Die EU möchte beispielsweise bis 2030 gemäss ihrer Biodiversitätsstrategie mindestens drei Milliarden Bäume anpflanzen. In Neuseeland ist sogar die Anpflanzung von einer Milliarde Bäumen bis 2028 in Planung. Angesichts solch grosser Zahlen sind pragmatische und möglichst kostengünstige Lösungen zur Aufforstung gefragt. Daher wird derzeit auf internationaler Ebene die Möglichkeit der Aussaat diskutiert. Die möglichen Vorteile dieser Technik gegenüber der Pflanzung sind vielfältig:

  • Geringere Kosten fürs Vermehrungsgut und für die Ausbringung
  • Optimale Anpassung der Pflanzen an die Standortbedingungen von Anfang an
  • Ungestörte Wurzelentwicklung
  • Erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel durch genetisch vielfältiges Saatgut und höhere Individuenzahl
  • Grössere Flexibilität, da Saatgut je nach Baumart über Jahre hinweg (z.B. Fichte) gelagert werden und schneller verfügbar sein kann als Setzlinge

Die Samen können von Hand, mit Maschinen oder auch aus der Luft ausgebracht werden.

Drohnensaat

Eine der neuesten Entwicklungen in diesem Bereich ist die Drohnensaat. Das Thema hat, wie oft bei Drohnen im Allgemeinen, einen gewissen "Hype" und erscheint in Beiträgen in Mainstream-Medien wie CNN, Forbes oder National Geographic. Die Idee der Aussaat aus der Luft ist sicherlich nicht neu aber Drohnen haben die Diskussion neu entfacht. Das Verfahren wurde bisher in der Wissenschaft relativ wenig beachtet und seine Entwicklung fand hauptsächlich im privaten Sektor mit mehreren Firmen und Start-ups wie Droneseed (USA), Airseed (Australien), CO2 Revolution (Spanien), Flash Forest (Kanada) oder Dendra Systems (UK) statt.
Mehrere öffentliche und private Einrichtungen führen Pilotprojekte mit dieser Technologie für ihre Wiederherstellungs- oder Wiederaufforstungsarbeiten durch, z. B. nach Kahlschlägen oder Störungen:

  • Die neuseeländische Regierung möchte im Rahmen des “One Billion Trees Programme” bis 2028 eine Milliarde Bäume pflanzen und prüft dafür auch den Einsatz von Drohnen.
  • Eine weltweit tätige, auf Forstwirtschaft spezialisierte Investmentgesellschaft hat nach Bränden in ihren Wäldern in Oregon Drohnen zur Wiederaufforstung eingesetzt. Dies geschieht ebenfalls in einigen kanadischen borealen Wäldern.
  • Der WWF fördert im Rahmen der Kampagne "Regenerate Australia" Projekte mit Drohnensaat.
  • In Myanmar setzt man Drohnen zur Wiederherstellung von Mangrovenwäldern ein.

Technologie und Verfahren

Die eingesetzten Drohnen bestehen in der Regel aus leistungsstarken Multikoptern, wie sie auch in der Landwirtschaft verwendet werden. An ihnen sind Behälter mit Saatgut befestigt, die eine Nutzlast von bis zu 25 kg haben. Das Saatgut kann von oben lediglich mit Hilfe der Schwerkraft ausgebracht oder zur Optimierung des Bodenschlusses mit pneumatischen Geräten in den Boden geschossen werden.

Der Aussaatvorgang ist normalerweise in mehrere Phasen unterteilt (s. Abb. 2):

A: Zunächst wird die Behandlungsfläche analysiert, um die waldbaulichen Ziele und die auszubringenden Baumarten zu bestimmen. Durch den alleinigen oder kombinierten Einsatz von Photogrammetrie (Structure from Motion SfM) und LiDaR (Light Detection and Ranging), wofür ebenfalls mit Drohnen eingesetzt werden, wird ein hochaufgelöstes 3D-Geländemodell erstellt. In Kombination mit anderen Daten wie Bodenanalysen, Hyperspektralbildern (von Drohnen oder Satelliten) und historischen Daten werden anschliessend die am besten geeigneten Standorte für die Aussaat ermittelt. So sind beispielsweise Baumstümpfe auf Brandflächen ideale Mikrostandorte, da das verrottende Holz Feuchtigkeit speichert und den Sämlingen Schatten spendet sowie Nährstoffe liefert.

