Die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) bewirtschaften 720.000 Hektar Wald sowie 85.000 Hektar weitere Flächen und tragen somit eine besondere Verantwortung für die Artenvielfalt und den Schutz von Lebensräumen. Mit über 230.000 Hektar, also knapp 30 Prozent der gesamten Natura 2000-Gebiete in Bayern, leisten die Flächen der BaySF einen großen Beitrag für das europäischen Netz Natura 2000. Um sowohl die gesetzlichen Vorgaben, die im Waldgesetz für Bayern und dem Staatsforstengesetz festgeschrieben sind, als auch die gesellschaftlichen Anforderungen zu erfüllen, wurde als mittelfristige Unternehmensstrategie ein Nachhaltigkeitskonzept einschließlich eines Zehn-Punkte-Programms für den Naturschutz entwickelt. Wesentliche Naturschutzziele sind

  • die Bewahrung und Verbesserung der biologischen Vielfalt,
  • der Schutz seltener und bedrohter Arten und Lebensräume sowie
  • die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Produktionsgrundlagen.

Eine Trennung von ungenutzten Wildnisgebieten und plantagenartiger Intensivforstwirtschaft ist in Mitteleuropa aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Daher setzt die BaySF auf eine flächige naturnahe Bewirtschaftung mit naturschutzfachlichen Schwerpunkten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Schutz alter Wälder, dem Management von Biotopbäumen und Totholz und dem Erhalt feuchter und trockener Sonderstandorte. Neben knapp 30 Prozent der Natura 2000-Gebiete in Bayern liegen auch fast alle Naturwaldreservate im Staatswald.

Schutz alter und seltener Waldbestände

Alte Buchen- (über 180 Jahre) und Eichen-Bestände (über 300 Jahre), Mittel- und Hutewälder und sehr alte Kiefernbestände sind aufgrund ihres hohen Alters oder anderer Besonderheiten als Bindeglied zwischen dem einstigen Urwald und dem heutigen Wirtschaftswald anzusehen. Sie dienen als Lebensraum und Spenderfläche für "Urwaldreliktarten" einerseits und seltene Arten mit enger Bindung an naturnahe und reife Waldstrukturen andererseits. Diese Bestände werden flächenscharf ausgeschieden. Die Naturwaldreservate gehören generell zu dieser Kategorie.

Grundsätzlich gilt, dass die derzeit vorhandene Fläche der alten und seltenen Waldbestände zu erhalten und gleichzeitig ihr besonderer Reichtum an Altbaum- und Totholzstrukturen so lange wie möglich zu sichern ist. Dabei ergeben sich erhebliche regionale Unterschiede. Einerseits gibt es Bereiche mit noch günstigen Voraussetzungen für die Habitattradition, z.B. alte Laubwaldgebiete. Hier sollen flächige alte Waldbestände als Reservoir und Spenderfläche geschützt werden. Andererseits gibt es Bereiche mit ungünstigeren Voraussetzungen für die Habitattradition. Dort sind vor allen seltene Waldbestände und kleinflächige Reste alter Waldbestände erhalten werden.

Management von Totholz und Biotopbäumen

Totholz, Biotopbäume und besondere Altbäume, sogenannte "Methusaleme", sind für den Schutz vieler Waldarten von herausragender Bedeutung. Horst- und Höhlenbäume sind darüber hinaus als Lebensstätten gesetzlich geschützt.

Neben der naturschutzfachlichen Bedeutung spielen auch die Belange der übrigen Waldnutzung eine Rolle. Oberste Priorität beim Totholz- und Biotopbaummanagement hat die Arbeits- und Verkehrssicherheit sowie die körperliche Unversehrtheit von Menschen. Dies muss bei der Umsetzung der Ziele berücksichtigt werden.

In Waldbeständen, die über ein hohes Alter verfügen und gleichzeitig eine naturnahe Baumartenzusammensetzung aufweisen (z.B. Laubholzmischbestände über 140 Jahre) werden langfristig bis zu 40 Festmeter Totholz und zehn Biotopbäume je Hektar angestrebt. In naturferneren Waldbeständen werden nach und nach Totholz und Biotopbäume stehen gelassen. Methusaleme werden grundsätzlich nicht genutzt.

