Vor Einführung der Wasserrahmenrichtlinie der EU (WRRL) war die nationale Gesetzgebung zur Gewässerbewirtschaftung in ihren Grundzügen auf eine dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtete Gewässerbenutzung ausgerichtet, die so stattfinden sollte, dass jede vermeidbare Beeinträchtigung vor allem der Wasserbeschaffenheit unterbleibt.

Zwischen 1970 und 2000 hatte die Europäische Union zahlreiche den Gewässerschutz betreffende Regelungen ‑ mehr als 25 Rechtsakte und eine Fülle von Richtlinien ‑ erlassen, die insgesamt gesehen keine kohärente Einheit darstellten. Seit den 90er-Jahren war die EU bestrebt, in der Wasserpolitik der Gemeinschaft einen integrierten, die vielen Einzelregelungen zusammenfassenden Ansatz zu verfolgen. Das bis dahin als Regelungsphilosophie geltende Immissionsprinzip wurde um einen ganzheitlichen, die natürliche Funktionsfähigkeit von aquatischen Ökosystemen beachtenden Ansatz erweitert und mit der Schaffung der WRRL als Leitmotiv im europäischen Gewässerschutz verankert.

Am 22.12.2000 ist die WRRL in Kraft getreten. Die Umsetzung in nationales Recht erfolgte durch die rahmenrechtliche Regelung des Bundes mit der 7. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vom 18.6.2002. Rechtliche Regelungen im Wassergesetz für Baden-Württemberg (WG) erfolgten im Dezember 2003 und traten im Januar 2004 in Kraft.

Ziele der WRRL

Oberstes Ziel ist die "Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängigen Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt".

Teilziele sind der gute Zustand der Oberflächengewässer (guter ökologischer und guter chemischer Zustand), der gute Zustand des Grundwassers (guter chemischer und guter mengenmäßiger Zustand) und eine ausreichende Wasserversorgung der unmittelbar vom Grundwasser oder Oberflächenwasser abhängigen Landökosysteme und Feuchtgebiete. Der gute Zustand ist definiert als Zustand der vom sehr guten Zustand nur unwesentlich abweicht. Der sehr gute Zustand ist gegeben, wenn keine oder nur sehr geringfügige Änderungen gegenüber den Werten zu verzeichnen sind, die normalerweise mit der Abwesenheit störender anthropogener Einflüsse einhergehen.

Fristen für die Umsetzung

Die Umsetzung der WRRL ist mit einem Fristenkonzept verbunden. Wichtige Meilensteine waren bisher:

  • die Umsetzung in nationales Recht bis Ende 2003
  • eine Bestandsaufnahme aller Gewässer bis Ende 2004
  • Aufbau eines Messnetzes für ein Gewässermonitoring bis Ende 2006
  • Aufstellung von Bewirtschaftungsplänen mit Maßnahmenprogrammen für drei sog. "Bewirtschaftungszeiträume" (2009-2015, 2016-2021, 2022-2027), die jeweils von einer Bestandsaufnahme begleitet werden. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme dienen der Aktualisierung der Bewirtschaftungspläne des nächsten Bewirtschaftungszeitraums und werden im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens mit der Öffentlichkeit diskutiert
  • Im ersten Bewirtschaftungszeitraum bis Ende 2009 konnte der angestrebte gute Gewässerzustands in allen Gewässern noch nicht erreicht werden. Seit 2016 befinden wir uns im zweiten sechsjährigen Bewirtschaftungszeitraum
  • Fristverlängerungen über 2027 hinaus sind nicht vorgesehen

Maßnahmen

Um die Ziele zu realisieren, sind vor allem folgende Maßnahmen notwendig:

  • Vermeidung bzw. Reduzierung der Gewässerverschmutzung
  • Erhaltung oder Verbesserung von Wasserhaushalt, Gewässermorphologie und Durchgängigkeit zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Gewässerfauna und -flora
  • Erhaltung oder Wiederherstellung eines den natürlichen Verhältnissen nahekommenden Bestandes von Wasserpflanzen, Gewässerkleintieren und Fischen
  • Schutz und Verbesserung des Grundwassers als nachhaltig nutzbare Wasserressource hinsichtlich Menge und Qualität
  • Schutz und Verbesserung der Wasserversorgung von Landökosystemen, deren Qualität direkt von einer Versorgung mit Grund- oder Oberflächenwasser abhängt.

