Der Eisvogel (Alcedo atthis) ist über ganz Europa verbreitet, kommt aber nirgends wirklich häufig vor. Als Brutvogel ist er in Süd-, West- und Mitteleuropa ganzjährig anzutreffen, im Norden und Osten verlässt er vor dem Winter sein Quartier und zieht in wärmere Gefilde. Bereits ab Ende Januar werden die Brutreviere wieder neu besetzt.

Der fliegende Edelstein

Der Vogel ist knapp spatzengroß, hat fast schon verkümmerte Beine und einen überdimensionalen Schnabel. Diese ästhetischen Nachteile macht er aber durch sein Gefieder wieder wett. Oberkopf, Schultern und Flügeldecken sind blaugrün gefärbt und an den Spitzen azurblau getupft, der Rückenstreifen ist türkisblau. Dazu bilden der rostrote Bauch und die Flanken einen deutlichen Kontrast.

Das schillernde Gefieder hat ihm den Namen "Fliegender Edelstein" eingebracht. Allerdings enthalten die Federn keine blauen Farbpigmente. Dadurch kann bei Präparaten die man zu stark strapaziert die blaue Farbe verschwinden. Die Strukturfarben sind auf eine besondere Lichtbrechung auf den Federn zurückzuführen.

Männchen und Weibchen sind leicht voneinander zu unterscheiden. Die Männchen besitzen einen einheitlich dunkel gefärbten Schnabel, bei den Weibchen ist die Basis des Unterschnabels rot gefärbt. Der Gesang und die Rufe des Vogels sind kurzsilbig, hoch und durchdringend.

Von erfolgreichen Berufsfischern…

Lebensraum des Eisvogels sind natürliche Uferbereiche an langsam fließenden Flüssen und Bächen sowie an Stillgewässern. Seine Nahrung besteht überwiegend aus vier bis sieben Zentimeter langen Kleinfischen, vor allem kleinen Bachforellen, Gründlingen, Elritzen, Rotaugen, Rotfedern und Stichlingen. Im Sommerhalbjahr werden auch Insekten, Kaulquappen, Schnecken und Krustentiere verzehrt. Der Nahrungsbedarf des im Schnitt 40 Gramm schweren Eisvogels beträgt etwa 50 Prozent seines Körpergewichts.

Der Eisvogel jagt meistens von einer Sitzwarte in der Ufervegetation aus, seltener im Rüttelflug. Hat er einen Fisch erspäht, stürzt er sich im Stoßflug auf ihn hinab und taucht dabei bis zu einen Meter tief. Ist die Warte, also beispielsweise die unteren Äste eines am Ufer stehenden Baumes, mehr als zwei oder drei Meter von der Wasseroberfläche entfernt, sinkt der Jagderfolg des Eisvogels deutlich.

… und fleißigen Tiefbauingenieuren

Eisvögel sind Höhlenbrüter. Die Paarbildung findet ab Ende Januar / Anfang Februar statt. Dann graben beide Partner an überhängenden oder senkrechten Steilwänden aus Lehm oder formfähigem Sand eine bis zu 90 Zentimeter lange Röhre mit einem Brutkessel am Ende. Der im Durchmesser etwa neun Zentimeter messende Tunnel wird mit dem Schnabel gegraben, mit den Beinen und dem Schwanz wird der Abraum rücklings aus der Röhre geschafft. Die Bruthöhlen werden mehrmals benutzt, wodurch sich der Durchmesser etwas vergrößert.

Geeignete Abbruchkanten sind mindestens 50 Zentimeter hoch, frei von Vegetation und dichtem Wurzelwerk. Normalerweise findet man diese an den Prallufern der Fließgewässer, wo diese noch frei mäandern und die Landschaft gestalten dürfen. Notfalls nimmt der Eisvogel aber beispielsweise auch Kiesgruben in mehreren hundert Metern Entfernung zum Wasser an.

Ab Mitte April legt das Weibchen sechs bis sieben Eier, aus denen nach drei Wochen die Jungen schlüpfen. Die Jungen sind meist nach weniger als zwei Wochen selbstständig. Danach beginnen die Altvögel mit einer neuen Brut. Sie brüten bis zu viermal pro Saison, wobei das Männchen, falls genug Nahrung vorhanden ist, auch die Bruten mehrerer Weibchen gleichzeitig versorgen kann. Eine große Jungenzahl ist notwendig, weil die Sterblichkeit bei 70 bis 80 Prozent des Jahrganges liegt. Der Grund dafür ist meist Nahrungsmangel nach harten Wintern oder Hochwassern im Frühjahr.

Der Brutbestand in Deutschland wird auf 5.600 bis 8.000 Paare geschätzt. Das ist eine leicht positive Entwicklung in den letzten Jahren. Dies ist sicherlich auch ein Verdienst naturnäherer Wasserbaumaßnahmen. Die geringen Siedlungsdichten des Eisvogels – pro zehn Kilometer Uferlänge findet man meist nur noch ein bis zwei Brutpaare (in optimal ausgestatteten Habitaten kommt ein Brutpaar mit z.T. weniger als einem Kilometer Uferlänge aus) – zeigen die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen.

Leitart für naturnahe Gewässer

Das Umweltbundesamt stuft nur noch zehn Prozent unserer Gewässer als naturnah ein. Meist ist der Uferbereich verbaut, Begradigung, Eindeichung und Staustufen unterbinden die Dynamik und Durchlässigkeit der Gewässer. Zahlreiche Charakterarten an Gewässern, darunter auch viele der einheimischen Fischarten, sind deshalb inzwischen bedroht.

Wo der Eisvogel in unserer Landschaft noch vorkommt, ist er eine Leitart für naturnahe Gewässer mit hoher Wasserqualität. Kann der "Fliegende Edelstein" ein Gebiet in hoher Dichte ganzjährig besiedeln, spricht dies für eine hohe Strukturvielfalt.