Schon seit Jahren sorgen Tockenstress und damit einhergehender Insektenbefall für das beschleunigte Absterben der Kiefern. Umso wichtiger ist es, mit Durchforstungen die Belastungen für die Kiefern zu mindern, sie zu stabilisieren und ihr Ausfallrisiko zu reduzieren.

Historie

Seit Jahrhunderten zieht sich das „Kiefernsterben“ wie ein roter Faden durch die Geschichte der Waldkiefernwälder Europas (Auszug Historie).

In Baden-Württemberg sind seit einigen Jahren Vitalitätseinbußen und schleichendes Absterben von Kiefern merklich. Mit den heißen und trockenen Sommern 2018 und 2019 hat sich diese Entwicklung rasant beschleunigt und ausgebreitet. Die Entwicklung des aufgearbeiteten Schadholzes spiegelt diese Dynamik zumindest bis 2019 gut wider (Abb. 2). Besonders betroffen ist die Oberrheinischen Tiefebene – das wärmste und niederschlagsärmste Wuchsgebiet des Landes. Die größten Schäden werden in den Hardtwäldern im nördlichen Bereich verzeichnet, im südlichen Bereich sind sie geringer. Die Kiefernbestände sind hier deutlich jünger als im nördlichen Bereich; die Schadholzmengen korrespondieren daher mit größeren Flächen.

Schadholzbuchungen

Bei der Interpretation der Schadholzbuchungen in jüngerer Vergangenheit ist Vorsicht geboten. So wurden im 1. Halbjahr 2020 im öffentlichen Wald Baden-Württembergs (Stand Juli 2020) nur gut 50.000 fm verbucht. Dies entspricht nur ca. der Hälfte des Vorjahres und könnte so auf eine rückläufige Schadintensität schließen lassen. Zunehmend größere Schadholzholzmengen verbleiben aber in den Beständen, so dass die Buchungen die Schaddynamik nicht mehr vollständig widerspiegeln. Gutachtlich ist anzunehmen, dass im öffentlichen Wald bei Kiefer bis Ende 2020 Gesamt-Schadflächen von etwa 300 bis 400 ha entstehen.

Das hohe Schadausmaß erscheint unerwartet, da die Kiefer als wärme- und trockenheitstolerant gilt. Das aktuelle Kiefernsterben liefert jedoch deutliche Hinweise, dass diese pauschale Zuschreibung fehlerhaft und die Baumart diesbezüglich nicht unkritisch ist. Derzeit sind auch biotische Schaderreger an den Ausfällen beteiligt, darunter Befall mit Misteln oder Pilzerregern (z.B. Diplodia pinea). Von entscheidender Bedeutung zeigt sich jedoch für die aktuellen Schäden die ungewöhnliche Häufung heiß-trockener Sommer, die die Kiefern substanziell schwächen und so den biotischen Schaderregern erst den Weg bereiten.

Was tun in gefährdeten Kiefernwäldern?

Waldbauliches Handeln
  • Umbau der Bestockung durch Ersatz bzw. Anreicherung von Kiefernbeständen mit Baumarten, die ein größeres Anpassungspotenzial haben. Dazu ist die Verjüngungs-phase am besten geeignet, sowohl bei planmäßiger Verjüngung als auch bei Wiederbewaldung von Schadflächen.
  • Pflegemaßnahmen zum Stabilisieren bestehender Bestände. In den Kiefernwäldern im Wallis ließ sich experimentell nachweisen, dass Maßnahmen zur Verringerung der Konkurrenz die Überlebensraten der Kiefern positiv beeinflussen. Dies galt bei Beseitigung des Unterwuchses und bei Durchforstung. Infolge reduzierter Interzeption (Wasser verdunstet schon auf den Nadeln) und Wurzelkonkurrenz steht den verbleibenden Kiefern mehr Wasser zur Verfügung. Daher sind markante Durchforstungen als Schlüsselelement zur Stabilisierung der dortigen Kiefernwälder empfehlenswert.
Schweizer Durchforstungs-Empfehlungen übertragbar

Ein Beispiel am südlichen Oberrhein zeigt, dass die Schweizer Durchforstungs-Empfehlungen übertragbar sind. Hier stocken Kiefernwälder in den sog. „Trockenauen“ (ausgesprochen flachgründige Schotter-Standorte), die infolge Grundwasserabsenkungen trocken gefallen sind. Sehr stark betroffen vom Kiefernsterben ist hier der Wald der Gemeinde Hartheim am Rhein. Ende 2015 wurde eine erste Schadfläche (rd. 0,2 Hektar) beobachtet, die sich im Folgejahr auf vier Hektar erweiterte. Besonders 2018 und 2019 nahm ihre Größe weiter sprunghaft zu. Die geräumten Kahlfläche beträgt derzeit knapp 100 Hektar – das ist etwa die Hälfte der Kiefernbestände im gesamten Gemeindewald (Abb. 3, links).