Verschlechterungsverbot

Neben den aufgezählten Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen spricht die Richtlinie ein Verschlechterungsverbot aus. Das bedeutet, dass dafür Sorge zu tragen ist, den derzeitigen Zustand der Oberflächengewässer und des Grundwassers zu gewährleisten und alle gewässerrelevanten Aktivitäten so durchzuführen, dass eine Verschlechterung nach derzeitigem Kenntnisstand ausgeschlossen ist!

Ergebnisse der bundesweiten Bestandsaufnahme der Gewässer

Im Januar 2005 wurden für Deutschland die Ergebnisse der ersten Bestandsaufnahme der Gewässer vorgelegt. Sie basierten auf Erhebungen der einzelnen Bundesländer. Es ergab sich folgendes Gesamtbild: Für eine Vielzahl von Gewässern ist zu erwarten, dass sie den guten ökologischen Zustand ohne weitergehende Maßnahmen wahrscheinlich nicht erreichen.

Die zweite Bestandsaufnahme von 2015 bestätigte weiteren Handlungsbedarf: nur in 8,2 % der Oberflächengewässer konnte der gewünschte ökologische Zustand festgestellt werden.

Als häufigste Ursache dafür, dass eine Zielerreichung unwahrscheinlich ist, wurden in beiden Bestandsaufnahmen Beeinträchtigungen der Gewässerstrukturen und Querbauwerke genannt, welche die Wanderung von Fischen und Organismen des Makrozoobenthos (mit dem Auge noch erkennbare tierische Organismen im Gewässerboden) verhindern.

Für das Grundwasser konnte eine optimistischere Bilanz gezogen werden: schon 64 Prozent der Grundwasserkörper erreichten zum Beispiel einen chemisch "guten Zustand".

Der Beurteilung zugrunde liegt ein „worst-case“-Ansatzes, nach dem die Überschreitung eines einzigen Untersuchungskriteriums ausreicht, um die Zielerreichung für einen Wasserkörper insgesamt in Frage zu stellen. Dabei versteht man unter einem Wasserkörper in sich einheitliche Teile eines Oberflächengewässers oder des Grundwassers. Sie sind die eigentlichen Bewirtschaftungseinheiten, in denen die Belastungen erfasst, ihre Auswirkungen überwacht und Maßnahmen durchgeführt werden.

Ergebnisse der landesweiten Bestandesaufnahme

Als Grundlage für die Bestandsaufnahme 2004 in Baden-Württemberg dienten vor allem Daten, die bei der Gewässerüberwachung ohnehin laufend erhoben wurden und werden. Nur ein Teil der Daten wurde neu erfasst. Für die Beurteilung der Oberflächengewässer wurden die Daten in vier "ökologische Komponenten" (= ökologischer Zustand) und zwei "chemische Komponenten" (= chemischer Zustand) zusammengefasst.

Dennoch ergab die Bestandsaufnahme für die Oberflächengewässer in Baden-Württemberg, bezogen auf den ökologischen Zustand, dass für 69 % der untersuchten Bäche und Flüsse die Zielerreichung unsicher und für 31 % unwahrscheinlich ist. Beim chemischem Zustand fiel das Ergebnis besser aus. Hier ist für 49 % der Fließgewässer die Zielerreichung wahrscheinlich, für 47 % unsicher und lediglich für 4 % unwahrscheinlich.

Für die Aufstellung des Bewirtschaftungsplans 2009 konnte die erforderliche Datenqualität vor allem bei der Fischfauna noch nicht erreicht werden, weshalb der ökologische Zustand der Gewässer nicht immer abschließend nach den Vorgaben der WRRL bewertet werden und für einen Großteil der Flusswasserkörper als „unklassifiziert“ eingestuft werden musste. Bis 2018 wurden die derzeit aktuellen Bewirtschaftungspläne umgesetzt. Die nächste Bestandsaufnahme erfolgt 2019.

Messstellen liegen nicht im Wald

Zum Ergebnis ist anzumerken, dass bei der Bestandsaufnahme 2004 Gewässerstrecken im Wald keine Rolle gespielt haben. Der Grund dafür ist, dass Daten aus der ohnehin laufenden Gewässerüberwachung herangezogen wurden. Die dafür bestehenden Messstellen liegen fast alle außerhalb Waldes. Die genannten Zahlen geben daher vor allem die Verhältnisse im Offenland und Siedlungsbereich wieder.

Nach den Vorgaben der EU sollen alle Gewässer einen guten ökologischen und guten chemischen Zustand erreichen. Zwingend umgesetzt werden musste bis zum Jahr 2015 die WRRL nur an den Bächen und Flüssen mit einem Einzugsgebiet > 10 km2. Das sind in Baden-Württemberg rd. 15.500 km Gewässerstrecke oder 31 % des gesamten Gewässernetzes. Daher konzentrierten sich die derzeitig gültigen Bewirtschaftungs- und Maßnahmenpläne nur auf die größeren Bäche und die Flüsse und damit in erster Linie auf Offenland bzw. Siedlungsbereichen.

