Weißdorne (Crataegus L.) sind strauchige Mitglieder der Rosenfamilie. Abgesehen von zu trockenen (gemäßigte Wüste) oder zu kalten (hochmontane oder boreale Wälder) Gebieten beheimaten sie die gesamte gemäßigte nördliche Hemisphäre. Wo das Feuchtigkeitsregime die Etablierung von Gehölzvegetation erlaubt, sind Weißdorne sehr häufig und in Lebensräumen mit hoher Lichtintensität oft lokal in großer Zahl vorhanden. Wer hätte gedacht, dass es mehr als hundert unterschiedliche Weißdornarten auf der Welt gibt?

Leider wird die bedeutende Rolle des Weißdorns in der Naturlandschaft im Allgemeinen nicht genug gewürdigt, da die Forstwirtschaft in erster Linie hohe Waldbäume mit geraden Stämmen priorisiert und die Landwirtschaft lichte Grasweiden und unkrautfreies Ackerland bevorzugt. Buschvegetation wird oft als unwichtig übersehen. Weißdorne sind meist mittelgroße bis große Sträucher oder kleine Bäume, die vereinzelt, in kleinen Gruppen oder im Dickicht vorkommen können und dort, wo sie häufig sind, große Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Im Frühling zieht die Massenblüte unzählige Insekten an, die zum Beispiel vielen Vögeln als Nahrung dienen. Auch die Reife der Weißdornfrüchte im Herbst erhöht das Nahrungsangebot für diverse Vogelarten und Nagetiere. Außerdem bieten die Bäume gute Nistmöglichkeiten, da die Dornen die Jungtiere vor Fressfeinden schützen.

Obwohl der Weißdorn seltener verwendet wird als bestimmte verwandte Gattungen wie Apfel (Malus) und Birne (Pyrus), kann er vom Menschen vielfältig genutzt werden. Die Früchte sind essbar, weshalb einige Arten in Ostasien (Crataegus pinnatif ida), Europa (Azaroldorn C. azarolus, die Mispel C. germanica) und in der Neuen Welt (C. mexicana, C. opaca) angebaut werden. An all diesen Orten werden sie auch in der traditionellen Medizin verwendet und es gibt einen beträchtlichen Markt für natürliche Gesundheitsprodukte aus Weißdornblättern, -blüten und -früchten. Viele Arten sind als Ziersträucher beliebt und aus manchen konnten gute Gartenbauexemplare gewonnen werden.

Kurz gefasst

  • Weißdorne sind in der nördlichen gemäßigten Zone weit verbreitet.
  • Sie neigen zu Hybridisierung, Chromosomenduplikationen und asexueller Fortpflanzung, was ihre Identifizierung erschwert.
  • Ein komplexer Ansatz ist die einzige Lösung, um zu verstehen, wie Weißdorne koexistieren, sich vermischen und um sie zu bestimmen.

Wer ist wer?

Die Gattung Crataegus gilt weithin als taxonomisch schwierig. Während viele Waldbaumarten relativ leicht zu unterscheiden sind, sind die Weißdornarten in der Regel viel schwerer zu bestimmen. Auch Herbar- und Arboretumexemplare werden oft falsch benannt. Nicht umsonst schrieb der amerikanische Forscher E. Palmer 1932 vom „Crataegus-Problem“. Leider bleibt dieses Problem auch 80 Jahre nach Palmer bestehen und es gibt keine einfache Antwort.

Crataegus-Arten sind sehr anfällig für Kreuzung (Hybridisierung), somit sind ihre Hybriden in Europa ziemlich häufig anzutreffen. Die Hybridisierung erhöht offensichtlich die Schwierigkeit einer genauen Identifizierung und war auch für viele Spezialisten das häufigste Hindernis für eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Weißdornklassifikation.

Neben der Hybridisierung ist Polyploidie, das Vorhandensein mehrerer Chromosomensätze, beim Weißdorn weit verbreitet, ebenso wie reduzierte und nicht reduzierte Gametenbildung in Eizellen. Die Gattung Crataegus scheint sowohl diploide Pflanzen (mit doppeltem Chromosomensatz) als auch einen erheblichen Anteil an tri- und tetraploiden (mit dreifachem und vierfachem Chromosomensatz) Pflanzen zu umfassen. Diese sind wahrscheinlich aus der Verschmelzung von Hybriden zwischen diploiden Eltern oder von einem diploiden und einem polyploiden Elternteil entstanden.

Jede große Reorganisation von Genomen, Genen und Chromosomen, wie etwa ein Hybridisierungsereignis und eine zunehmende Anzahl von Chromosomensätzen, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, das sexuelle Fortpflanzungsverhalten zu stören. Polyploide neigen dazu, sich asexuell fortzupflanzen (apomiktisch), und weisen eine hohe Rate an Pollensterilität auf. Apomixis ist die Bildung lebensfähiger Embryonen im Samen auf asexuelle Weise, nicht als Ergebnis der Verschmelzung von Gameten. Durch Apomixis kann eine Pflanze lebensfähige Samen produzieren, die zu einem vegetativ vermehrten Duplikat heranwachsen. Das bedeutet, dass sich klonale Populationen aus einzelnen apomiktischen Pflanzen entwickeln können.

