Wochenlang arbeiteten wir im Homeoffice. Ein gelegentlicher Blick durchs Fenster in den Garten oder über die Strassenallee, vielleicht genehmigten Sie sich auch einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft (Abb. 1 und 2). Der Kontakt mit der grünen Umwelt tut gut und ermöglicht einen kurzen Entspannungsmoment. Doch was genau macht die Natur eigentlich so erholsam? Und wie kann die Praxis diese Erkenntnisse anwenden?

Der Wald – ein Lieblingserholungsort der Schweizer Bevölkerung

Der Wald ist bei der Schweizer Bevölke­rung ein beliebter Erholungs­ort. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass der Wald ein weit verbreitetes Land­schafts­element darstellt. Rund 30% der Schwei­zer Landes­fläche ist mit Wald bedeckt. Für Erholungs­suchende ist der Wald einer der wichtigsten, für die breite Öffentlich­keit frei zugänglichen Natur­räume. Die Covid-19-pandemie­beding­ten Ein­schrän­kungen und Mass­nahmen im öffent­lichen Leben wirkten sich auch auf die Nutzung von Grün­räumen aus. Eine Studie zum Besucher­verhalten der Bevölkerung in Wäldern zeigte deutliche Verhaltens­unter­schiede der Wald­be­su­chen­den vor, während und nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 (Abb. 3). Während des Lockdowns gingen die Personen, die sich auch vor der Pandemie sehr häufig im Wald aufhielten, beinahe täglich dorthin. Personen, die nur wenig Zeit im Wald verbrachten, besuchten diesen während des Lockdowns noch seltener. Insgesamt nahm die wöchentliche Besuchshäufigkeit in dieser Zeit leicht zu sowie die jeweilige Aufenthaltsdauer leicht ab.

Unabhängig von der Pandemielage haben Wälder für über 90% der Schweizer Bevölkerung eine hohe Bedeutung im alltäglichen Leben. In Zahlen ausgedrückt wird der Wald für mehr als 80 Sportarten regelmässig genutzt (Abb. 4) und dient damit sowohl der psychischen als auch der physischen Regeneration. Die Erholungsfunktion der Schweizer Wälder hat einen ökonomischen Wert von rund drei Milliarden Schweizerfranken.

Je näher desto besser

Menschen, die während der Pandemie im Homeoffice arbeiteten, gingen häufiger in den Wald als vor dem Lockdown. Dabei wurden Erholungsorte bevorzugt, die innert weniger Gehminuten erreichbar sind. 72% der Leute, die vor und während der Pandemie regelmässig in den Wald gingen, besuchten diesen zu Fuss. Auch zu nicht-Pandemie Zeiten erreichen rund zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung den Wald präferiert ohne Transportmittel, etwa 19% nehmen das Auto oder Motorrad, ungefähr 9% das Fahrrad und lediglich 5% benutzen die Öffentlichen Verkehrsmittel(WaMos3). Diese mieden viele Menschen in den Pandemiezeiten bewusst und bewegten sich lieber zu Fuss oder auf zwei Rädern fort.

Im Durchschnitt ergeben sich Wegzeiten von maximal fünf bis zehn Minuten. Naherholungsgebiete, also wahrgenommene Naturräume vor der eigenen Haustüre, scheinen folglich einen besonders hohen Stellenwert zu haben. Dies gilt für Bewohnerinnen und Bewohner von ländlichen Regionen und der Stadt (Abb. 5). Diese Untersuchung unterstreicht die Bedeutung des Waldes als Ort der Erholung für die Gesellschaft. Die Erholungsnutzung ist als grundlegender Bestandteil in das Waldmanagement zu integrieren, wobei der Einfluss von Krisensituationen auf bestimmte Nutzungsmuster zwingend berücksichtigt werden muss.

Was macht eine Landschaft erholsam?

Es gibt die These, dass die Naturverbundenheit ein Urinstinkt ist, der sich früh in der Kindheit entwickelt und mit jedem Naturkontakt wächst. Die positive Wirkung der Natur auf die Gesundheit und das menschliche Wohlbefinden ist bekannt, obwohl der Ursprung dieser Beziehung bis heute nicht vollumfänglich geklärt ist. Mit dem Wandel der Zeit, der zunehmenden Verstädterung und der ständigen Hektik des Alltags wurde diese ursprüngliche Naturverbundenheit aber lange vernachlässigt und entwickelte sich dadurch vermehrt zu einem Outdoorsport-Boom. Die COVID-19-Pandemie hat das Grundbedürfnis der Naturnähe in einem Grossteil der Bevölkerung wieder – oder weiter – gestärkt. Das Verlangen, die eigenen vier Wände zu verlassen und in die Natur zu flüchten, war in Zeiten des Lockdowns besonders ausgeprägt. Entsprechend populär war auch der Trend, Alltagslandschaften für Freizeit, Erholung und Sport zu nutzen.