Dabei dürfte die ungünstige Klimaentwicklung eine wesentliche Rolle spielen. Der Temperaturanstieg gegenüber dem Mittelwert der Periode 1961 bis 1990 beträgt derzeit rd. 1,5-2 °C. Außerdem belegen Indexwerte für die Bodenfeuchte1) eine Häufung ungünstiger Extremjahre: besonders 2003, 2005 und 2018 sind die Sommermonate mit Indexwerten für „extreme Dürre“ kategorisiert.

1) Datenquelle UFZ; berechnet für den Versuch Kie120 (Oberboden)

Durchforstungsversuch Kie120

Eine direkt an die Schadfläche angrenzende Versuchsfläche der FVA vermittelt einen Eindruck über mögliche Auswirkungen unterschiedlich intensiver Durchforstungen. Der Versuch Kie120 (siehe Info) ist bestens mit der Schadfläche vergleichbar, weil Standort- und Entstehungsverhältnisse denen der unmittelbar an den Versuch heranreichenden Fläche entsprechen (Abb. 3, rechts). Die versuchsweisen Durchforstungen variieren erheblich hinsichtlich Intensität und Kontinuität. Der Versuch umfasst ein undurchforstetes Vergleichsfeld und Felder, bei denen die letzten aktiven Durchforstungen 2000 (Alter 42 Jahre), 2005 (47 Jahre) bzw. 2012 (54 Jahre) stattgefunden hatten.

Die ungünstigste Entwicklung zeigt das Vergleichsfeld. Im April 2019 wiesen dort bereits knapp 60 % der sechs Jahre zuvor noch lebend angetroffenen Kiefern abgestorbene Kronen ohne grüne Nadeln auf. Die meisten davon waren mutmaßlich 2018 abgestorben. 36 % der Kiefern zeigten schon deutlich erkennbare Anteile verbraunter Nadeln. Bei lediglich 6 % schienen die Kronen noch vollständig grün (Abb. 4A). 2019 setzte sich das Absterben weiter fort. Der Zustand auf dem undurchforsteten Vergleichsfeld ist inzwischen verheerend und entspricht mit 72 % abgestorbener Kiefern (Abb. 4B) etwa dem Niveau auf der benachbarten Schadflächen im Gemeindewald. Auch in den durchforsteten Beständen sind nennenswerte Schäden aufgetreten, aber durchweg mit weniger schlimmem Verlauf. Bemerkenswert war, dass sich im April 2019 auf dem Durchforstungsfeld, bei dem die letzte Durchforstung 18 Jahre zurück lag, die vergleichsweise ungünstigsten Verhältnisse zeigten. Es deutet sich an, dass der Kronenzustand umso günstiger ausfällt, je kürzer die letzte Durchforstung zurückliegt (Abb. 4A). Im Lauf von 2019 hat sich auch der Zustand der durchforsteten Bestände weiter verschlechtert (Abb. 4B) und mit 10 bis 39 % ein hohes Niveau abgestorbener Kiefern erreicht. Die Tendenz eines mit abnehmender Zeitspanne seit der letzten Durchforstung abnehmenden Schadensniveaus blieb aber erhalten.

Vergleichbare Effekte sind auch aus anderen Untersuchungen mit Kiefern und anderen Baumarten bekannt: Bäume entwickeln sich in sachgemäß durchforsteten Beständen nach Trockenjahren tendenziell stabiler als in gering oder nicht durchforsteten Beständen. Der Durchforstungseingriff bewirkt wohl eine verringerte  Interzeption und Wurzelkonkurrenz, so dass Bodenwasser für die verbleibenden Bäume - zumindest vorübergehend – besser verfügbar ist. Im Unterschied dazu lassen sich durch (vertikale) Strukturierung von Beständen im Zusammenhang mit Trockenjahren keine positiven Auswirkungen auf die Stabilität nachweisen.

Fazit

  • Durchforstungen können schädliche Auswirkungen von Trockenheit oder Hitze nicht grundlegend beseitigen oder komplett kompensieren.
  • Sie können dazu beitragen, die Belastungen für die Bäume zu mindern und somit diese zu stabilisieren .
  • Mit regelmäßig wiederholter, sachgemäßer Durchforstung lässt sich die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit für die verbleibenden Bäume erhöhen und ihre Vitalität fördern.
  • Die gelegentlich über Durchforstungen kolportierten Schädigungen für die Wasserversorgung, aufgrund ungünstiger Veränderungen des Innenklimas der Bestände, entbehren realer Grundlagen.
  • Gerade in Zeiten des Klimawandels sind regelmäßig wiederholte, sachgemäße Durchforstungen hilfreich. Aus falsch verstandener Vorsicht nicht mehr zu durchforsten, wäre deshalb verkehrt.
  • „Brutaleingriffe“ gehören aber nicht zu den angemessenen Durchforstungen!