Auf den Naturschutz in den Wäldern Deutschlands wirken sich nationale und internationale Strömungen aus. Als wichtiges, großes Waldgebiet in Deutschland wird der Schwarzwald von internationalen Naturschutzmaßstäben qualifiziert. Dabei wird er nach Auffassung von Forstleuten, der Touristikbranche und wahrscheinlich auch großen Teilen der Bevölkerung unterbewertet. Er schneidet aus mehreren Gründen schlechter ab: Der Naturschutz geschieht im Schwarzwald nicht großflächig in nutzungsfreien Reservaten; die Wälder haben nach Einschätzung von Naturschutzexperten ihre Natürlichkeit verloren – durch Aufforstung mit naturfremden Baumarten wie Fichte und ausländischen Baumarten wie Lärche, Douglasie sei dies geschehen. Damit habe der Schwarzwald seine Ursprünglichkeit, seine Natürlichkeit verloren. Nicht der Mischwald aus Buche und Tanne präge den Schwarzwald, was natürlich und ohne Einfluß des Menschen der Fall wäre, sondern der Reinbestand, der Forst, strukturarm und dunkel.

Naturschutz in Europa, in Deutschland und im Schwarzwald

Im Naturschutzbereich sollte neu darüber nachgedacht werden, wie der Schwarzwald als genutzte Landschaft geschützt und wie seine Wälder in ihrem Naturschutzwert besser eingestuft werden können. Anregungen und Impulse dazu kommen aus dem Forstbereich. Bedeutsam ist die Anerkennung der Notwendigkeit, in Schutzgebieten nach nationalem und internationalem Recht weiter nutzen zu können; die Nutzung kann vielleicht nach Naturschutzmaßstäben anders orientiert werden. Als höchste Stufe des Wald-Naturschutzwertes sollte nicht ausschließlich der ungenutzte Wald angesetzt werden.

In den Ländern der EU gibt es unterschiedliche Voraussetzungen für die Anwendung wichtiger Naturschutz-Bewertungskriterien, wie "lange Nutzungsfreiheit von Wäldern in der Vergangenheit und in der Zukunft". Diese Kriterien spielen bei der Bewertung von Naturschutz- und Natura 2000 Gebieten eine entscheidende Rolle. In dünn besiedelten Regionen Europas wie Skandinavien, Nordengland, Irland können Wälder leichter langfristig aus der Nutzung herausgenommen werden und sich selbst z. B. als Nationalparke überlassen bleiben. In Zentraleuropa dagegen mit hoher Bevölkerungsdichte, etwa in Deutschland, im Osten Frankreichs, im nicht-alpinen Bereich von Österreich und der Schweiz ist dies nur eingeschränkt möglich. Diese wesentlichen Unterschiede innerhalb Europas werden im Naturschutz und in der Gesellschaft noch nicht gesehen. Sie spielen deshalb auf der obersten Ebene des Naturschutzes in Deutschland in Berlin und Bonn keine Rolle. Sie werden noch nicht auf den weltweiten Konferenzen über Naturschutzfragen z. B. der Konferenz von Rio, Helsinki oder Wien von Deutschland und Europa ausreichend zur Geltung gebracht.

Gefährdung von Pflanzen und Tieren im genutzten Wald

Die Gefährdung von Pflanzen und Tieren im Wald wird von Naturschutzexperten kritisch gesehen. Ausdruck dafür sind die Roten Listen gefährdeter Tiere und Pflanzen in Deutschland. Die Gefährdungssituation wird in den Roten Listen immer dramatischer dargestellt. Häufig wird auch davon gesprochen, dass Arten in den Wäldern unwiederbringlich aussterben. Die Beurteilung aus forstlicher Sicht ist günstiger. Viele gefährdete Arten haben im Wald zugenommen. Es wird viel für ihren Schutz getan, ohne dass diese Bemühungen die Öffentlichkeit erreichen. Was die gefährdeten Pflanzen angeht, haben wir in Baden-Württemberg durch die Waldbiotopkartierung, d. h. durch den Schutz gefährdeter Biotope viel für den Schutz gefährdeter Pflanzen vorangebracht. In den geschützten Biotopen kommen gehäuft die als gefährdet bezeichneten Pflanzen vor. Durch den Schutz ihrer Umgebung ist die wichtige Voraussetzung für ihr Überleben vorhanden.