Das Interesse für die Zusammenhänge zwischen Natur und menschlicher Gesundheit ist aber keineswegs erst mit Covid-19 erwacht, sondern wird seit rund 20 Jahren intensiv erforscht. Das Ehepaar Kaplan dokumentierte bereits 1989 mittels ihrer „Attention Restoration Theory“ (ART) erste beobachtete Effekte von Naturerfahrungen auf die menschliche Regenerationsfähigkeit. Nach dieser Theorie bietet die Natur u.a. die Möglichkeit, sich sowohl physisch als auch psychisch vom Stress zu distanzieren („being away“). Aktuelle Studien bestätigen, dass Bewegung als auch Naturaufenthalt einen wichtigen Stellenwert für den Stressabbau haben. Sie unterstreichen auch die Notwendigkeit, Grünflächen in der Stadt zu erhalten, wo sich die Bewohnerinnen und Bewohner bewegen können.

Wie misst man «Erholungsnutzung»?

Die Erholung ist eine von vielen für die Bevölkerung sehr wertvolle Landschaftsleistung, welche das Landschaftsbeobachtungsprogramm Schweiz (LABES) zum Beispiel mit dem Indikator Erholungsnutzung misst. Nebst diesem Indikator misst LABES aber auch die Veränderung der physischen Landschaft und erfasst die von der Bevölkerung wahrgenommene Landschaftsqualität anhand einer Anzahl ausgewählter Parameter, wie beispielsweise Schönheit, Authentizität, Ortsbindung oder Besonderheit der Landschaft. Aber nicht nur LABES erfasst die Erholungseignung der Landschaft. Mithilfe eines durch die WSL entwickelten Modells, kann mit einfachen Mitteln abgeschätzt werden, wie gross die Erholungseignung eines Gebiets ungefähr ist. Dabei spielen die Zugänglichkeit (Distanz in Metern), aber auch Landschaftselemente wie Wald, Wasser oder Aussicht eine wichtige Rolle. Die Bewertung verschiedener Naturräume durch oben genannte Parameter liefert grundlegende Informationen für die Gestaltung und Pflege erholsamer Landschaften.

Gute Kommunikation hilft dabei, das Konfliktpotential zu minimieren

Das Bedürfnis nach Naherholung ist nicht nur eine Nebenerscheinung der Pandemie, sondern ein grundsätzliches Bedürfnis. Kommunale Naherholungsgebiete werden aber primär entweder landwirtschaftlich oder forstlich genutzt und erfüllen oft diverse andere Funktionen, deren wir uns nicht immer bewusst sind. Im modernen Waldmanagement muss der Wald als multifunktionales Ökosystem diversen Ansprüchen gerecht werden. Er ist Lebensraum für Flora und Fauna, Energie- und Rohstofflieferant, sichert die Trinkwasser- und Luftqualität und dient eben als Ort der frei zugänglichen und individuellen Naherholung. In Realität ist diese Erholungsfunktion fast ausnahmslos sekundär und tangiert mit bekanntermassen grossem Konfliktpotential die anderen Funktionen.

Lenkungs- und Natur­schutz­mass­nah­men, wie kan­tonal geregelte Wild­ruhe­zonen oder Kam­pagnen helfen dabei, das Ver­halten der Erholungs­su­chen­den posi­tiv zu beein­flussen. Die Kampagne «Respect Wildlife» (seit 2013, Abb. 6) beispiels­weise richtete sich dabei an Schnee­sportlerinnen und -sportler und insbe­sondere die Freerider. Die wissen­schaft­liche Evalua­tion dieser Kampagne ergab viel­ver­sprechen­de Ergeb­nisse, die zu ähn­lichen Kam­pagnen in ver­wandten Problem­feldern ermutigen. Dabei zu be­rück­sich­ti­gen­de Erfolgs­faktoren sind die enge Zusammen­arbeit mit der Ziel­grup­pe, die bewusste Anwen­dung von spezi­fischen Über­zeugungs­techniken und die Lang­fristig­keit der Kampagne. Ein nach­haltiges Manage­ment von Natur­räumen soll eine Balance zwischen Bewirt­schaf­tung und Natur­belassen­heit schaffen, sodass sämt­liche Funktions­rollen der Land­schaft gewähr­leistet werden können.