Regionale Naturschutzkonzepte

In den regionalen Naturschutzkonzepten werden die Ziele aus dem Naturschutzkonzept der BaySF in konkrete Handlungsanweisungen auf Forstbetriebsebene umgesetzt. Gleichzeitig werden örtliche Besonderheiten herausgearbeitet. Dies soll am Beispiel des Forstbetriebs (FB) Rothenbuch im Folgenden verdeutlicht werden.

Informationen zum FB Rothenbuch:

  • umfasst ca. 17.000 Hektar im Spessart (größtes zusammenhängendes Laubwaldgebiet Deutschlands)
  • über 75 Prozent der Holzbodenfläche bestehen aus naturnah zusammengesetzten Laubwäldern; ein Drittel davon sind über 140 Jahre alt
  • enthält knapp 13.000 Hektar Vogelschutzgebiete (SPA) und über 9.000 Hektar Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH)

Das Naturschutzkonzept des FB beinhaltet zum einen den Naturschutz auf der ganzen Fläche. Schwerpunkt ist dabei die Erhaltung der Hainsimsen-Buchenwälder (Luzulo-Fagetum) mit einem Eichenanteil von derzeit 25 Prozent und Sicherung des daran gebundenen Artenspektrums. Diesen integrativen Ansatz ergänzen Naturschutzgebiete, Naturwaldreservate und Hiebsruhe in alten Wäldern
(= segregative Komponente). Dazu gehören

  • die Naturschutzgebiete "Rohrberg" und "Metzger", die zu den ältesten Bayerns zählen,
  • das Naturwaldreservat "Eichhall" mit Eichenbeständen aus dem berühmten Heisterblock,
  • das Naturwaldreservat "Hoher Knuck", das ältere Buchenbestände repräsentiert, in die auch jüngere Nadelholzteile eingestreut sind,
  • das Naturwaldreservat "Gaul", das sich zur Zeit noch in der Ausweisung befindet, sowie
  • circa 960 Hektar Buchenbestände über 180 Jahre und circa 350 Hektar Eichenwälder über 300 Jahre, die nur noch sehr extensiv bewirtschaftet werden (die wertvollsten Sortimente werden einzelbaumweise genutzt, danach werden die Bestände in Hiebsruhe gesetzt).

Auf den Flächen des ehemaligen Forstamtes Rothenbuch wurde das "Rothenbucher Totholz- und Biotopbaumkonzept" entwickelt und bereits seit über 15 Jahren praktiziert. Dessen positive Auswirkungen auf die Biodiversität konnte im Vergleich mit benachbarten Wäldern inzwischen wissenschaftlich belegt werden.

Der Umgang mit Naturwaldreservaten

Aus den Beobachtungen in Naturwaldreservaten sollen unter anderem weitere Erkenntnisse für eine zukunftsfähige, naturnahe Waldbewirtschaftung gezogen werden. Neue Herausforderungen ergeben sich dabei vor allem aus dem Klimawandel. Von besonderem Interesse ist die Frage nach dem natürlichen Strukturreichtum und mit welchen Verjüngungs- und Pflegeverfahren dieser zu erreichen ist. Die Naturwaldreservate dienen in diesem Zusammenhang auch als Anschauungsobjekte. Es wird weiterhin geprüft welche Flächen geeignet sind, um neue Naturwaldreservate auszuweisen bzw. bestehende Naturwaldreservate zu erweitern.

Im täglichen Umgang mit den Naturwaldreservaten stellen Waldschutz und Verkehrssicherung immer wieder eine Sondersituation dar. Notwendige Maßnahmen könnten das Prinzip des Prozessschutzes in Frage stellen. Daher gibt es jetzt eine Entscheidungs- und Dokumentationshilfe für Waldschutzmaßnahmen. Auf deren Grundlage können angemessene Maßnahmen geplant und umgesetzt werden. Zu den wichtigen Maßnahmen zählen unter anderem die Sperrung von Wegen oder der Rückbau von Forststraßen.