Österreichische Weißdorne

In Mitteleuropa und Österreich sind drei Arten heimisch:

  • Einkern-Weißdorn (C. monogyna)
  • Zweikern-Weißdorn (C. laevigata)
  • Krummkelch-Weißdorn (C. rhipidophylla)

Sie kommen als große Büsche oder kleine Bäume in einem Spektrum von Lebensräumen vor – von lichtem Buschland bis zum Unterholz von Laubwäldern. Aus diesen sind durch Hybridisierung, auch in Österreich, drei Hybridarten entstanden:

  •  Verschiedenzahn-Weißdorn (C. subsphaerica = C. monogyna × C. rhipidophylla)
  • Mittel-Weißdorn (C. media = C. monogyna × C. laevigata)
  • Großfrucht-Weißdorn (C. macrocarpa = C. rhipidophylla × C. laevigata)

Das Verbreitungsgebiet von C. laevigata konzentriert sich auf Mitteleuropa, wo die Pflanze schattentoleranter ist als C. monogyna. Sie blüht auch 1-2 Wochen vor C. monogyna. Einkern-Weißdorn kommt außer im Norden in ganz Europa und Russland vor und erstreckt sich bis nach Nordafrika und Westasien. Er wächst am besten an sonnigen, offenen Orten und mag keinen tiefen Schatten. C. rhipidophylla (oft auch unter dem Namen C. curvisepala bekannt) kommt seltener vor als die zwei zuvor erwähnten Arten. In vielerlei Hinsicht ähnelt er C. monogyna: Seine Blätter sind tief eingeschnitten und die leuchtend roten, elliptischen Früchte haben einen, sehr selten zwei Kerne.

Gleichzeitig hat C. rhipidophylla im Gegensatz zu C. monogyna eine mehr oder weniger dunkel glänzende obere Blattoberfläche und spitz zulaufende Blattlappen mit feinen Zacken. Er verträgt auch schattiges Unterholz viel besser als C. monogyna. Diese Art wird in der Literatur, Feldführern und Enzyklopädien oft übersehen und wird immer wieder mit C. monogyna verwechselt, da beide Arten Blätter und Früchte mit einzelnen Kernen bilden, wodurch sie gut von C. laevigata zu unterscheiden sind.

Ansatz zur Entwirrung von dem „perfekten Crataegus-Knoten"

Obwohl leichte Unterschiede zwischen den „reinen“ europäischen Arten zu sehen sind, werden diese aufgrund von Hybridisierung in der Natur undurchsichtiger. Hybridzonen (Standorte, wo mindestens zwei Arten vorkommen und hybridisieren) werden zu Schmelztiegeln, die aus Individuen mit unterschiedlichem Ploidie-Niveau bestehen, die sich sowohl sexuell als auch asexuell fortpflanzen und eine große morphologische und genetische Variation aufweisen.

Um zu verstehen, wie die drei österreichischen Arten koexistieren, wird eine „Hybridzonen“-Studie durchgeführt und das Problem von drei Seiten beleuchtet:

  • mit umfangreichen durchflusszytometrischen Messungen der Samen und Blätter
  • genetische Analyse
  • morphometrische Analyse

Die Durchflusszytometrie erwies sich als effiziente und informative Methode zur Durchführung eines Ploidie-Screenings im großen Maßstab. Damit wird der DNA-Gehalt in Pflanzenzellen nachgewiesen und gemessen. Zellen mit vervielfachten Chromosomensätzen haben auch einen vervielfachten DNA-Gehalt und können im Vergleich zu einem Standard mit bekanntem Ploidiegrad nachgewiesen werden.

Darüber hinaus kann die Analyse von Embryonen von Samen zusammen mit ihrem Endosperm, das heißt, die Messung des Verhältnisses zwischen ihren Ploidien, wertvolle Daten über das Fortpflanzungsverhalten von Weißdorn liefern. Pflanzen, die sich durch Apomixis vermehren, weisen ein ungewöhnliches Verhältnis auf und können durch sorgfältige Analyse der Rohdaten erkannt werden. Genetische Grenzen zwischen Populationen und Arten werden mit neu entwickelten DNA-Markern erforscht. Nicht zuletzt verwendet man morphometrische Techniken, um Variationen in Größe und Form von Blättern und Früchten zu messen.

Das Ziel mit diesem kombinierten Ansatz ist nicht nur, den „perfekten Crataegus-Knoten“ zu entwirren und zu verstehen, wie sich Weißdorne kreuzen und vermischen, sondern auch, eine Strategie zur korrekten Identifizierung der Praxis bereitzustellen.