitzer oder den Waldbewirtschafter mit geringeren Fachkenntnissen ist bei Auftreten eines biotischen Schadereignisses zunächst die Bestimmung des Schaderregers wichtig, gefolgt von Informationen über Handlungsoptionen.

Angesichts der eingangs beschriebenen Entwicklungen ist davon auszugehen, dass dieser Bedarf weiter an Bedeutung gewinnen wird. Für die Bestimmung von Insekten und Pilzen steht eine wachsende Palette verschiedener mobiler Anwendungen zur Verfügung (z. B. iNaturalist, Insektenwelt, Arbus Baumpilze), welche z. T. über automatisierte Bilderkennung oder den Austausch zwischen Nutzern und Experten eine Unterstützung anbieten. Bei der Feststellung eines Schadereignisses ist jedoch im Regelfall der biotische Erreger (Insekt, Pilz) nicht unmittelbar sichtbar. Lediglich die Symptome sind für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer zu erkennen. In diesen Fällen können bereits seit längerer Zeit verschiedene Datenbanken zur Diagnose oder Eingrenzung der möglichen Schaderreger online genutzt werden:

Auch wenn der primäre Fokus der Diagnosehilfe Arbofux (Hochschule Weihenstephan-Triesdorf) im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus liegt, ist eine Anwendung auch im forstlichen Kontext möglich und in der Praxis gebräuchlich. Neben der Unterstützung bei der Bestimmung von Schaderregern werden auch umfangreiche Informationen zu den einzelnen Erregern, zur Vorbeugung und zu integrierten Bekämpfungsmaßnahmen sowie die Möglichkeit einer Diagnoseanfrage über die Einsendung von Fotos angeboten.

Für die Diagnose von Wald- und Baumschäden wurde in der Schweiz (WSL) die Anwendung „Diagnose Online“ entwickelt. Auch hier können über die Angaben zum Schadereignis (betroffene Baumart, Schadsymptome) mögliche Schaderreger eingegrenzt oder bestimmt werden und es werden ausführliche Informationen zu den möglichen Erregern zur weiteren Eingrenzung zur Verfügung gestellt.

Auch das österreichische Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW) hat ein vergleichbares Schadensdiagnose- und Informationssystem (SDIS) entwickelt, welches über die Angabe der betroffenen Baumteile oder der betroffenen Baumart eine Eingrenzung ermöglicht und zusätzlich zu den Informationen zu den verschiedenen Schaderregern eine interaktive Karte mit bestätigten Fundorten anbietet. Die beispielhaft genannten Anwendungen sind in Abbildung 4 zusammengefasst.

Potenzial einer Informations- und Kommunikationsplattform

Wie aus den Beschreibungen der verfügbaren Anwendungen hervorgeht, bestehen bereits verschiedene Entwicklungen. Diese decken aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielsetzung meist nur einzelne Funktionalitäten ab. Demnach ergibt sich aus unserer Sicht folgendes Potenzial:

Digitalisierung heißt Vernetzung und Integration: Eine App-Lösung, die in eine Waldschutzplattform eingebunden ist, könnte für forstliche Akteure interessant sein, die in die betreffenden Kommunikationsprozesse weniger integriert (z. B. Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse) oder nur schwierig zu erreichen waren (z. B. Teile der urbanen Waldbesitzerschaft). Abgesehen von den Optionen einer inhaltlich gezielten behördlichen Informationsverbreitung (vgl. WaldExpert) wäre über eine regionale Vernetzung der behördlichen Ansprechpartner mit Waldbesitzern und Waldbewirtschaftern ein positiver Beitrag für eine effiziente Zusammenarbeit im Waldschutz denkbar. Dazu muss eine App-Lösung zwingend in eine Plattform eingebunden sein, um die nachgelagerten Arbeitsschritte einer öffentlichen Forstverwaltung als auch deren Kommunikation an die Anfragenden abbilden zu können.

