Artenvielfalt sagt viel über die Gesundheit des Waldes aus, über seine Resistenz gegenüber Kalamitäten und die Verfügbarkeit von Lebensräumen für gefährdete Arten. Das Monitoring der Biodiversität bildet die Grundlage für gezielte Schutzmaßnahmen und die Förderung der Artenvielfalt auf regionaler und landesweiter Ebene.
Luft, Wasser, Boden abhängig von der Artenvielfalt
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben viele bislang selbstverständliche Ökosystemleistungen der Wälder in Frage gestellt. Trockenheits- und Kalamitätsschäden als Folgen des Klimawandels führten zum Absterben ganzer Bestände und zu Problemen mit dem Grundwasser. Weniger augenscheinlich ist der schleichende, aber dramatische Verlust an Artenvielfalt. Im Offenland ist der Schwund an Insekten ein bereits gesellschaftlich breit diskutiertes Thema. Eine hohe Biodiversität ist nicht nur Grundlage für gesunde und anpassungsfähige Wälder, sondern auch für die Regulierungsleistungen der Ökosysteme: Gute Luft, sauberes Wasser und gesunde Böden sind von der biologischen Vielfalt der Wälder abhängig. Eine hohe Artenvielfalt hilft bei der Anpassung an den Klimawandel und reduziert die Auswirkungen von Naturgefahren.
Lücken im Monitoring schließen
Das EU-Parlament hat eine Biodiversitätsstrategie für 2030 ins Leben gerufen. Ziel ist es, dass geschädigte Ökosysteme in Europa bis 2050 wiederhergestellt, widerstandsfähig und angemessen geschützt sind und der Druck auf die Biodiversität verringert ist. Status und Entwicklung der Biodiversität in den Wäldern können bestehende Monitoringprogramme jedoch nicht ausreichend erfassen. Um diese Lücke zu schließen, hat die FVA im Rahmen des “Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt” des Landes Baden-Württemberg 2018 begonnen, Konzepte für ein systematisches Monitoring der biologischen Vielfalt im Wald zu entwickeln. Damit sollen umfassende und repräsentative Informationen über die Entwicklung der biologischen Vielfalt und Wirkungsweise von Einflussgrößen in allen Landschaftsräumen gewonnen werden.
Das Monitoring soll Grundlagen für ein biodiversitätsorientiertes Waldmanagement für alle Waldbesitzenden liefern, die Wald- und Naturschutzpolitik des Landes unterstützen und zur Erfüllung nationaler und internationaler Berichtspflichten beitragen. Nach einer Pilotphase der Methodenerprobung wurde das systematische Monitoring in den Jahren 2023 und 2024 im Rahmen der Waldstrategie für die dauerhafte Umsetzung eingerichtet. Dieses soll anschlussfähig an bereits existierende Monitoringsysteme sein, damit die erhobenen Daten kombinierbar und zusammen auswertbar sind.
Ein möglichst ganzheitliches Bild gewinnen
Das Biodiversitätsmonitoring der FVA erfasst auf rund 80 repräsentativen Waldflächen und rund 50 Erweiterungsflächen für spezifische Fragestellungen Bodenlebewesen, Insekten, Fledermäuse sowie die sie beeinflussenden Standorteigenschaften und Waldstrukturen. Zusätzlich werden Umweltdaten mittels etablierter Methoden des Boden- und Umweltmonitorings erhoben. Durch innovative Fernerkundungsmethoden wie dem mobilen Laserscanning oder Luftbildauswertungen werden sowohl flächendeckend als auch kleinräumig verschiedene Waldstrukturen erfasst. So können Zustand und Entwicklung der Biodiversität sowie deren Abhängigkeit von der Waldbewirtschaftung beschrieben werden. Das Monitoring der Waldbiodiversität ist eine Daueraufgabe und Basis für ein adaptives Waldmanagement. Gleichzeitig werden so Grundlagen für Forschung und Entwicklung sowie für politische Entscheidungen und deren Evaluierung und Kommunikation geschaffen.
Abb. 7. Dunkelblauer Laufkäfer. Foto: B. Schwarz (FVA BW)
Abb. 8. Laufkäfer. Foto: S. Bluhm (FVA BW)
Die ausgewählten Artengruppen repräsentieren ökologische Ansprüche auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen, verschiedene Lebensräume und Lebensweisen, um ein möglichst ganzheitliches Bild der waldtypischen Biodiversität zeichnen zu können. Diese Artengruppen reagieren besonders sensibel auf Veränderungen ihrer Lebensräume und sind daher wichtige Indikatoren für den Zustand des Gesamtökosystems Wald. Außerdem erfüllen sie zum Beispiel als Bestäuber oder Zersetzer wichtige Funktionen im Waldökosystem und bilden verschiedene Ebenen der Nahrungsketten ab.
Abb. 9. Großer Abendsegler. Foto: Katpaws (Adobe Stock)
Abb. 10. Großes Mausohr. Foto: J. Neumann (Adobe Stock)
Vernetzung von Monitoringprogrammen
Die aus dem Biodiversitätsmonitoring im Wald gewonnenen Daten ergänzen bestehende Monitoringprogramme der Landesanstalt für Umwelt (LUBW), insbesondere das für Insekten im Offenland und das Fledermausmonitoring. Daneben werden auch Programme weiterer Akteurinnen und Akteure ergänzt – etwa die Erhebungen zur nationalen Berichtspflicht im Rahmen von Natura 2000, das Monitoring der Brutvögel durch den Dachverband deutscher Avifaunisten im Auftrag der Landesnaturschutzverwaltung, das Monitoring von Bodenzustand und krautigen Pflanzen im Rahmen der Bodenzustandserhebung oder auch das Monitoring biodiversitätsrelevanter Parameter im Rahmen der Bundeswaldinventur. So entsteht ein landesweites Bild von der Verteilung der Biodiversität im Wald und ihrer Entwicklung. Die Daten aus dem Biodiversitätsmonitoring und die abgeleiteten Empfehlungen für das Waldmanagement werden in bestehende forstliche Informationssysteme integriert. Die gesammelten Proben, etwa aus dem Insektenfang, werden zentral beim Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe in einem landesweiten Repositorium für zukünftige Auswertungen archiviert.