Folgerungen für die Waldbewirtschaftung

Ob ein Fließgewässer im Wald in die zu treffenden Maßnahmen einbezogen werden muss, hängt also zum einen von der Größe des Einzugsgebiets ab. Zum anderen davon, ob einzelne Belastungen für sich genommen oder in Kombination mit anderen zu "signifikanten" Belastungen führen, d.h. die festgelegte Grenze zwischen den Zustandsklassen "gut" und "mäßig" überschritten wird, da sie bestimmt, ob Maßnahmen zur Verbesserung des ökologischen und/oder chemischen Gewässerzustands erforderlich sind.

Im Wald ist nur der ökologische Zustand relevant

Wie Untersuchungen der FVA zeigen, sind Beeinträchtigungen des chemischen Zustands bei den Fließgewässern im Wald, soweit es sich um Fließstrecken ausschließlich oder überwiegend im Wald handelt, nicht vorhanden. Von Belang ist jedoch der ökologische Gewässerzustand, bezogen auf biologische und hydromorphologische Qualitätselemente. Die ökologische Einstufung hängt davon ab, wie stark die Qualität eines Gewässers von den Referenzbedingungen einer vergleichbaren, durch menschliche Einflüsse nahezu ungestörten Gewässerstrecke abweicht. Die Referenzbedingungen sind typspezifisch (z.B. Fließgewässertypen des Mittelgebirges) herzuleiten.

Beispiel für Belastungen

Ein biologisches Qualitätselement, anhand dessen der ökologische Zustand von Fließgewässern bestimmt wird, ist die Fischfauna. Führen Bauwerke, welche die Wanderung von Gewässerorganismen verhindern , zu Auswirkungen auf die Artenzusammensetzung und die Abundanz der gewässertypischen Fischgemeinschaften, ist eine Belastung gegeben, wenn mehr als geringfügige Abweichungen in der Zusammensetzung der Fischfauna im Verhältnis zu den typspezifischen Referenzbedingungen auftreten. In diesem Fall wären Maßnahmen zu treffen, um die Durchwanderbarkeit wieder herzustellen.

Verdolungen verhindern die Wanderung

Untersuchungen der FVA zur Zusammensetzung der Fischfauna von Waldbächen belegen solche Belastungen. Diese treten in erster Linie durch nicht durchwanderbare Gewässerquerungen für Waldwege auf, vor allem in Form von Verdolungen.

Fließgewässer im Wald werden durch die im Zuge der Umsetzung der WRRL aufzustellenden Maßnahmenpläne wegen ihrer kleinen Einzugsgebiete unter 10 km2 überwiegend nicht erfasst. Gleichwohl ergeben sich aus den im Wasserhaushaltsgesetz (WHG, Stand 2918) verankerten Grundsätzen im Wald zu beachtende Vorgaben:

  • § 6 (2 WHG): Gewässer, die sich in einem natürlichen oder naturnahen Zustand befinden, sollen in diesem Zustand erhalten bleiben und nicht naturnah ausgebaute natürliche Gewässer sollen so weit wie möglich wieder in einen naturnahen Zustand zurückgeführt werden…An einem Waldbach kann ein naturnaher Zustand dadurch angestrebt werden, dass z. B. nicht durchwanderbare Dolen entfernt oder durchwanderbar gestaltet werden.
  • §5 (1) WHG: Jede Person ist verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften zu vermeiden…

Ergänzend im Wassergesetz von Baden.Württemberg (WG, Stand 2018):

  • § 14 WG: Die Gewässer sind so zu benutzen, dass deren ökologische Funktionen möglichst wenig beeinträchtigt werden, alle Benutzer angemessene Vorteile aus dem Wasser ziehen können und jede vermeidbare Beeinträchtigung anderer unterbleibt.

Diese Sorgfaltspflichten umschreiben zusammenmit anderen Paragrafen das von der WRRL geforderte Verschlechterungsverbot. Sie haben zur Konsequenz, dass z.B. eine neue Gewässerquerung für einen Wald- oder Maschinenweg so ausgeführt werden muss, dass die Durchwanderbarkeit nicht beeinträchtigt wird. Für den Bau oder Umbau von Gewässerquerungen muss übrigens, unabhängig von der Breite und Wasserführung eines Fließgewässers, eine wasserrechtliche Erlaubnis beantragt werden.