"Kyrill" war mit Spitzen-Windgeschwindigkeiten von über 200 km/h der folgenschwerste Sturm in der Geschichte der Wälder Nordrhein-Westfalens. In der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 2007 zerstörte der Orkan besonders in Südwestfalen die Betriebsgrundlage vieler Unternehmen. Vor dem Frontdurchgang des Orkantiefs hatten 24-stündige Dauerniederschläge die Waldböden durchweicht.

Ziel der Wiederbewaldung der Sturmwurfflächen ist die Sicherstellung einer zukunftsfähigen Bestockung mit standortgerechten, stabilen, strukturreichen und produktiven Wäldern (Landesbetrieb 2007). Zukünftig sollen Mischwälder mit einem weiten Baumartenspektrum entstehen, da sie sich durch die damit verbundene Risikoverteilung besser an sich ändernde Umweltbedingungen anpassen können als Reinbestände oder baumartenarme Bestände. Dabei kann die Einbeziehung der natürlichen Waldverjüngung forstbetriebliche Probleme - wie etwa begrenzte Arbeitskapazitäten, waldbauliche Probleme der Freifläche oder die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Pflanzen ortsnaher und bewährter Herkünfte - vermindern.

Versuchsfläche

Die 23,7 ha große Versuchsfläche befindet sich im Bereich des Lehr- und Versuchsforstamtes Arnsberger Wald in 320-345 m ü. NN in mäßig geneigter Lage. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 8,2°C, die mittlere Temperatur in der Vegetationsperiode 14,2°C. Die mittleren Jahresniederschläge erreichen ca. 1.000 mm, während der Vegetationsperiode ca. 450 mm. Den Vorbestand bildete ein Fichten-Reinbestand, I,0 Ekl, 104-jährig, mittleres Baumholz aus Pflanzung mit nicht unerheblichen Schälschäden. Auf der Fläche befindet sich noch Schlagreisig. Sie wurde im August 2007 geräumt.

Die Versuchsfläche ist in fünf Standorttypen gegliedert:

  • I: Hainsimsen-Buchenwald auf frischem Schiefergebirgslehm (159)
  • II: Eichen-(Buchen-)Wald auf wechselfeuchtem Schiefergebirgslehm (34)
  • III: Bach begleitender Erlenwald der Täler und Tälchen (32)
  • IV: Erlen-(Birken-)Wald auf staunassem Schiefergebirgslehm (21)
  • V: Hainsimsen-Buchen-(Eichen-)Wald auf mäßig wechselfeuchtem Schiefergebirgslehm (6).

Über die Versuchsfläche wurden in einem Raster von 30 x 30 m insgesamt 252 Probekreise (PK) gelegt. Jeder PK besitzt einen Radius von 2 m und wurde mit folgenden Parametern charakterisiert:

  1. Geländeform, Exposition und Neigungsstufe
  2. frei liegender Mineralboden mit ca. %-Anteil an der PK-Fläche
  3. Reisigmaterial mit ca. %-Anteil an der PK-Fläche
  4. Bodenverdichtungen (Rückefahrzeuge) mit ca. %-Anteil an der PK-Fläche
  5. aufgeklappte bzw. teilweise aufgeklappte Wurzelteller und deren max. Höhe und Ausrichtung
  6. Entfernung und Exposition des Probekreises zu potenziellen Samenbäumen
  7. sonstige Besonderheiten (z. B. flächenhaft Steine, oberflächlich anstehendes Grundwasser, Umbruch durch Schwarzwild).

Weiterhin wurde innerhalb eines jeden PK die dort vorkommende Bodenvegetation dokumentiert. Aufnahmemerkmale der vorkommenden Gehölze sind Anzahl einer Art, Höhe, Alter, Wurzelhalsdurchmesser (soweit über dem Grenzwert von 1,0 cm) und Vitalität (soweit vom Normalen abweichend).

Ergebnisse

Die natürliche Wiederbewaldung entsteht überwiegend aus Sameneinträgen der Nachbarbestände sowie dem Samenreservoir im Oberboden. Begünstigt sind bei der Ansamung auf Sturmwurfflächen Baumarten, welche früh fruktifizieren und alljährlich große Mengen gut flugfähiger Samen bilden.

Insgesamt wurden 11.630 Pflanzen je Hektar kartiert. 94 % (10.891 Pflanzen/ha) der Baumarten sind Fichten (Picea abies). Daneben wurden 47 Lärchen (Larix decidua) aufgenommen. Von den Laubbaumarten dominiert die Birke (Betula pendula) mit 344 Stück/ha, gefolgt von der Weide (Salix spec.) mit 148 St./ha, der Traubeneiche (88 St./ha), der Buche (Fagus sylvatica) (76 St./ha), Roteiche (Quercus rubra) (25 St./ha) und der Vogelbeeren (Sorbus aucuparia) (10 St./ha).

