Eichen (Gattung Quercus) sind Bäume oder Sträucher aus der Familie der Buchengewächse (Fagaceae). Sie sind in der nördlichen Hemisphäre beheimatet und umfassen etwa 500 vorwiegend laubabwerfende, aber auch etwa 30 immergrüne Arten. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von den kühlen gemässigten bis zu den tropischen Breiten in Amerika, Asien, Europa und Nordafrika.

Eichen besiedeln ein breites Spektrum von Lebensräumen, von mediterranen Halbwüsten bis zu subtropischen Regenwäldern. In Nordamerika gibt es die meisten Eichenarten. Etwa 90 Arten kommen in den Vereinigten Staaten vor, in Mexiko sogar 160, von denen 109 endemisch sind. Das zweitgrösste Zentrum der Eichenvielfalt mit etwa 100 Arten befindet sich in China. Eichen haben einen hohen kulturellen Stellenwert. Um sie ranken sich zahlreiche Mythen und sie gelten allgemein als Symbol für Stärke und Ausdauer.

Die Roteiche (Quercus rubra), auch Amerikanische Spitzeiche genannt, ist ein bis zu 25 Meter hoher Baum, der in dichten Beständen auch mal bis 35 m hoch werden kann. Sie hat eine anfangs glatte, im Alter leicht geriefte bis schuppige Borke.

Ihre mit bis 25 Zentimeter verhältnismässig grossen Blätter sind gestielt, buchtig-fiederspaltig und haben beidseits vier bis sechs nach vorn gerichtete, spitz zulaufende, in eine Granne ausgezogene Zähne. Auf der Blattunterseite befinden sich in den Nervenwinkeln kleine Büschel aus Sternhaaren. Die Blätter sind im Austrieb zunächst gelb, bevor sie ihre grüne Sommerfärbung annehmen.

Die Herbstfärbung ist kräftig leuchtend rot bis orange oder teilweise gelb. Die Roteiche blüht in der Schweiz im Mai. Die etwa zwei Zentimeter grossen Eicheln reifen erst im zweiten Jahr nach der Befruchtung. Die widerstandsfähige und sturmfeste Art kann mehrere hundert Jahre alt werden. Die ältesten Exemplare wurden auf rund 400 Jahre datiert.

    Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Roteiche befindet sich in der Mitte und im Osten Nordamerikas. Es erstreckt sich vom nördlichen Ende der Grossen Seen im südlichen Kanada bis Georgia, Mississippi, Alabama und Louisiana im Süden und bis Oklahoma im Westen. Sie ist nach der eng verwandten Sumpf-Eiche (Q. palustris) die häufigste Eichenart im Nordosten der USA. Die Roteichen sind heute insgesamt häufiger als zu Beginn der europäischen Besiedlung Nordamerikas, was wohl auf die Rodung der früher dominierenden Weisseichen-Wälder zur Holzgewinnung zurückzuführen ist.

    Als Park- und Alleebaum nach Europa eingeführt

    Nach Europa wurde die Roteiche um 1700 wegen der attraktiven Herbstfärbung eingeführt. Sie wurde vorwiegend als Park- und Alleebaum angepflanzt, gewann aber seit Anfang des 20. Jahrhunderts mehr und mehr forstwirtschaftliche Relevanz. Heute sind zahlreiche Sorten mit unterschiedlichen Blattfärbungen in Baumschulen erhältlich.

    Die Art breitete sich aus, auch mithilfe von Tieren, und etablierte sich in vielen europäischen Ländern. Neben dem Eichelhäher scheinen Mäuse wichtige Ausbreitungsvektoren der Art zu sein. Experimentelle Studien in Polen legen nahe, dass Eichelhäher zwar die Eicheln einheimischer Eichenarten bevorzugen – Eichelhäher verschleppten etwa doppelt so viele Eicheln von einheimischen Eichenarten wie von der Roteiche – jene der Roteiche aber nicht verschmähen und über weite Distanzen ausbreiten können.

    Heute gilt die Roteiche in West- und Mitteleuropa als eine der am weitesten verbreiteten gebietsfremden Baumarten, die in weiten Teilen Belgiens, Deutschlands, Norditaliens, Litauens, Polens, der Ukraine, des europäischen Russlands, des Urals und Westsibiriens zu finden ist. Zur Erklärung, weshalb sich diese Art in Europa erfolgreich etablieren konnte, wird oft die sogenannte feindliche Freisetzungshypothese (enemy release hypothesis) thematisiert: Es zeigte sich, dass die Roteiche hierzulande praktisch losgelöst von Mehltau und Virenerkrankungen wachsen kann und dass ihre Eicheln deutlich weniger von Rüsselkäfern befallen werden als diejenigen von einheimischen Eichenarten.

    Für die Waldbiodiversität nicht unproblematisch

    In Roteichenbeständen ist die Artenvielfalt der Bodenvegetation meist geringer als in Beständen mit einheimischen Baumarten, besonders wegen der Verdrängung von lichtliebenden Arten. Untersuchungen zur Diversität pflanzenfressender Insekten verdeutlichten, dass Lebensgemeinschaften in den Kronen von Roteiche im Vergleich zur Stieleiche (Quercus robur) deutlich geringere Aktivitätsdichten, Individuen- und Artenzahlen aufweisen und von unspezialisierten Arten dominiert werden. Dies traf in besonderem Masse für die artenreichen Gruppen der Käfer und Wanzen zu.

    Dabei fehlten an der Roteiche vor allem die stark auf einheimische Eichenarten spezialisierten Arten. Je stärker der Spezialisierungsgrad dieser Arten, desto stärker waren die negativen Auswirkungen der Roteiche. Die Unterschiede scheinen zudem im Reinbestand deutlicher ausgeprägt zu sein als in Mischbeständen. Insgesamt weist die Roteiche ausserdem eine deutlich geringere Individuen- und Artenzahl gefährdeter Insektenarten auf. Es wird deshalb vermutet, dass eine Ausweitung des Roteichenanbaus negative Auswirkungen auf ohnehin schon gefährdete Arten haben könnte.

    Dennoch ist die Roteiche keine "ökologische Wüste". Betrachtet man beispielsweise Insektengemeinschaften im unteren Stammbereich ist der Unterschied zwischen Stiel- und Roteiche weniger ausgeprägt. Möglicherweise wegen der geringeren Spezialisierung vieler Stammbewohner für eine bestimmte Baumart. Zudem bietet die Art für die überwiegend strukturabhängigen Spinnen ausreichend geeignete Ressourcen. Eine aktuelle Studie zeigt zudem, dass die Roteiche auch für holzbewohnende Käfer Ressourcen bietet, was sich in vergleichbar hohen Artenzahlen wie bei der Traubeneiche (Quercus petraea) und Zerreiche (Quercus cerris) widerspiegelt. Weiterhin wäre es möglich, dass sich die Insektengemeinschaften der Roteiche, in Zukunft in Europa durch Anpassung artenreicher werden könnten.

    Wie bei anderen nicht-einheimischen Baumarten, die aufgrund des fortschreitenden Klimawandels in das als potentielle Forstbaumarten in Europa aufgenommen werden sollen, müssen die forstlichen Chancen und die naturschutzfachlichen Risiken analysiert und evaluiert werden. Die Roteiche wächst zwar schneller als einheimische Eichenarten, hat jedoch eine geringere Holzqualität und scheint weniger resistent gegenüber Extremen sowie Trockenheit zu sein. Ob die Roteiche somit eine Alternative zu den einheimischen Eichenarten darstellt, soll deshalb in diesem Beitrag nicht weiter diskutiert werden.