Abb. 1. a/b Die Reise der Regentropfen durch das Ökosystem Wald – Forscher des Waldlabors Zürich erforschen, welche Etappen es dabei zu passieren gibt. Fotos: Alessandro Della Bella (a), Marius Floriancic (b)

Immer häufiger leidet auch der Schweizer Wald unter lang­anhaltenden Trocken­perioden. Die ausser­gewöhnlich trockenen Sommer der Jahre 2003, 2018 und 2022 führten teil­weise zu erheblichen Be­ein­trächtigungen der Wälder mit sichtbaren Schäden an Wald­bäumen, ver­ringertem Zuwachs und teils gestörten Ökosystem­prozessen. Durch den Klima­wandel werden solche extremen Klima­bedingungen immer wahr­scheinlicher und setzen das Öko­system Wald vermehrt unter Druck.

Wenn es im Wald regnet, finden verschiedene Transport- und Speicher­prozesse statt, die noch wenig erforscht sind. Um die Trocken­heit im Wald zu verstehen, muss man zu­nächst wissen, wie und in welchen Mengen das Regen­wasser durch das Öko­system Wald fliesst. Also: Wo finden wir das Regen­wasser im Wald? Wie­viel ge­langt in den Boden und wieviel davon ist für die Wald­bäume nutzbar? Welche Zeit braucht es, bis ein Regen­tropfen wieder über die Blätter der Bäume verdunstet?

Wissen­schaftler des Wald­labors Zürich – einem inter­disziplinären Forschungs­projekt – er­forschen u.a. diese komplexen Prozesse im Wald-Wasser­kreislauf. In einem gross an­ge­legten Moni­toring und mit Ex­perimenten werden die Aus­wirkungen von Wasser­knappheit auf den Wald intensiv unter­sucht. Im be­sonderen Fokus stehen dabei die Be­deutung der Winter­nieder­schläge, der Streu und des Tot­holzes für den Wasser­haushalt der Wälder sowie die Frage, ob tiefere Wurzeln den Wasser­mangel in ober­flächen­nahen Boden­schichten in Trocken­perioden kom­pen­sieren können. Die ersten Forschungs­er­gebnisse von Fichten (Picea abies) und Buchen (Fagus sylvatica) zeigen dabei einige teils über­raschende Er­kenntnisse.

Im Waldlabor Zürich werden von den Wissen­schaftlerinnen und Wissen­schaftlern hydro­logische Ex­perimente mit physiolo­gischen Messungen an Pflanzen kombiniert, Nass- und Trocken­gewichte von Streu­material ermittelt und die chemische Zusammen­setzung von Wasser­proben analysiert. Auf diese Weise werden sämtliche Wasser­flüsse während und nach Nieder­schlägen, vom Rück­halt durch die Baum­kronen und der Boden­streu inkl. Tot­holz über Boden­wasser, Pflanzen­wurzeln, Grund­wasser bis hin zum Ab­fluss in den Bach erfasst.

Winterniederschläge sind die Lebensversicherung für Fichten und Buchen

Während sich in den letzten Jahren die Nieder­schlags­mengen kaum verändert haben, hat, bedingt durch die höheren Temperaturen, vor allem der Wasser­bedarf der Atmos­phäre sehr stark zu­ge­nommen. Dies bedeutet, dass der An­teil an Nieder­schlag, der ver­dunstet, immer höher wird und weniger Wasser im Bo­den, Grund­wasser und den Ober­flächen­gewässern ver­fügbar ist. Hinzu kommt, dass der er­höhte Wasser­bedarf der Atmo­sphäre den Trocken­stress von Bäu­men er­höht und vor allem in längeren Perioden ohne Nieder­schläge den Bäumen hydraulische Schäden zu­fügen kann. 

Vor allem in der Sommer­hälfte des Jahres zwischen April und September ver­duns­tet der Grosst­eil des Nieder­schlags wieder zurück in die Atmos­phäre, nur geringe Wasser­mengen können im Boden zwischen­ge­speichert werden und sind für die Wald­bäume ver­füg­bar. Des­halb ist speziell die Speicherung von Winter­nieder­schlägen ent­scheidend für den Wasser­haus­halt von Wäldern.

Dies konnte auch im Rahmen der 3-jährigen Forschungen im Wald­labor für Fichten und Buchen nach­weisen werden.  Nach der Analyse von Hunderten von Proben war die Antwort eindeutig: 

Baum­wasser und Transpiration bestehen das ganze Jahr über zu einem Gross­teil aus Winter­niederschlägen. Der Gross­teil des Wassers, welches Fichten und Buchen in den Sommer­monaten verwenden, stammt also aus Nieder­schlägen aus den vor­an­ge­gangenen Winter­monaten (Oktober bis März), und dass, ob­wohl im Som­mer­halbjahr eigentlich mehr Nieder­schläge fallen als im Winter­halb­jahr.