Die Gliederung der vorhandenen Verjüngung nach ihrem Alter gibt Hinweise auf die zeitliche Abfolge der Ansamung und Etablierung der natürlichen Verjüngung. Der liegende Vorbestand (geworfenes Fichtenaltholz) wurde erst sechs Monate nach dem Sturmereignis von der Fläche geräumt.

Im ersten Jahr nach dem Sturmereignis hat sich deshalb auch nur relativ wenig Naturverjüngung etablieren können. An zweijährigen Sämlingen wurden je ha 75 Birken, 60 Traubeneichen, 47 Weiden und 28 Buchen kartiert. Beim Nadelholz dominiert die Fichte mit 2.744 zweijährigen Sämlingen je Hektar. Daneben wurden neun Europäische Lärchen je ha kartiert. Im zweiten Jahr nach dem Sturmereignis hat die Verjüngung dann in größerer Dichte stattgefunden. Sie erfolgte zudem vor allem durch die Fichte (6.991 einjährige Sämlinge je ha). Die Birke hat sich im zweiten Jahr mit 256 Exemplaren ansamen können (vgl. Tab. 1).

Bei der Birke scheint sich zu bestätigen, dass mit zunehmender Entfernung von potenziellen Samenbäumen eine abnehmende Verjüngungsdichte typisch ist (Leder 1992). Die maximale Verjüngungsdichte mit im Mittel 390 Birken pro ha befindet sich in einer Entfernung von 30-60 m vom Samenbaum. Ähnliche Tendenzen können bei den vorhandenen Laubbaumarten noch nicht festgestellt werden, zumal die schwersamigen Baumarten (Buche, Trauben- und Roteiche) vorwiegend durch tierische Verbreitung auf die Fläche gelangt sind und weniger durch den direkten Abfall vorhandener Randbäume.

Auch für die Fichtenkeimlinge ergab sich auf den untersuchten Flächen kein Zusammenhang zwischen der Verjüngungsdichte und der Entfernung zum Nachbarbestand. Die hohe Anzahl einjähriger Fichtensämlinge bis ca. 60 m vom Bestandesrand aus könnte dadurch bedingt sein, dass der Sameneintrag in eine Fläche umso höher ist, je näher angrenzende Altbestände liegen. Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass Samenlieferanten in vielen Fällen die verbliebenen Fichtenzapfen auf der Fläche waren. Klumpungen, die auch auf Sukzessionsflächen nach Fichtenwindwurf von 1990 dokumentiert wurden (Leder 2003), können u.a. so erklärt werden.

Verjüngung, die sich vor dem Sturmwurf etabliert hatte, war nur auf wenigen Teilflächen vorhanden. Als Vorverjüngung wurden Pflanzen eingestuft, die in der zweiten Vegetationsperiode nach dem Sturmwurf älter als zwei Jahre waren (Tab. 2). Die Fichte dominierte mit ca. 1.155 St./ha in der Vorverjüngung auf den Flächen. Daneben sind vereinzelt 3- bzw. 4-jährige Birken, Vogelbeeren, Weiden und Buchen vorhanden.

Insgesamt wurden bis zum Abschluss der zweiten Vegetationsperiode nach dem Sturmwurf auf der Versuchsfläche 115 krautige und holzige Arten kartiert (vgl. Tab. 3). Neben den mehrjährigen kleinwüchsigen und hochwüchsigen Kräutern sind einjährige Kräuter, wie Stellaria media, Galeopsis tetrahit in der Bodenvegetation mit meist nur geringem Deckungsgrad zu finden. Einige Probekreise weisen höhere Deckungsgrade (mind. 50 % der Fläche deckend) nur mit Rubus fruticosus, Polytrichum formosum und Dicranella heteromalla auf.

Eine Gliederung der Bodenvegetation nach den vorhandenen Standorttypen zeigt Tabelle 4. Aufgelistet, wurden lediglich die Arten, die mit hoher Stetigkeit (> 40% der Aufnahmen) vorkommen.

Das Vorhandensein mancher Arten (z. B. Rubus fruticosus, Calamagrostis epigejos, Avenella flexuosa, Pteridium aquilinum) zum Zeitpunkt des Schadereignisses kann darüber entscheiden, ob mit Naturverjüngung durch Sameneintrag aus Nachbarbeständen und aus der vorhandenen Samenbank zu rechnen ist oder nicht. Insgesamt lagen im zweiten Jahr nach dem Sturmwurf die Deckungsgrade vorhandener Konkurrenzvegetation auf den untersuchten Probekreisen noch relativ niedrig. Allerdings darf das Ergebnis nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich z. B. Rubus- und Calamagrostis-Arten sehr schnell über vegetatives und generatives Wachstum ausbreiten können, wenn sie schon vorhanden sind.

