Der Sturm "Vivian" hat 1990 grosse Teile des Bergwaldes bei Pfäfers geworfen. Die zuständigen Behörden entschieden sich, an einer Stelle alles Holz liegen zu lassen, um dadurch ein Schutzdefizit zu vermeiden. Das liegende Totholz kann erfahrungsgemäss die Schutzwirkung gegen Lawinen und Steinschlag für eine gewisse Zeit übernehmen. Eine Räumung der Fläche hätte zwingend den temporären Verbau mit Rundholz-Schnee­rechen nach sich gezogen.

Massgebend für den Entscheid, das Holz liegen zu las­sen, war die Erwartung, dass innerhalb von 20 bis 30 Jahren eine schutzwirksame Verjüngung herangezogen werden könne und dass sich allenfalls nur noch ein Teil­verbau als notwendig erweisen würde. Ein Bild aus dem Jahr 1996 (Abb. 1) zeigt den Bestand sechs Jahre nach dem Sturm.

Beim Ausgangsbestand handelte es sich um ein reines Fichtenbaumholz ohne Verjüngung auf einem Tannen-/Fichten­waldstandort mit Hochstauden (E+K 50) auf etwa 1500 m ü. M. Einige Bäume und Baumgruppen haben den Sturm, und überraschenderweise auch die nachfolgenden Jahre mit Befall durch den Borkenkäfer, überlebt. Da keine Verjün­gung vorhanden war, und befürchtet werden musste, dass die natürliche Wiederbewaldung auf diesem Standort lange dauern würde, bepflanzte man die Fläche in den Jahren 1991 bis 1998 mit verschiedenen Baumarten (Abb. 2). Die Pflanzung in den Lücken zwischen den liegenden Stämmen führte "automatisch" zu Gruppenpflanzungen. Der Jungwuchs wurde nicht gepflegt.

Die Entwicklung des Jungwaldes

Die ersten Pflanzungen von 1991 ent­wickelten sich in der Folge sehr gut, sie vermochten den Hochstauden (vor­wiegend Alpendost) problemlos zu ent­wachsen. Da die Pflanzendichte zu gering erschien, setzten die Förster in den Jahren 1993 bis 1995 weitere Jungbäume. Diese nachfolgen­den Pflanzungen litten jedoch stark unter der in der Zwischenzeit herangewachsenen Konkurrenz durch die Himbeere. Ihr Wachstum wurde stark erschwert, und vor allem bei der Fichte entstanden auch Deformationen der Gipfeltriebe. Weisstannen wurden an­fänglich keine gepflanzt, da zu befürchten war, dass sie ohne Schutz dem Wildverbiss zum Opfer fallen würden. Erst im Jahr 1998 pflanzte man trotzdem gut 500 Weisstannen in der Erwar­tung, dass sie die Konkurrenz der Bodenvegetation besser ertragen wür­den als die Fichten.

Im Rahmen einer Semesterarbeit beurteilte eine Studentin im Frühjahr 2007 der Zustand des Jungwaldes (Schnider 2007). Das Vorgehen orientierte sich an der Methode zur Verjüngungskontrolle auf Indikatorflächen (BAFU 2010). Von den bei dieser Untersuchung angesprochenen Jungbäumen sind praktisch alle aus Pflan­zungen hervorgegangen (Abb. 3). Natur­verjüngung war in dieser Fläche auch mehr als 15 Jahre nach dem Sturm nur sehr vereinzelt zu finden. Zum Pflanzerfolg beziehungsweise zu den Ausfällen gibt es leider keine Informationen. Die Laubbaumarten sind der Bodenvegetation, in der die Himbeere immer noch dominiert, praktisch vollständig entwachsen. Etwa ein Drittel der Laubbäume weist bereits einen BHD von über 4 cm auf.

Zehn Jahre nach der Pflanzung waren 90% der Weisstannen noch kleiner als 70 cm. Obwohl in der Fläche immer wie­der Tierspuren zu sehen sind, liegt der Verbiss auch bei der Tanne deutlich unter dem Grenzwert.

Die grosse Streuung im Höhenwachstum der Fichte ist auf die unterschiedlichen Pflanztermine zurück­zuführen. Die ersten Pflanzungen aus dem Jahre 1991 sind der Bodenvegeta­tion sehr schnell entwachsen, und 30% haben ebenfalls einen BHD von mehr als 4 cm erreicht. Mehr als ein Drittel der Fichten sind jedoch noch kleiner als 1 m und kämpfen immer noch mit der Kon­kurrenzvegetation. Sie stammen fast aus­schliesslich von den späteren Pflanzungen der Jahre 1993 und 1995. An den grösseren Fichten sind auch die Spuren der schneemechanischen Wirkungen sicht­bar. Aber mehr als 80% der Fichten mit einem BHD über 4 cm stehen gerade und weisen am Stammfuss eine Ausladung (Säbelwuchs) von weniger als 50 cm auf. Sie haben gute Chancen, zu stabilen Bäu­men heranzuwachsen.

Die aus der Stichprobe errechnete Pflanzendichte ergibt rund 4600 Bäume pro Hektare, davon 2286 Fichten, wovon wie­derum etwa 700 einen BHD von mehr als 4 cm aufweisen. Die Hochrechnung der kleinen Stichprobe ist allerdings mit Vor­sicht zu betrachten und die Stammzahl­schätzung dürfte eher zu hoch sein.

Wann ist der Jungwald schutzwirksam?