Ergänzung zum Monitoring forstlicher Schaderreger: Das Monitoring von forstlichen Schaderregern führen in Bayern bisher die Bayerische Forstverwaltung (für den Privat- und Körperschaftswald) und die Bayerischen Staatsforsten AöR (für den Staatswald) durch. Mit Blick auf die klimatischen Veränderungen und das verstärkte Auftreten neuartiger Schaderreger bietet eine zusätzliche Einbindung der forstlichen Öffentlichkeit (vgl. Schadensmeldungen mobile & WaldKat mobile) einen Zugewinn an Informationen für die Waldschutzforschung, für die Verbreitungsabschätzung insbesondere neuartiger Schädlinge und bei der Entdeckung von Befall durch Quarantäneschaderreger.

Offline-Nutzung: Einige der aufgeführten Anwendungen oder deren Funktionen sind von einer ausreichenden Netzabdeckung vor Ort abhängig und damit manchmal nicht vollwertig im Gelände nutzbar. Bei einigen Anwendungen wie der Informationsabfrage oder auch der Nutzung von Bestimmungshilfen für Schaderreger wäre eine Offline-Nutzung wünschenswert. Über die Entwicklung einer mobilen Anwendung mit den entsprechenden Funktionen könnte dahingehend eine Verbesserung erzielt werden.

Fokus der verfügbaren Diagnose- und Bestimmungshilfen: Auch wenn die verfügbaren Anwendungen bereits eine hilfreiche Unterstützung bei der Identifikation eines unbekannten Schaderregers darstellen, ist deren Fokus inhaltlich oder geografisch abweichend. Daher wäre die Integration einer auf Waldschutzfragen angepassten und offline verfügbaren Diagnosehilfe wünschenswert. Weiterhin besteht im Rahmen der fortschreitenden Entwicklungen bei der automatisierten Bilderkennung Potenzial bei der Unterstützung der Bestimmung unbekannter Schaderreger.

Ausblick

Im Rahmen des Projektes sollen die inhaltlichen und technischen Anforderungen an eine entsprechende Plattform zusammen mit dem Projektpartner Bitcomp GmbH erarbeitet werden. Die Entwicklung eines Prototyps einer mobilen Anwendung ist ebenso Teil des Projektes.

Die Umsetzung einer Informations- und Kommunikationsplattform bietet zahlreiche Chancen. Sie ist aber auch mit Risiken und Herausforderungen verknüpft (Informationsaufbereitung, Pflege der Hilfsmittel, Umfang der Anfragen und Zeitbedarf für deren Beantwortung, etc.). Ferner stellt sich die Frage, ob der App-Betrieb eines Unternehmens mit der Datenhaltung und den Arbeitsprozessen einer öffentlichen Forstverwaltung kombinierbar ist?

Das Projekt "WaSP-Waldschutzplattform" hat daher den Charakter einer Machbarkeitsstudie, die einen Soll-Prozess für bestimmte Anwendungsfälle beschreibt, die Konsequenzen aufzeigt und so als Grundlage für eine Entscheidung über einen möglichen Betrieb dienen kann.

Die Funktion der Plattform als eine Ergänzung zum bestehenden Informations- und Beratungsangebot muss eindeutig kommuniziert werden, schließlich kann die Plattform in vielen Fällen das Expertenwissen oder die Beratung vor Ort nicht ersetzen.

Letztendlich ist für die Vorteilhaftigkeit auch eine breite Akzeptanz bei allen beteiligten Nutzergruppen mitentscheidend, der Citizen-Science-Charakter lebt von der Anzahl und der Aktivität der Nutzer. Dies gilt es bereits in der Konzeption zu berücksichtigen, beispielsweise durch eine entsprechende Beteiligung der Akteursgruppen im Entwicklungsprozess oder auch durch niedrigschwellige Nutzungsmöglichkeiten (z. B. weitgehend ohne Registrierung nutzbare Funktionalitäten).