Werden die vorkommenden Pflanzenarten ökologischen Gruppen zugeordnet, so bilden die Drahtschmielen-, die Dornfarn- und die Heidelbeer-Gruppe die charakteristischen ökologischen Gruppen. Aus der Drahtschmielen-Gruppe ist beispielsweise Carex pilulifera, Holcus mollis, Avenella flexuosa, Agrostis tenuis vertreten. Arten der Heidelbeer-Gruppe bevorzugen nährstoff- und basenarme, mäßig trockene bis frische Böden, greifen aber auch auf wechselfeuchte Standorte über. Vertreter dieser Gruppe sind Vaccinium myrtillus, Hypnum cupressiforme, Dicranum scoparium oder Leucobryum glaucum. Auf den teilweise wechselfeuchten bis wechselnassen, nährstoffarmen, sauren Böden sind Arten der Pfeifengras-Gruppe (Molinea caerulea, Juncus effusus und Juncus conglomeratus) vertreten.

Die Zugehörigkeit kartierter Pflanzenarten der Bodenvegetation zu verschiedenen Pflanzengesellschaften (Ellenberg 1991), differenziert nach Standorttypen, zeigt Tabelle 5. Aufgeführt sind diejenigen charakteristischen Pflanzen bzw. Pflanzengesellschaften, die in mindestens 10 % der durchgeführten Aufnahmen mindestens eines Standorttyps vorhanden waren.

Insgesamt verläuft die natürliche Wiederbewaldung der Sturmwurfflächen je nach den örtlichen Standortsbedingungen verschieden und ungleich rasch. Sie ist auch in Abhängigkeit von den verjüngungsökologischen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich und wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Neben den ökologischen Verhältnissen und der Verbreitungsbiologie der Baumarten sind die Bestandes- und Vegetationsgeschichte und nicht zuletzt die aktuellen Wildstände entscheidend für das Vorkommen und die weitere Entwicklung der Verjüngung.

Aktuell ist davon auszugehen, dass sich die Fichte gegenüber den anderen Arten durchsetzen und somit im Folgebestand die Hauptbaumart bilden wird. Die Birke als typische Pionierbaumart hat sich bisher nur locker eingefunden und könnte, weiteres Wachstum vorausgesetzt, einen lockeren Vorwaldschirm bilden. Wertvoll sind die weiteren Baumarten (Eiche, Buche, Weide, Vogelbeere), die nicht nur als ökologische Beimischung wichtige Funktionen übernehmen können.

Bei der Beurteilung des Verjüngungserfolgs ist neben der Verjüngungsdichte auch die Höhe der Verjüngung zu beachten. Keidel et al. (2008) geben in ihren Untersuchungen zur Regeneration eines naturnahen Fichtenwaldökosystems im Harz nach großflächiger Störung an, dass 1.000 St./ha über 10 cm hohe Pflanzen die Mindestanforderungen an eine gesicherte Verjüngung erfüllen. Die vorgefundene Verjüngung auf der Versuchsfläche erreicht nur in Ausnahmefällen diese Höhen. Die teilweise sehr hohen Stückzahlen der Naturverjüngung sind allerdings Weiser für ein ausreichendes Verjüngungspotenzial der Fichte (Mettin 1977).

Wie die Verjüngungsinventur verdeutlicht, ist die vorhandene Verjüngung überwiegend einjährig. Untersuchungen nach früheren Sturmereignissen haben gezeigt, dass etwa die Hälfte der Individuen in den ersten beiden Jahren nach dem Sturmereignis keimte. Danach verlangsamt sich die Zunahme der Verjüngungspflanzen. Auf Lothar-Sturmflächen in der Schweiz (Brang 2005) war die Naturverjüngung ebenfalls sehr geklumpt verteilt. Auf Probeflächen, die im zweiten Jahr nach dem Sturmereignis keine Verjüngung aufwiesen, kam auch in den folgenden drei Jahren weniger Naturverjüngung hinzu, als auf solchen mit Verjüngung.

Eine stammzahlreiche Verjüngung ist an das Vorhandensein von potenziellen Samenbäumen in unmittelbarer Nähe gebunden. Auf der Versuchsfläche finden sich Buche, Roteiche, Traubeneiche, Birke, Fichte und Lärche in der näheren Umgebung. Die Verjüngungsinventur spiegelt diese Situation wider. Untersuchungen zur Ausbreitung der Baumarten durch Samenflug bzw. Verbringung durch Tiere sind in der Literatur häufig (Röhrig et. al. 2006). In Tabelle 6 ist die Verjüngung in Abhängigkeit von der Entfernung potenzieller Samenbäume beschrieben. So ist eine Verbreitung von Fichtensamen bis zu einer Strecke von 200 m zwar möglich (Heiseke 1969), die Dichte der Samen dann jedoch sehr gering.

