Periurbane Wälder und andere naturnahe Freiräume stehen unter Druck. Während sie für die Erholung der Bevölkerung unverzichtbar sind, leiden empfindliche Ökosysteme oft unter Störungen durch Besucher. Wildtiere werden gestört, Pflanzen durch Trampelpfade abseits der Wege beschädigt. Doch grossräumige Zugangsbeschränkungen sind selten eine praktikable Lösung – Menschen benötigen naturnahe Erholungsräume, um den Alltagsstress abzubauen.

Ein Lösungsweg, den Konflikt von Naturschutz und Naherholung zu entschärfen, besteht in der optimierten Planung, Ausgestaltung und Anpassung des Wegnetzes. Ein neues Besucherlenkungstool hilft dabei: Mit dem digitalen Werkzeug können Planer, Förster und Naturschutzfachleute Wege, aber auch das Parkplatzangebot so planen, dass Besucherströme effizient gelenkt und sensible Lebensräume besser geschützt werden. 

Dazu sind Kenntnisse über ökologisch empfindliche Gebiete, über die aktuelle und zukünftige Nutzung der Wege sowie über die Auswirkungen von Anpassungen des Wegenetzes auf die Besucherströme erforderlich. Das Tool wurde von einem interdisziplinären Forschungsteam der WSL entwickelt. Eine Begleitgruppe aus kantonalen und eidgenössischen Fachstellen, Planern und Fachorganisationen hat die Entwicklung begleitet, um die Praxistauglichkeit des Tools sicherzustellen.

Grundlagen und Bedienung

Das Besucherlenkungstool kombiniert zwei wissenschaftliche Ansätze:

  1. Modellierung der ökologischen Nischen seltener und gefährdeter Arten (Rote Liste Arten), basierend auf Daten des Schweizerischen Informationszentrums für Arten (InfoSpecies).
  2. Agentenbasierte Simulation von Besucherströmen anhand von Erhebungsdaten der Eidg. Forschungsanstalt WSL.

Diese Ansätze arbeiten im Hintergrund, weshalb die Benutzeroberfläche einfach gehalten werden konnte. so können auf einfache Weise in einem gewünschten Gebiet Besucherströme simuliert sowie ökologisch sensible Bereiche visualisiert werden. Über die benutzerfreundliche Oberfläche können Wege und Infrastrukturen angepasst und deren Auswirkungen auf Nutzungen und Schutzgebiete in Echtzeit analysiert werden. Das Tool wurde speziell für eine effiziente und praxisnahe Planung entwickelt.

Anwendung im Überblick

Screenshot Besucherlenkungstool

Einstieg ins Besucherlenkungstool mit Bedienungshinweisen.

Screenshot Besucherlenkungstool

1. Schritt: Definieren Sie Ihren Planungsbereich (in der Schweiz).

Screenshot Besucherlenkungstool

2. Schritt: a) Bestimmen Sie die Sensitivitäts­matrix, die den Lebens­raum von gefährdeten Arten aufzeigt.

Screenshot Besucherlenkungstool

2. Schritt: b) Wählen Sie, wie stark die Lebens­räume von ausgewählten Arten in der Planung berücksichtigt werden sollen.

Screenshot Besucherlenkungstool

2. Schritt: c) Wählen Sie die konkreten Tier- und Pflanzenarten.

Screenshot Besucherlenkungstool

3. Schritt: Bewegen Sie den Schieberegler, um den Umfang der Zielgebiete für die Planung zu bestimmen.

Screenshot Besucherlenkungstool

4. Schritt: Passen Sie den Umfang der Zielgebiete manuell an.

Screenshot Besucherlenkungstool

5. Schritt: a) Starten Sie die Simulation der Besucher­ströme zur Naherholung.

Screenshot Besucherlenkungstool

5. Schritt: b) Analysieren Sie Ihr Ergebnis nach Agentengruppen (z.B. Radfahrer).

Screenshot Besucherlenkungstool

Schritt 5+: Schaffen Sie neue Versionen mit geänderten Weg­verbindungen oder Parkplatz­standorten …

Screenshot Besucherlenkungstool

Schritt 5+: … und vergleichen Sie die verschiedenen Versionen.

