Aktionsprogramm 2020 für Donau- und Maingebiet

Nach dem Pfingsthochwasser im Mai 1999 initiierte die bayerische Staatsregierung das Programm "Nachhaltiger Hochwasserschutz in Bayern - Aktionsprogramm 2020 für Donau- und Maingebiet" und stattete es mit einem Investitionsvolumen von etwa 2,3 Milliarden € bis zum Jahr 2020 aus.

Das Programm umfasst neben Maßnahmen zum technischen Hochwasserschutz und zur weiter gehenden Hochwasservorsorge vor allem auch den vorbeugenden Hochwasserschutz auf der Fläche, d.h. Maßnahmen zur Abflussdämpfung im Einzugsgebiet und die Reaktivierung von natürlichen Rückhalteräumen in den Flussauen.

Maßnahmenpaket

Für den Wald und die Landwirtschaft erstellte das Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten ebenfalls beginnend im Jahr 1999 ein Maßnahmenpaket "Vorbeugender Hochwasserschutz in der Land- und Forstwirtschaft" (BayStMLF 2000).

Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) wurde beauftragt, dieses für den Bereich des Waldes im Rahmen eines Stufenprogramms auszuarbeiten. Als erste Stufen richtete die LWF im Jahr 2001 einen international besetzten Experten-Workshop sowie ein Fachsymposium "Vorbeugender Hochwasserschutz - was können Wald und Forstwirtschaft beitragen?" aus (LWF 2003).

Pilotprojekt

Auf diesen Ergebnissen aufbauend beauftragte das Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten die LWF im Januar 2003, das vorliegende Pilotprojekt zum "Vorbeugenden Hochwasserschutz durch Wald und Forstwirtschaft in Bayern" im Zeitraum 1.2.-31.7.2003 durchzuführen. Ziel des Projektes war es, die vorbeugenden Hochwasserschutzfunktionen von Waldflächen in verschiedenen Raumeinheiten (Einzugsgebiet und Flussauen) herauszustellen und dabei die Auswirkungen konkreter forstlicher Maßnahmen für je ein Beispielsgebiet im Alpenraum und an der mittleren Isar zu analysieren. Zusätzlich wurde auf Anregung der Projektsteuerungsgruppe das Hochmoorgebiet Schönramer Filz als ein Beispiel für abflussrelevante Feuchtgebiete in die Arbeit einbezogen.

Zunächst wurden in einer Literaturrecherche der Kenntnisstand über die Hydrologie des Hochwassers, über die Leistungen des Waldes für den vorbeugenden Hochwasserschutz sowie über die Wirkungen des Waldes und der Waldbewirtschaftung auf das Hochwassergeschehen erhoben. Für kleine und mittlere Flussüberschwemmungen sowie für Sturzfluten in kleinen Einzugsgebieten (vor allem im Bergland) wird demnach eine Hochwasser dämpfende Wirkung des Waldes weitgehend bejaht (Mendel 2002), bei zunehmendem Umfang des Niederschlagsereignisses erschöpft sich jedoch die Retentionskapazität des Waldes immer mehr.

Monetäre Bewertung

Auf den Literaturergebnissen aufbauend wurde der Versuch einer zumindest überschlägigen monetären Bewertung der Leistungen des Waldes für den Hochwasserschutz mit Hilfe eines Alternativkostenansatzes sowie eines Produkt-Funktions-Ansatzes unternommen. Investitionen in die Neubegründung sowie in den Erhalt oder den Umbau hochwasserschutz-funktionsgerechter Bergwälder und Auwälder erscheinen je nach dem Grad des abzuwendenden Funktionsverlustes bzw. des zu erzielenden Funktionsgewinnes vor allem im Auwald, aber auch im Bergwald in gewissem Maß volkswirtschaftlich gerechtfertigt. Dabei stehen jedoch dem Nutzen der Aufforstung Opportunitätskosten der ökonomisch zumeist höherwertigen landwirtschaftlichen Nutzung gegenüber. Um die Zahlen als Grundlage für die forstpolitische Diskussion verwenden zu können, müssten sie mit Hilfe detaillierterer Erhebungen noch wesentlich besser abgesichert werden. Zur Analyse der Leistungen des Waldes für den Hochwasserschutz wurden die drei genannten Beispielsgebiete und die in den Gebieten laufenden forstlichen Programme genauer analysiert und hinsichtlich der Funktionswirksamkeit der Maßnahmen bewertet.