Auf der untersuchten Fläche konnten lediglich für die Birke Tendenzen einer Abhängigkeit der Verjüngung vom Standpunkt eines potenziellen Samenbaumes beobachtet werden. Die Fichten-Naturverjüngungsdichte (überwiegend einjährig) zeigt eine weite Spanne und wurde unabhängig von der Entfernung eines potenziellen Samenbaumes festgestellt. Der Grund für die teils erheblichen Verjüngungsvorräte auf der Fläche liegt in der Tatsache, dass vorhandene Fichtenzapfen aus dem Vorbestand wesentlich zur Verjüngung beigetragen haben. Beeinflusst wurde der Verjüngungserfolg wahrscheinlich auch durch die erst im August/September erfolgte Flächenräumung.

Neben dem Vorhandensein potenzieller Samenbäume ist eine weitere Voraussetzung für die natürliche Verjüngung, dass die Altbäume in unmittelbarer Nähe im oder zumindest ein, zwei Jahre nach dem Schadereignis fruktifizieren.

Um den Einfluss des Wildes aufzuzeigen, wurden auf der Versuchsfläche acht Kleingatter angelegt. Der bevorzugte Verbiss der Vogelbeere, Buche oder Eiche im Vergleich zur Fichte ist vielfach beschrieben worden. Auch die aktuellen Aufnahmen im August 2008 dokumentierten Verbissprozente besonders bei den vorkommenden Laubholzarten, im geringeren Umfang auch bei der Fichte.

Um die Bedeutung des Kleinstandortes für die Verjüngung zu dokumentieren, wurden die einzelnen Probekreise hinsichtlich ihres Anteils/Deckungsgrades an Reisig, Mineralboden, Wurzelteller (aufgeklappt, liegend), Vegetationszusammensetzung etc. beschrieben. Die Fläche wies eine intensivere Verjüngung auf Reisigfeldern auf. Auch besitzen die Wurzelteller als Kleinstandort einen verjüngungsfördernden Effekt (Leder und Krumnacker 1998). Insbesondere wenn Mineralboden freigelegt wurde, konnte Verjüngung der Birke (Mineralbodenkeimer) festgestellt werden. Bei fortgeschrittenem Zersetzungsgrad gibt das vorhandene Restholz auf der Versuchsfläche zusätzlich gute Möglichkeiten der Moderholzverjüngung für Fichte (Keidel et. al. 2008).

Die aktuelle Kartierung der Bodenvegetation ergab, dass aufgrund ihres geringen Deckungsgrades eine Beeinflussung der Naturverjüngung bisher nicht wesentlich war.

Literatur

  • Brang, P. (2005): Verteilung der Naturverjüngung auf grossen Lothar-Sturmflächen. Schweiz. Zeitschr. Forstwes. (156): 467-476.
  • Ellenberg, H. (1991): Zeigerwerte der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. Scripta Geobotanica IX. Göttingen.
  • Heiseke, D. (1969): Untersuchungen über Samenproduktion und Samenflug, Keimung und Keimlingsentwicklung bei der Fichte. Diss. Universität Göttingen.
  • Keidel, S.; Meyer, P.; Bartsch, N. (2008): Untersuchungen zur Regeneration eines naturnahen Fichtenwaldökosystems im Harz nach großflächiger Störung. Forstarchiv (79): 187-196.
  • Landesbetrieb Wald und Holz NRW (2007): Empfehlungen für die Wiederbewaldung der Orkanflächen in Nordrhein-Westfalen. Arnsberg.
  • Leder, B., (1992): Weichlaubhölzer: Verjüngungsökologie, Jugendwachstum und Bedeutung in Jungbeständen der Hauptbaumarten Buche und Eiche. Landesanstalt für Forstwirtschaft NRW. Arnsberg.
  • Leder, B.; Krumnacker, J. (1998): Zur Vegetations- und Gehölzentwicklung auf Sukzessionsflächen nach Fichtenwindwurf. LÖBF-Mitteilungen (H. 1): 64-72.
  • Leder, B. (2003): „Natürliche Wiederbewaldung nach Fichtenwindwurf 1990“. LÖBF-Mitteilungen (H. 2): 40-43.
  • Mettin, C. (1977): Zustand und Dynamik der Verjüngung der Hochlagenwälder im Werdenfelser Land. Diss. Universität München.
  • Röhrig, E.; Bartsch, N.; Lüpke, B. v. (2006): Waldbau auf ökologischer Grundlage. Stuttgart.