Besonders stark diskutiert ist die Gefährdung von Tieren im Wald, die an Totholz gebunden sind. Gerade hier sind die Aussagen der Naturschutzexperten zur Gefährdung besonders kritisch. Ein Blick in unsere Wälder zeigt an Beispielen, dass diese kritische Beurteilung in weiten Bereichen nicht zutreffen kann. Ein erstes Beispiel sind die Spechte. Viele dieser Totholzbewohner wurden vor 20 Jahren noch als stark gefährdet oder gar als vom Aussterben bedroht erklärt. Dies gilt für den Schwarzspecht und für den Buntspecht. Beide Totholzbewohner sind inzwischen flächig in unseren Wäldern vorhanden. Gründe dafür liegen in der naturnahen Nutzung unserer Wälder. Es wird zugelassen, dass Wälder geschlossen aufwachsen und alt werden. Deshalb ist die Lage für die Spechte seit über zwei Jahrzehnten wesentlich günstiger als früher.

Am Beispiel der Spechte kann auch die Frage von Aussterben und Wiederkommen von Totholzbewohnern in genutzten Wäldern neu beantwortet werden. Der Dreizehenspecht galt seit 1890 als ausgestorben im Schwarzwald. Jetzt ist er wieder mit mehreren Brutpaaren da. Er ist wiedergekommen, weil es genügend Totholz in Fichtenwäldern gibt. Aber diese Leistung der Wälder und der naturnahen Nutzung will man nicht anerkennen. Nach wie vor gilt der Dreizehenspecht als hochgradig gefährdet. Um diese Vorbehalte im Naturschutz gegenüber der Nutzung abzubauen ist viel Aufwand nötig. Ein einfacher Sachverhalt ist im Naturschutz noch weitgehend unbekannt. Wenn Fichtenwälder alt werden können, ist auch nachhaltig Lebensraum für Totholzbewohner wie den Dreizehenspecht vorhanden.

Auch Totholzkäfer sind weniger gefährdet als angenommen wird. Im Zuge der Natura 2000-Planungen in den Wäldern werden genauere Untersuchungen über Totholzkäfer vorgenommen. Es zeigt sich in fast allen Fällen, dass seltene Arten wie der Hirschkäfer oder der Heldbock, die an der Eiche leben, wesentlich häufiger in den Wäldern vorkommen, wenn man nur genau genug hinschaut.

Natürlichkeit der Fichte im Schwarzwald

Der Schwarzwald wurde viel früher und umfangreicher genutzt als man bisher annahm. Der Übergang von der Naturlandschaft mit Urwäldern zur Kulturlandschaft rückt nach neuerer Forschung im Bereich Landespflege weiter zurück in die Vergangenheit. Vor Jahrtausenden, als Baumarten wie die Buche in den Schwarzwald während der Nacheiszeit zurückwanderten, waren schon Menschen da, die in die Wälder eingriffen und das Verhältnis der Baumarten zueinander veränderten. Auch diese Erkenntnis wird in der Naturschutzbewertung noch nicht gewürdigt. Würde man sie berücksichtigen, kämen die Wälder im Naturschutzwert besser zur Geltung.

Ein Beispiel soll dies erläutern. Es handelt sich um ein geplantes Naturschutzgebiet "Taubenmoos" bei Bernau im Schwarzwald. Das Taubenmoos hat große Fichtenwälder, außerdem Mischwälder aus Fichte, Tanne, Buche und größere Moorflächen. Vom Naturschutz werden aber nicht die Fichtenwälder als wertvoll angesehen, sondern die Moore und die um die Wälder herum vorhandenen Hochweiden mit seltener Flora aus Magerrasen. Weshalb die Fichte dagegen im Naturschutzwert ziemlich schlecht abschneidet, liegt vor allem daran, dass sie im Gebiet als naturfern gilt. Ein solches Urteil gründet sich auf eine bisher als sicher geltende Annahme, die Fichte sei bis zum Mittelalter (vor 1000 Jahren) bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht im Gebiet vorgekommen. Im wesentlichen sei sie erst seit kurzer Zeit künstlich in die Buchen-Tannenwälder eingebracht worden.