Abflussbeiwerte von Vegetationseinheiten

Im Auwald- und im Moorgebiet konnten die vorliegenden Zwischenergebnisse laufender Moorrenaturierungs- bzw. Auwaldumbauprogramme bewertet werden. Für das Bergwaldgebiet wurde zur Analyse der Abflussbildung eine differenzierte Feldmethode zur Abschätzung des Oberflächenabflussbeiwertes von alpinen Boden- bzw. Vegetationseinheiten bei Starkregen auf der Skalenebene einzelner Bestände angewendet. Diese Methode hatten Markart et al. (2001) auf der Grundlage von Beregnungsversuchen im bayerischen und österreichischen Alpenraum neu entwickelt.

Die Analyse der Empfindlichkeit der Abflussbeiwerte gegenüber Szenarien unterschiedlicher forstlicher Bewirtschaftungsmaßnahmen oder Störungen ergab insbesondere für die Flyschzone des Untersuchungsgebietes hohe Empfindlichkeit gegen Bodenverdichtung (z. B. durch unsachgemäße Befahrung oder Viehtritt), Bestandesverlichtung bzw. Kahllegung (z. B. nach Sturmwurf oder Borkenkäferbefall) oder auch standortswidrige Baumartenwahl (z. B. Fichtenreinbestand).

Naturnah ist wegweisend

Für alle drei Beispielsgebiete erwies sich das Leitbild eines naturnahen Bergwaldes, Auwaldes bzw. einer naturnahen Hochmoorvegetation als wegweisend auch für die Sicherung der vorbeugenden Hochwasserschutzfunktion.

Unter den forstlichen Maßnahmen ist eine Mehrung der Waldfläche, insbesondere in neu zurück gewonnenen Überflutungsbereichen der Talauen, aber auch im Einzugsgebiet, insbesondere im Bergland, am wirksamsten. Die Sicherung oder Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der bestehenden Wälder ist ebenfalls ein wichtiges forstpolitisches Ziel. Vorrangige Bedeutung kommt der Erhaltung einer standortgerechten, stabilen, funktionstauglichen Waldbedeckung zu.

Bodenschutz ist ein weiterer Kernbestandteil des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Bodenverdichtungen bei der Holzernte sind mittels technischer und organisatorischer Mittel zu minimieren.

Gravierende, großflächige Störungen intakter Bestände (z. B. durch Sturm oder Borkenkäfer) zu vermeiden ist wirksamer als eine waldbauliche "Feinoptimierung" von "zufriedenstellend" funktionstauglichen Beständen. Die Sanierung gestörter bzw. überalterter, verlichteter oder der Umbau nicht standortgerechter Bestände in stabile, naturnahe Bestockungen dient auch dem vorbeugenden Hochwasserschutz.

Erschließungsmaßnahmen sind fachgerecht zu planen und Wege sachgemäß in Stand zu halten.

Im Sinne eines Integralen Hochwasserschutzes ist eine enge Abstimmung mit wasserwirtschaftlichen (naturschutzfachlichen und anderen raumrelevanten) Planungen und Zielen anzustreben. Dies gilt insbesondere für Programme zur Definition von hochwasserschutzrelevanten Flächen zur Aufforstung im Überschwemmungsbereich von Flussauen.

Schutzfähigkeit hat Grenzen

Schließlich wurde die Darstellung der Hochwasserschutzwirkungen des Waldes in der öffentlichen Diskussion kritisch betrachtet. Dabei sollte der unumstritten positive Beitrag des Waldes im Einzugsgebiet und in den Talauen zur Hochwasserminderung als wichtige Gemeinwohlfunktion aktiv, aber nicht überzogen dargestellt werden. Die Grenzen der Schutzfähigkeit (nicht nur des Waldes, sondern auch technischer Hochwasserschutzmaßnahmen) bei extremen Niederschlagsereignissen wie 1999 und 2002 sind auch für die breite Öffentlichkeit nicht zu übersehen, hier sollten keine unerfüllbaren Erwartungen geweckt oder gefördert werden.