B: Für die Aussaat aus der Luft ist es vorteilhaft, die Samen mit Hilfsmitteln auszustatten (z. B. "seed balls”, “seed pods” oder “seed bombs"). Diese können Stoffe enthalten, die teilweise die Rolle des Bodens einnehmen und den Samen sowie den Keimlingen Feuchtigkeit und Nährstoffe spenden sowie Stoffe, welche die Samen vor Fressfeinden und Pathogenen schützen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass sowohl die Keimungsrate als auch die Überlebensrate der Keimlinge dadurch deutlich verbessert werden können. Die Hilfsmittel werden den Samen auf verschiedenste Arten mitgegeben. Das Spektrum reicht von Kapseln aus biologisch abbaubarem Material (s. Abb. 3 und 4) bis hin zu speziellen Beschichtungen, die direkt auf dem Saatgut aufgebracht werden, wobei letztere am beliebtesten zu sein scheinen. Die Hilfsmittel können verschiedene Stoffe enthalten:

  • Nährstoffe
  • Repellentien gegen Fressfeinde
  • Absorbierende Stoffe, die das Austrocknen verhindern
  • Stoffe gegen Pathogene
  • Substanzen zur pH-Regulierung
  • Pilze (Mykorrhiza) oder andere Mikroorganismen zur Wachstumsförderung

C: Die Flugbahn wird vorprogrammiert, sodass mehrere Drohnen gleichzeitig arbeiten können. Zwei eindeutige Pluspunkte von Drohnen sind ihre Geschwindigkeit und Skalierbarkeit. Die Firma Flash Forest z.B. will 100’000 seed pods pro Tag verteilen. Dendra Systems vermerkt, dass jede ihrer Drohnen 60 Hektaren pro Tag abdecken kann. DroneSeed ihrerseits gibt an, dass ihre Drohnensaat sechsmal schneller ist als eine manuelle Bepflanzung und dass ihre Drohnen eine maximale Reichweite von etwa 11 km haben, mit einer Betriebszeit zwischen 8 und 18 Minuten.

D: Der letzte Schritt ist das Monitoring nach der Aussaat, um den Erfolg zu quantifizieren und eventuelle zusätzliche Massnahmen zu planen. Bei diesem Schritt kann erneut die Hilfe von Drohnen in Anspruch genommen werden.

An der Front der Drohnensaat gibt es nicht nur private, gewinnorientierte Unternehmen. So hat beispielsweise die Non-Profit-Organisation Dronecoria verschiedene Open-Source-Tools und -Technologien für die Drohnensaat entwickelt, wie:

  • Einen Multikopter aus Sperrholz, der mit einem speziellen Aufsatz bis zu 8 kg Saatgut transportieren und ausbringen kann (s. Abb. 1)
  • Einen eigens modifizierten Betonmischer, der Saatgut pelletieren kann (Herstellung von seed balls; s. Abb. 5)
  • Ein System, mit dem Kühlschränke ferngesteuert werden können, um automatische Heiss-/Kalt-Zyklen für die Saatgutbehandlung (d.h. Stratifizierung, der heikle Prozess der Aufhebung der Keimruhe) durchzuführen

Anleitungen zum Bau dieser Geräte und weitere nützliche Informationen zur Herstellung von seed balls und zur Aussaat mit Drohnen findet man unter dronecoria.org. Dronecoria entwickelt die Inhalte ständig weiter und nutzt ihre eigenen Technologien für Auf­forstungs­pro­jek­te. In einem von der Suchmaschine Ecosia mitfinanzierten Projekt säte das Team beispielsweise 100’000 Samen für die Aufforstung eines degradierten Gebiets in einem Naturpark in Almería, Spanien.

Herausforderungen

Die Drohnensaat und die Aussaat aus der Luft im Allgemeinen bergen jedoch verschiedene Herausforderungen, welche zum Teil auch denjenigen der herkömmlichen Saat vom Boden aus entsprechen:

