Nationalpark Schwarzwald – Gegensätze auf engstem Raum
Der 2014 gegründete Nationalpark Schwarzwald ist der einzige seiner Art in Baden-Württemberg. Er stellt mit rund 10.000 Hektar etwa 0,7 Prozent der Waldfläche des Landes unter strengen Schutz. Noch besteht er aus Nord- und Südteil, welche aber – so der im Koalitionsvertrag dokumentierte politische Wille – vereinigt werden sollen. Mit seinen weiten Wäldern, tief eingeschnittenen Karseen und den ehemaligen Störungsflächen von Sturm “Lothar” bietet er Auerhuhn, Dreizehenspecht und Co. idealen Lebensraum.
Auch die Borkenkäfer, in erster Linie der Buchdrucker, sind Teil dieses fichtenreichen Ökosystems und dürfen sich im Nationalpark ungehindert ausbreiten. Soweit alles gut – wäre da nicht auf der anderen Seite der Nationalparkgrenze ein von Forstbetrieben oder Privatwaldbesitzenden sorgsam bewirtschafteter Wald, welchen es vor Borkenkäferbefall zu bewahren gilt. Um solch unterschiedlichen Interessen im und außerhalb des Nationalparks Rechnung zu tragen, hat der Nationalpark in Kooperation mit der Abteilung Waldschutz der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) im Zuge der Parkgründung ein Borkenkäfermanagementkonzept entwickelt.
Pufferstreifen- und situatives Borkenkäfermanagement
Damit sich Käferbefall nicht ungehindert über die Nationalparkgrenzen hinweg in den Wirtschaftswald ausbreiten kann, wurde um den Park ein Pufferstreifen definiert. Er ist mindestens 500 Meter breit – zum Teil auch bis 1.000 Meter – und gehört entweder zum Nationalpark oder zum direkt benachbarten Wirtschaftswald. Fichtenbestände in diesem Streifen werden sehr intensiv alle zwei Wochen auf Frischbefall kontrolliert. Somit wird gewährleistet, dass Borkenkäfer mit hoher Wahrscheinlichkeit dort abgefangen werden, bevor eine nächste Ausbreitungswelle in den Wirtschaftswald übergreifen kann. Es wurden sogenannte Claims (Abschnitte) ausgewiesen, auf deren Waldflächen eigens zuständige Teams für die Kontrollen sorgen und erkannte Befälle sofort per App melden. Befallene Bäume werden eingeschlagen und abgefahren. Lagerlogistik und Holzvermarktung werden über ForstBW abgewickelt.
Das Pufferstreifenkonzept setzt voraus, dass im Puffer immer genügend befallsfähige Fichten vorhanden sind, damit die Käfer auf Wirtsbaumsuche nicht einfach weiterfliegen müssen.
Wo mehrjähriger Befall den Fichtenpuffer allmählich dezimiert oder wo es generell kaum Fichten im Puffer gibt (etwa auf den Grinden), braucht es bei hohem Befallsdruck im Inneren des Nationalparks erweiterte Maßnahmen zusätzlich auch in der Entwicklungszone – das sogenannte “situative Borkenkäfermanagement”. Diese Eingriffe erfolgen flexibel und unter besonderer Berücksichtigung des Artenschutzes.
Zunehmender Borkenkäferbefall im Nationalpark seit 2018
Die Befallsintensität im Nationalpark hat sich in den vergangenen Jahren, dem Landestrend folgend, deutlich erhöht. Man geht von jährlich etwa 100 bis 200 Hektar Neubefallsfläche im Nationalpark aus. Damit sind seit Parkgründung insgesamt etwa 15 Prozent der älteren Fichten befallen worden. Potenzial für die kommenden Jahre und Jahrzehnte wäre also noch reichlich vorhanden, zumal die sich ändernden Klimabedingungen das Befallsrisiko auch in den Schwarzwaldhöhen verschärfen.
Die Sorgen der umliegenden Waldbesitzenden nehmen gleichermaßen zu.
Eine solche Befallsdynamik bringt nicht nur für das Borkenkäfermanagement im Puffer große logistische Herausforderungen mit sich. Sie lässt auch die Anrainer des Nationalparks nicht kalt: Wie gut und wie lange hält der Puffer? Steigt das Befallsrisiko im umliegenden Wirtschaftswald durch die Nähe zum Nationalpark? Solche Fragen beschäftigen die betroffenen Waldbesitzenden und werden derzeit in einem Modellprojekt untersucht, an dem auch die FVA maßgeblich beteiligt ist. Ziel ist, die Situation, insbesondere der Privatwaldbesitzenden, in unmittelbarer Nähe zu Prozessschutzgebieten wie dem Nationalpark Schwarzwald zu verbessern. Träger des Projekts sind das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg.
Borkenkäferforschung im Nationalpark
Der Nationalpark bietet mit seinen ungestört ablaufenden Ausbreitungsprozessen, welche im Wirtschaftswald durch das Management stark beeinflusst sind, nicht zuletzt ein interessantes Szenario für die Borkenkäferforschung. So lässt sich beispielsweise untersuchen, welche physiologischen Prozesse zum Absterben eines befallenen Baumes führen, wie Befallsbäume terrestrisch oder fernerkundlich am besten erkannt werden können und welchen Einfluss natürliche Gegenspieler auf Borkenkäferpopulationen haben. Genauso lässt sich erforschen, was ausbleibendes Management für die Befallsdynamik oder Folgeeffekte wie Biodiversität und Stoffkreisläufe bedeuten kann.
Die Rolle der FVA zwischen Nationalpark Schwarzwald und Anrainern
Die Abteilung Waldschutz der FVA unterstützt die lokalen Akteurinnen und Akteure in allen Fragen des Borkenkäfermanagements rund um den Nationalpark. Sie konzipiert beispielsweise das Monitoringsystem bestehend aus Pheromonfallen und Brutbeobachtungsbäumen, welches wöchentliche Daten zur Schwärmaktivität und der Käferentwicklung im Umfeld des Nationalparks liefert. Die vor Ort erhobenen Daten werden an die FVA gesendet, dort aufbereitet, interpretiert und in Verbindung mit Handlungsempfehlungen für Managementmaßnahmen online gestellt. Weiterhin berät die FVA die Forstpraxis vor Ort und in Gremien wie der Arbeitsgemeinschaft Borkenkäfermonitoring, aber auch die politischen Entscheidungstragenden im Rat und Beirat des Nationalparks. Von der FVA werden außerdem Befallsdaten ausgewertet, Risiken abgeschätzt, Gutachten erstellt sowie Managementkonzepte validiert und weiterentwickelt. Nicht zuletzt wird die Borkenkäferforschung im Nationalpark durch die FVA initiiert, begleitet und auch eigens durchgeführt.