Die Forstwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig, der besonders umweltgebunden und von den klimatischen Verhältnissen abhängig ist. Damit ist sie auch stark von Klimawandel betroffen. Folglich hat man sich in Bayern zum klimagerechten Waldumbau entschlossen. Im Zuge dessen sollen anfällige Baumarten durch weniger anfällige und an die künftigen Bedingungen besser angepasste Spezies ersetzt werden. Die Planungsgrundlagen sollen bis 2011 erarbeitet werden. Damit aber schon jetzt mit dem Umbau begonnen werden kann, wurde eine provisorische aber dennoch verlässliche Lösung notwendig. Mit den Klima-Risikokarten der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) können Umbauschwerpunkte erkannt und Umbauvorhaben auf sicherer Basis angegangen werden.

Datengrundlagen

Bisher stützte man sich bei der Baumartenwahl auf die Angaben der forstlichen Standortserkundung, die allerdings noch nicht für die gesamte Waldfläche und nicht vollständig in digitaler Form vorliegen. Darüber hinaus erlauben die Standortskarten kaum eine dynamische Anpassung an geänderte Klimabedingungen.

Für die provisorischen Klima-Risikokarten wurden landesweit digital vorliegende Datenquellen (Tab. 1) verwendet. Entwickelt wurden Karten für die Perioden 2000, 2050 und 2100. Die Informationen zur Bodenqualität konnten noch nicht digital eingearbeitet werden. Daher sind die neuen Risikokarten ergänzend mit den herkömmlichen Standortkarten anzuwenden.

Dosis-Wirkungsbeziehung

Aufgrund des Klimawandels verändern sich verschiedene auf die Wälder wirkende Umweltgrößen. Nach allen Szenarien werden die Temperaturen zunehmen und die Niederschläge tendenziell gleich bleiben, aber vom Sommer auf den Winter umverteilt werden. Die Dosis an Wärme nimmt zu, die Dosis des Niederschlags nimmt – zumindest in der Vegetationsperiode – eher ab.

Allerdings ist der Wasserhaushalt der Bäume ein komplexes Wechselspiel zwischen dem Niederschlag, dem Transpirationsverbrauch und der Zwischenspeicherung im Boden. Dies lässt sich mit der Transpirationsdifferenz (Tdiff) beschreiben. Sie gibt den Grad des Wassermangels als Differenz zwischen der möglichen und der wirklichen Transpiration der Bäume an. Sie wird im Wesentlichen von den in der Vegetationsperiode fallenden Niederschlägen, von Vegetationszeittemperatur und Strahlung, von Wasserspeicherkapazität und Wasserdurchlässigkeit der Böden, aber auch von der genetisch fixierten Durchwurzelungstiefe der einzelnen Baumarten bestimmt.

Bei Vergleich der Karte der Transpirationsdifferenz Tdiff (Abb. 1) mit der Karte des Fichtenanteils in Bayern (Abb. 2) offenbart sich der Zusammenhang zwischen dem kühl-feuchten Gebirgsklima und der Häufigkeit der Baumart Fichte. "Die Fichte liebt die Berge und die Kälte" wusste Plinius d. Ä. schon 77 v. Chr. Dieses Erscheinungsbild beruht aber auch auf den Anbauentscheidungen mehrerer Generationen von Waldbesitzern und Forstleuten.

Das Modell, das die maßgeblichen Klimaparameter und Datensätze auch aus wärmeren Regionen Deutschlands einbezieht beschreiben Kölling et al. (2009; siehe Originalartikel) genauer.

Schwellenwerte für das Anbaurisiko

Je geringer der Wassermangel, je kühler und feuchter die Klimabedingungen, desto mehr Fichten sind am Waldaufbau beteiligt und desto geringer ist das Anbaurisiko. In der jüngeren Vergangenheit wurden so viele schwere Schadensverläufe in Fichtenbeständen warm-trockener Klimaregionen beobachtet, dass eine derartige Parallelisierung gerechtfertigt scheint. Das Anbaurisiko ist das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Schäden und der Schadenshöhe. Die Wirkungsgröße Fichtenanteil wird als Anbaurisiko unter Verwendung einer siebenteiligen Skala ausgedrückt.