  • Es werden grosse Mengen an qualitativ gutem, standortgerechtem und korrekt gelagertem Saatgut benötigt. Dieses muss einen möglichst hohen Keimungsgrad aufweisen. Gegebenenfalls sollte es vor der Verwendung stratifiziert werden. Diese Aspekte stellen eine grosse logistische Herausforderung dar, insbesondere in der Schweiz, wo es keinen wirklichen Markt für Forstsaatgut gibt. Je nach Baumart ist die Saatguternte ein aufwändiger manueller Prozess.
  • Es ist schwierig, die richtige Formel für eine erfolgreiche Beschichtung zu finden, die das Saatgut sowohl schützt als auch keimen lässt. Saatgutbeschichtungen wie man sie von der Landwirtschaft kennt, sind meistens streng gehütete Geschäftsgeheimnisse.
  • Es fehlt ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Aussaat: Ein ausreichender direkter Kontakt mit dem Mineralboden. Normalerweise werden die Samen bei der Aussaat vom Boden aus sogar mit einer Erdschicht bedeckt (zwei- bis dreimal so dick wie der Samen selbst). Auch wenn das Saatgut "geschossen" wird, ist der Bodenschluss kaum optimal. Dabei kommt noch hinzu, dass eine Drohne den Boden nicht vorbereiten kann (z.B. Auflockerung, Entfernung von Bewuchs, Steinen, Laub oder Gestrüpp etc.).
  • Die Aussaat weist eine deutlich höhere Empfindlichkeit gegenüber klimatischen Faktoren aus als Pflanzungen. Trockenheit oder zu viel Regen können leicht die gesamte Aussaat zerstören.
  • Die jungen Pflanzen aus einer Saat sind nicht vor dem Wild geschützt, wohingegen Pflanzungen meist mit einem chemischen oder mechanischen Wildschutz ausgestattet werden. Nachträgliche Massnahmen zum Schutz würden die finanziellen und zeitlichen Vorteile einer Drohnensaat erheblich reduzieren.
  • Nicht zuletzt ist die Pflege des Aufwuchses nach der Aussaat ein wichtiger Punkt. Da die Pflanzen keinen Höhenvorteil gegenüber einer Konkurrenzvegetation (z.B. Gräser, Sträucher) haben, kann ein regelmässiges Mähen um die Pflanzen erforderlich sein. Dies würde die Kosten für die gesamte Operation erheblich erhöhen.

Die oben genannten Punkte stellen grosse Probleme dar, die den Anwendungsbereich der Drohnensaat stark einschränken. Grosse karge Flächen mit wenig Hindernissen auf dem Boden scheinen die ideale Voraussetzung zu sein. Die Analyse der verfügbaren Literatur zeigt, dass die meisten der bisherigen Anwendungen in der Tat an solchen Orten stattgefunden haben, z.B. in Australien oder Kanada.

Erfolgsrate

Generell ist ein Mangel an Transparenz hinsichtlich der Erfolge von Drohnensaat-Projekten zu verzeichnen. Private Unternehmen werben viel mit der Geschwindigkeit und Automatisierung ihrer Prozesse, aber detaillierte Informationen über Erfolge bzw. Misserfolge sind schwer zu finden. Im Rahmen der Recherchen für diesen Artikel konnten nicht genügend Informationen gefunden werden, um eine Einschätzung der Wirksamkeit solcher Projekte vorzunehmen. Dies ist ein wesentlicher Punkt, der vor übermässigem Optimismus in diesem Bereich warnt.

Schlussfolgerungen für die Schweizer Forstwirtschaft

Im Zeitalter des Klimawandels und des Aufkommens der Robotik ist die automatisierte Baumsaat mit Drohnen aus der Luft für viele ein hochaktuelles Thema. Es verbindet die positiven Aspekte der Aussaat mit den Vorteilen der neuen Technologien und verspricht ein hohes Mass an Skalierbarkeit sowie die schnelle und einfache Erstellung von Wäldern "à la carte". Deshalb wird die Technik in verschiedenen Ländern, wie die erwähnten Beispiele zeigen, angewandt und weiterentwickelt.

Die verschiedenen Herausforderungen und die kleinflächige Waldbewirtschaftung schränken die Anwendung der Drohnensaat in der Schweiz jedoch stark ein. Geeignete Flächen für eine Aussaat auf denen die Naturverjüngung nicht in genügender Qualität oder Quantität aufkommt, gibt es wenige. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist aber das Einbringen von klimafitten Baumarten zu einem wichtigen Thema geworden. Nach grösseren Schadereignissen wie z.B. Stürmen oder Waldbränden könnten auf den entstandenen, grossen Pionierflächen mit der Drohne klimafitte Baumarten angesät werden. Potenzial würde insbesondere auf Flächen bestehen, auf welchen eine zu geringe Vielfalt durch Naturverjüngung erwartet wird (z.B. ehemalige Monokulturen, fehlende Samenbäume). Da die meisten klimafitten Baumarten vom Wild verbissen werden, müssen die Pflanzen geschützt und gepflegt werden, um eine Entmischung der Baumarten zu verhindern. Weiter könnte die Drohnensaat zur Ergänzung der Bepflanzung von Schutzwaldflächen in Betracht gezogen werden, um Ausfälle zu verhindern.

Die Drohnensaat hat sicherlich ein gewisses Potenzial, die Wiederbewaldung auch in der Schweiz zu unterstützen. Die Anwendbarkeit des Verfahrens hängt aber stark von den Bedingungen des Saatorts ab. Zudem fehlen Studien zum Erfolg oder Misserfolg der Technik, um letztere für verschiedene Geländetypen zu verfeinern.

Ausführliche Literaturhinweise finden sich in der Originalpublikation.