Screenshot Besucherlenkungstool

Schritt 5+: Verändern Sie Elemente wie Wege und Parkplätze, um Ihre Planung zu optimieren.

Kernfunktionen des Tools

Das Besucherlenkungstool ermöglicht es, in wenigen Schritten für ein beliebiges Gebiet in den periurbanen Regionen der Schweiz die Auswirkungen verschiedener Wegeplanungsszenarien auf die Erholungsnutzung und den Naturschutz zu simulieren:

  1. Simulation von Besucherströmen: Das Tool zeigt, welche Wege in der aktuellen Situation am meisten genutzt werden und wie sich Veränderungen im Wegnetz und im Parkplatzangebot auf die Besucherströme auswirken.
  2. Schutz sensibler Gebiete: Karten zeigen, wo sich ökologisch wertvolle Gebiete mit seltenen oder gefährdeten Tier- und Pflanzenarten befinden.
  3. Flexibilität bei der Planung: Nutzer können das Wegenetz, Parkplätze oder andere Infrastrukturen anpassen und die Auswirkungen ihrer Änderungen in Echtzeit simulieren.

Anwendungsbeispiele

  1. Schutz sensibler Lebensräume
    Eine Gemeinde in der Nähe eines Feuchtgebietes kann mit Hilfe des Tools erkennen, dass Wege in der Nähe von Brutplätzen einer seltenen Vogelart stark frequentiert werden, was zu häufigen Störungen führt. Mit dem Tool kann ermittelt werden, durch welche Anpassungen des Wegenetzes die Besucher auf alternative Routen gelenkt werden können, ohne das Erlebnis für die Erholungssuchenden einzuschränken.
  2. Besucherdruck lenken
    Ein mit dem Auto gut erreichbares regionales Erholungsziel wird von Erholungssuchenden so häufig besucht, dass die Erholungsqualität und ökologische Funktion beeinträchtigt werden. Die Simulation kann aufzeigen, wie durch eine Verlagerung des Parkplatzangebotes auf eine alternative Zufahrt der Druck auf überlastete Strassen und Erholungsgebiete verringert werden kann.
  3. Effiziente Infrastrukturplanung
    Die Förster eines Stadtwaldes wollen die Auswirkungen verschiedener Varianten einer neuen Forststrasse testen. Das Tool zeigt, welche Wegvariante am besten dazu beiträgt, Besucher aus sensiblen Waldbereichen fernzuhalten und damit das Waldökosystem zu entlasten.

Nutzen für die Praxis

Das Besucherlenkungstool ermöglicht es, fundierte Entscheidungen zu treffen, die Naherholung und Naturschutz gleichermassen berücksichtigen. Es bietet die Möglichkeit, Besucherströme und sensible Bereiche effektiv zu analysieren und Wege oder Infrastruktur entsprechend anzupassen. Darüber hinaus erleichtert das Tool die Zusammenarbeit mit Stakeholdern, da die Simulationsergebnisse visuell übersichtlich aufbereitet werden und als Grundlage für Diskussionen und Entscheidungen dienen können.

Vorteile auf einen Blick

  • Zeitersparnis durch einfache Simulation von Szenarien der Erholungsnutzungs-Planung.
  • Wissenschaftlich fundierte Grundlage für Entscheidungen zu Infrastrukturplanung im Wald.
  • Effiziente Ermittlung von Folgen von Infrastruktur-Eingriffen auf Erholung und Naturschutz.
  • Unterstützung bei der Abstimmung von Präferenzen verschiedener Interessengruppen in der Planung von Erholungswäldern.

Fazit

Planern, Förstern und Naturschutzexperten steht damit ein leistungsfähiges Werkzeug zur Verfügung, um den Nutzungsdruck auf Wald und Freiflächen zu reduzieren, ohne deren Erholungswert einzuschränken. Die Kombination aus Benutzerfreundlichkeit, Flexibilität und wissenschaftlicher Fundierung macht es zu einem wertvollen Werkzeug für die optimierte Planung, Gestaltung und Anpassung des Wegenetzes, um den Konflikt zwischen Naturschutz und Naherholung zu reduzieren.

Weblinks

Das Besucherlenkungstool der WSL steht kostenlos zur Verfügung und kann über die Webseite webapps.wsl.ch/visitorFlowTool aufgerufen werden.