Es ist nicht eindeutig definiert, ab wel­chem Zustand ein junger Bestand ausreichend Schutz vor Lawinenbildung bietet. Bei der heutigen Schutzwald­pflege (Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald – NaiS) wird ein Bestand ab Stangenholzstufe (BHD >12 cm) als schutzwirksam betrachtet, wenn der Deckungsgrad über 50% liegt und die einzelnen Lücken eine von der Steilheit abhängige Länge nicht überschreiten. Im Vergleich zu anderen Literaturhinweisen ist das eine eher vorsichtige Annahme. Im vorliegenden Fall erreichen die ersten Jungwaldgruppen jetzt, 20 Jahre nach dem Sturm, mit einer Oberhöhe von 5 bis 7 m und einem BHD von 8 bis 12 cm diese Dimension (Abb. 4). Der Deckungsgrad konnte auf Luftbildern aus dem Jahre 2009 ermittelt werden. Er beträgt 40% für die Verjüngung, welche der Bodenvegetation, vorwiegend Himbeere von ca. 1 m Höhe, unterdessen entwachsen ist.

Zwischen den Jungwaldgruppen gibt es immer noch Lücken mit einer kriti­schen Länge, in denen das liegende Tot­holz für eine hohe Bodenrauhigkeit sorgt. Gegenläufig zur positiven Entwicklung des Jungwaldes verringert sich hingegen die Wirkung des liegenden Sturmholzes. Die durchfaulenden Stämme brechen, wodurch deren Wirkhöhe abnimmt. Die in den 90er-Jahren abgestorbenen Käferbäume des Restbestandes sind bisher nur raten­weise umgestürzt und haben immer wieder relativ gut konserviertes Totholz "nachgeliefert". Einige davon stehen immer noch. Die Bewegungen des liegenden Holzes und die umstürzenden Dürr­ständer verursachen gelegentlich Schä­den an Einzelbäumen, aber es gibt keine Anzeichen, dass die Verjüngung flächig bedroht ist.

Insgesamt ist der Lawinenschutz auf der beobachteten Fläche 20 Jahre nach dem Sturm in einer Phase, in welcher der Schutz des liegenden Holzes kontinuier­lich abnimmt und der Jungwald erst punktuell schutzwirksam ist (Abb. 5). Der gute Zustand der vorhan­denen Verjüngung und die Tatsache, dass das liegende Holz immer noch durch umstürzende Dürrständer ergänzt wird, lassen den Schluss zu, dass die kritische Phase mit der geringsten Schutzwirkung bereits überschritten sein dürfte (Abb. 6).

Ungüns­tig sind vor allem noch die grösseren Lücken, in denen die späteren Pflanzun­gen wegen der Vegetationskonkurrenz zurückgeblieben sind oder in denen die Verjüngung noch ganz fehlt. Im Nachhinein erweist es sich als Fehler, dass die ersten Pflanzungen im liegenden Holz nicht konsequenter und dichter ausgeführt wurden. Die Zahl der Baumgruppen mit schutzwirksamen Dimensionen könnte deshalb heute grösser sein. Bei extremen Schnee­höhen muss man in den Lücken zwischen den Baumgruppen noch immer mit Lawinenanrissen rechnen. In solchen Fällen sollte die unterhalb der Sturmfläche verlaufende Strasse weiterhin gesperrt werden.

Die Prognose für die weitere Entwick­lung der Fläche ist aber positiv. Das Höhenwachstum der jungen Bäume verläuft jetzt sehr schnell. Auch die Weisstanne zeigt unterdessen einen grossen Höhenzuwachs. Die Anzahl der schutzwirksamen Baumgruppen und der Deckungsgrad nehmen rasch zu. Aus heutiger Sicht darf man die Prognose wagen, dass bis in etwa zehn Jahren keine bestandesschädigenden Lawinen mehr zu erwarten sind.

Folgerungen

  • Das beschriebene Vorgehen eignet sich zum Schutz von Strassen, die in beson­ders kritischen Situationen gesperrt werden können, nicht aber zum Schutz von ständig bewohnten Siedlungen.
  • Der Lawinenschutz war während der vergangenen 20 Jahre immer relativ hoch, aber nicht absolut. Im Extrem­winter 1999 musste die darunterlie­gende Strasse gesperrt werden.
  • Etwa 20 Jahre nach dem Sturm erreicht der gepflanzte Jungbestand allmählich die schutzwirksame Dimension. Aber auch heute müsste die Strasse bei extremen Schneelagen noch gesperrt werden.
  • 20 Jahre nach dem Sturm ist im liegen­den Holz keine nennenswerte Natur­verjüngung vorhanden. Ohne Pflan­zungen müssten im heutigen Zustand temporäre Verbauungen in Betracht gezogen werden.
  • Durch eine konsequentere und dich­tere Bepflanzung der Lücken direkt nach dem Sturm wäre die Schutzwir­kung heute vermutlich noch besser.
  • Bis der Schutz flächig wiederhergestellt ist, dürfte es noch weitere zehn Jahre dauern. Temporäre Verbau­ungen sind aber dank der kombinier­ten Wirkung des liegenden Holzes und der Pflanzungen voraussichtlich nicht notwendig, was beträchtliche Kosten einspart.
  • Um diese Prognose zu überprüfen, ist die weitere Beobachtung der Fläche notwendig.
     

Literatur

  • Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) 2010: Wald und Wild – Grundlagen für die Praxis. Umwelt-Wissen Nr. 1013. Bern.
  • Schwitter, R. 2002: Sturmholz als Lawinenschutz. WALD und HOLZ 6/02.
  • Schnider, E. 2007: Sturmholz als Lawinenschutz. Semesterarbeit unveröffentlicht.

(TR)