Streu und Totholz – unauffällige Wasserspeicher mit grosser Wirkung

Da der Grossteil des von den Bäumen im Wald­labor auf­ge­nommenen Wassers aus Nieder­schlägen des voran­gegangenen Winters stammt, ist die effiziente Speicherung des Winter­wassers im Boden essenziell, damit die Wälder auch längere Trocken­perioden besser über­stehen können

Um die Speicherkapazität von Waldböden zu erhöhen, ist es notwendig, so viel organisches Material wie möglich im Wald zu behalten. Damit wird der Boden­bildungs­prozess optimal unterstützt.
Dies hat zudem noch einen grossen positivem Neben­effekt: CO2 wird so im Boden eine Zeit lang ge­bunden und zwischen­gespeichert.

Streu und Totholz spielen demnach eine wichtige Rolle im Bodenaufbau und tragen gleichzeitig wesentlich zum Wasserkreislauf im Wald bei. 

  • Die Forschung im Waldlabor zeigt, dass etwa 20% des Jahresniederschlags in den Baumkronen zurückgehalten und direkt wieder in die Atmosphäre verdunstet wird.
  • Weitere 40% fliessen nach Wochen, Monaten oder sogar Jahren als Oberflächenwasser in den Holderbach ab.
  • In zahlreichen Feld­ver­suchen und Labor­analysen konnte ausser­dem be­legt werden, dass rund 18% des Nieder­schlags in der Streu­schicht und dem Tot­holz am Wald­boden ge­speichert und eben­falls an die Atmos­phäre ab­ge­geben wird. Dies ist in­sofern be­merkenswert, da die absoluten Speicher­kapazitäten in dieser Schicht eigentlich nur wenige mm sind, aber jeder Regen­tropfen muss auf dem Weg in den Boden zuerst die Streu­schicht passieren. Be­sonders im Sommer, wenn die Ver­dunstungs­raten hoch sind, erreicht nur ein sehr kleiner Teil des Nieder­schlags tat­sächlich den Wald­boden und steht den Bäumen direkt zur Ver­fügung.

Trotzdem leistet das in Streu und Tot­holz zwischen­gespeicherte Wasser einen be­deutenden Beitrag für das Wald­klima! Es sorgt bei ge­schlossenem Kronen­dach für ein feuchtes Mikro­klima, senkt den atmosphärischen Wasser­bedarf und hilft den Bäumen, Hitze­tage besser zu über­stehen. Böden und organisches Material auf dem Wald­boden sind daher ent­scheidende Elemente, um Wasser in unseren Wäldern zu speichern. 

Waldbauliche Relevanz: Im Hinblick auf zukünftige Trocken­perioden sollten Streu und Totholz als funktioneller Be­standteil des Wald­ökosystems stärker beachtet werden, damit sie ihrer Auf­gabe bei der Trocken­heits­be­wältigung auch nach­kommen können.

Tiefe Wurzeln helfen Bäumen über Trockenperioden

Vertiefte Analysen im Waldlabor Zürich zeigten, inwieweit die Bäume ihre Wasser­auf­nahme­tiefe bei zun­ehmender Trocken­heit verändern. Es wurde ein seltener Einblick er­mög­licht: um Saft­fluss- und Dendro­meter-Sen­soren an flacheren und tieferen Wurzeln zu installieren, wurde der Wurzel­raum einzelner Fichten und Buchen freigelegt. Saft­fluss­sen­soren messen die Wasser­menge, die durch den Stamm fliesst, Dendro­meter zeichnen konti­nuierlich Ver­änderungen im Durch­messer der Wurzeln auf. Die Wurzeln schrumpfen tags­über und dehnen sich nachts bei Wassers­ättigung wieder aus.

Leidet der Baum unter Trocken­heit, kann der Wasser­speicher in der Nacht nicht voll­ends aufgefüllt werden, was sehr gut in den Dendro­meter­messungen ersichtlich ist, da bei Trocken­heit der Aus­gangs­durch­messer nicht mehr erreicht wird. Seit 3 Jahren werden so im Wald­labor die Wasser­flüsse in Wurzeln und im Stamm dieser beiden Baum­arten auf­ge­zeichnet.