Nach neuer Einschätzung verhielt es sich mit der Fichte anders. Die Zeit mit geringen Fichtenanteilen im Gebiet liegt viel weiter zurück als bisher gedacht. Die Fichte hatte also mehr Zeit, sich über Jahrtausende hinweg "natürlich" in den Wäldern des Schwarzwaldes zu Lasten anderer Baumarten auszubreiten, weil Buche und Tanne stärker genutzt wurden, die Wälder offeneren Charakter hatten und die Fichte ihre Konkurrenzkraft als Pionier dadurch ausspielen konnte. Vor 1000 oder 1500 Jahren, als noch nicht an Fichtensaaten oder Pflanzungen gedacht wurde, hatte es die Fichte wohl schon zu beträchtlichen Anteilen am Wald bis zu 20% gebracht, im Südschwarzwald nicht nur in den höchsten Lagen, sondern schon ab etwa 900 Metern Meereshöhe.

Bei den Arbeiten im Großnaturschutzgebiet Feldberg-Belchen-Wiesental (Südschwarzwald) und in den Naturschutzprojekten um den Brend-Rohrhardsberg (Mittlerer Schwarzwald) sind zahlreiche und großflächige Fichtenreinbestände entdeckt worden, die ausschließlich natürlich entstanden sind. Es wäre nicht angemessen, solche natürlich entstandenen Fichtenwälder als minderwertige Wälder, als "Kunstforste" zu bezeichnen und sie im Naturschutzwert auf eine Stufe mit gepflanzten Holzplantagen zu stellen, was mehrfach bei Naturschutzplanungen geschieht.

Viele der Fichten in den Wäldern der genannten Höhenlagen im Schwarzwald haben auch spezielle und interessante Merkmale, die einen Anpassungsprozeß in langer Zeit an das Klima und das Gestein des Schwarzwaldes widerspiegeln: Anpassungen der Kronen- und Nadelausprägungen an Schnee und Eis; Anpassungen der Nadelausprägungen an die Moorstandorte. Fichten sind deshalb in Wäldern, in den Mooren und auf den Brachflächen als natürlich anzusehen (Abb. 2).

Naturschutzwert der Fichten und Mischwälder im Naturschutzgebiet Taubenmoos

Die Bewertung der Wälder des geplanten Naturschutzgebietes Taubenmoos durch Naturschutzplaner im Rahmen des Naturschutzgroßprojektes Feldberg-Belchen-Wiesental brachte das Ergebnis, das nur knapp 60% der Wälder naturnah sind. Über 40% werden dagegen als naturferne Wälder, als Kunstforste eingestuft.

Durch die FVA, Abt. Landespflege fand eine Überarbeitung der Bewertung statt. Was von den Naturschutzplanern als naturnah bewertet wurde, wurde nicht verändert. Die als Kunstforste und Fichten bezeichneten Bestände wurden bewertungstechnisch überprüft. Es stellte sich heraus, dass nicht nur knapp 60% der Wälder als naturnah bewertet werden können, sondern etwa 90%. Den enormen Zuwachs an Naturnähe bringen reine oder Fichten-Mischwälder mit Fichtendominanz. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, die großflächig vorhandenen, reinen Fichtenflächen und die Mischbestände mit Fichte sind natürlich entstanden. Nur unwesentliche Waldteile stammen aus gezielter Aufforstung. Die Naturschutzbewertung der Wälder kann deshalb wesentlich günstiger ausfallen (Abb. 3).

Verbesserte Bewertungen der Wälder des Naturschutzgebietes Taubenmoos oder anderer Bereiche des Schwarzwaldes sind von weitreichender Bedeutung. Aufgrund der vermeintlich hohen Anteile naturferner Biotoptypen im Naturschutzgebiet wendet sich das Interesse des Naturschutzes weg vom Wald in das landwirtschaftlich genutzte Offenland. Dort gibt es noch große Flächen der seltenen Borstgrasrasen und Flügelginsterweiden. Alle Aktivitäten des Naturschutzes sind auf den Erhalt dieser geschützten Flora gerichtet. Dies ist gut so. Doch dürfen darüber nicht die naturnahen Fichtenwälder vergessen werden, deren Naturschutzbedeutung bisher erheblich unterschätzt wurde. Ihr Wert für Natur und Landschaft des Schwarzwaldes und anderer Mittelgebirge sollte in breiten Naturschutzkreisen Anerkennung finden.