Erste Analysen zeigen, dass der Saftfluss in den flachen Wurzeln mit zu­nehmender Trockenheit im Boden ab­nimmt. Sobald der Boden be­ginnt aus­zu­trocknen, können die flacher liegenden Wurzeln nicht mehr mit voller Kapazität Wasser auf­nehmen. In den tieferen Wurzeln bleibt der Saft­fluss dagegen an­nähernd konstant, auch wenn der Ober­boden aus­zutrocknen beginnt. Da­raus folgern die Wissen­schaftler, dass tiefere Wurzeln die Trans­piration in Trocken­perioden unter­stützen und den Bäumen helfen, Trocken­perioden besser zu über­stehen. Allerdings nimmt auch der Saft­fluss im Stamm bei zu­nehmender Trocken­heit im Boden ab, was bedeutet, dass der Baum unter Trocken­stress leidet, sobald nicht mehr alle Wurzeln mit voller Kapazität Wasser auf­nehmen können. Der Baum muss also die Photo­synthese und den Wasser­verbrauch reduzieren, um keine hydraulischen Schäden zu erleiden. Weitere Informationen aus dem Wald­labor Zürich finden Sie hier.

Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze

  • 20 Prozent des Jahresniederschlages im Wald bleiben in den Baumkronen hängen und verdunsten wieder.
  • Neue Erkenntnisse: Etwa gleichviel Regenwasser (18 %) hält die Streuschicht aus ab­ge­fallenen Blättern, Nadeln und Totholz auf dem Waldboden zurück. Auch dieser Anteil verdunstet später wieder.
  • Bisher wurde die Aufgabe von Streu und Totholz auf dem Waldboden im Rahmen des Wasser­kreislaufs im Wald unter­schätzt: sie nehmen bis zu einem Fünftel des Jahres­nieder­schlages auf und verdunsten ihn.
  • Insgesamt werden somit rund 38 Prozent des Jahresniederschlags durch die Baum­kronen und die Streu­schicht zurückgehalten.
  • Nur 62 Prozent des Regenwassers dringen effektiv in den Waldboden ein und sind für die Pflanzen nutzbar. Allerdings nehmen die Wurzeln von Gräsern und Sträuchern einen Gross­teil dieses Wassers auf. In den tieferen Boden­schichten kommt davon nur ein kleiner Teil an und steht den Wald­bäumen zur Ver­fügung.
  • Für Waldbäume ist somit weniger Wasser ver­fügbar als bisher gedacht.
    → Streu und Totholz im Wald  belassen, um die Wasserspeicherung und das Mikroklima zu stabilisieren!
  • Waldbäume leben zum Grossteil vom Winternieder­schlag.
    → Winterniederschläge gezielt im Boden halten, z. B. durch möglichst un­gestörte Böden und boden­schonende Bewirt­schaftung!
    → Wurzelarchitektur und hydraulisches Ver­halten als Kriterium bei der Baum­arten­wahl und Standort­an­passung be­rück­sichtigen - Förderung tief­wurzelnder Baum­arten!

Wälder anpassen, Zukunft sichern

Das Waldlabor Zürich mit seiner Nähe zur ETH Zürich erforscht die Prozesse entlang des Wasser­kreis­laufs im Wald, um wichtige Er­kennt­nisse in Bezug auf die Resilienz und Wirt­schaft­lichkeit der Schweizer Wälder in Zeiten sich schnell ver­ändernder Umwelt­be­dingungen sicher­zustellen. Man kann auf die nächsten Er­gebnisse ge­spannt sein.

Das Verständnis darüber, wie Bäume Wasser auf­nehmen und auf Trocken­heit reagieren, spielt eine zentrale Rolle im adaptiven Wald­bau. Dieses Wissen hilft Förster­innen und Förstern künftig, Wälder ge­zielt an wärmere und trockenere Klima­bedingungen an­zu­passen. Denn der Schlüssel zu widerstandsfähigen Wäldern liegt in der gezielten Förderung von Baum­arten, die dem Klima­wandel ge­wachsen sind. Die Er­kenntnisse fliessen zudem auch in Modellierungen des Wasser­haushalts ein, um künftige Ver­änderungen der Wälder besser vor­her­sagen zu können.

Im Waldlabor mitwirken

Das Waldlabor Zürich zeigt und er­forscht den vom Menschen gepflegten Kultur­wald. Interessierte sind eingeladen, bei Projekten, Be­ob­achtungen (Citizen Science) oder bei praktischen Arbeiten im Wald mitzuwirken oder den Wald einfach zu geniessen. 
Es finden zudem interessante Veranstaltungen und Führungen rund um die Themen­schwerpunkte: «Be­wirtschaftungs­formen», «Bio­diversität und  Ökosystem­leistungen», «Gesellschaft und Wald» sowie «Klima­wandel» statt.
Alles Wissenswerte dazu finden Sie auf der Web­seite des Waldlabors Zürich, in der Waldlabor-App oder unter ETH Zürich im Waldlabor.