Mit den im Modell erfassten Beziehungen zwischen Dosisgrößen (v.a. Klima- und Bodenparameter) und Wirkungsgrößen (Fichtenanteile), der kartenmäßigen Erfassung der Klimaparameter und der Einwertung in Risikoklassen kann das Anbaurisiko für die gegenwärtigen klimatischen Verhältnisse (Periode 1971 – 2000) als Karte dargestellt werden. Dabei wurden die Risikobewertungen nach dem Wasserhaushalt sowie nach Temperatur und Niederschlag arithmetisch gemittelt und in einer einzigen Risikokarte zusammengefasst. Die Mittelung sichert die Ergebnisse besser ab.

Das Kartenergebnis sollte nun dem gegenwärtigen klimatisch bedingten Anbaurisiko der Fichte entsprechen. Rückmeldungen verschiedener Nutzer ergaben weitgehende Übereinstimmungen mit den vorhandenen Einschätzungen. Obwohl weitere lokal wirksame Einflussgrößen nicht berücksichtigt sind, erfüllen die provisorischen Risiko-Karten ihren Zweck einer schnell verfügbaren und brauchbaren Planungshilfe für den Waldumbau.

Blick in die Zukunft

Für die zweite Karte (Abb. 3, rechts) werden die Klimawerte der Periode 2071 – 2100 nach der WETTREG-Regionalisierung verwendet. Selbst bei dem vergleichsweise "milden" Szenario B1, das für unsere Region eine mittlere Temperaturerhöhung von "nur" 1,8°C prognostiziert, erhalten große Teile der Waldfläche Bayerns ein Klima, das wir bis heute hier nicht vorfinden. Alle diese Flächen werden der gegenwärtig höchsten Risikostufe zugeordnet. Der landesweite Anstieg des Anbaurisikos wird deutlich. Mit guten Anbaubedingungen wird man künftig nur in den höchsten Lagen der Mittelgebirge und der Alpen rechnen können.

Kombination mit der Standortskarte

Die Informationen aus den Risikokarten hängen sehr stark von der Wasserspeicherkapazität und –durchlässigkeit des Bodens ab. Daher wurden die Karten für drei Standardböden mit geringer (G), mittlerer (M) und hoher (H) Wasserspeicherkapazität entwickelt. Für die Zuordnung wird aus der Standortskarte die vorherrschende Bodenart entnommen und nach Tabelle 2 bestimmt, welche der drei Risikokarten auf den Standort anzuwenden ist. Zusätzlich ist der Skelettgehalt zu berücksichtigen, der sich linear erniedrigend auf die Feldkapazität auswirkt.

Tab. 2: Zuordnungstabelle der Klima-Risikokarten G, M und H zu den Legendeneinheiten der Standortskarte.
Bodenart der StandortskarteWasserhaltevermögen im Vergleich zu den Beispielkarten Klima-Risikokarte
Sand"Gering", bei Grundwasseranschluss näher an "Mittel" (Kapilarer Aufstieg)G
Lehmiger SandZwischen "Gering" und "Mittel, näher an "Gering"G
Sandiger LehmZwischen "Gering" und "Mittel, näher an "Mittel"M
LehmEtwas höher als "Mittel"M
Feinlehm, Schufflehm, Schluff"Hoch"H
Milder TonDurchwurzelbarkeit gegeben, "Mittel"M
Strenger TonDurchwurzelbarkeit eingeschränkt (Quellung / Schrumpfung), "Gering"G
Decksand und -lehmJe nach Sandanteil in der Überdeckung und Tonanteil und -art im Unteboden zwischen "Gering" und "Mittel"
G / M
SchichtsandEtwas höher als reiner Sand, "Gering" bis "Mittel"G / M
Schichtlehm"Mittel" (milder Ton, Tonlehm) oder etwas niedriger (strenger Ton)M

Andere Baumarten

Es sollen weitere Karten für die Baumarten Kiefer, Eiche, Bergahorn, Tanne, Europäische Lärche und Douglasie erstellt werden. Die Dosis-Wirkungsmodelle werden für jede Baumart verschieden sein, da jede ihre spezifischen Klimarisiken aufweist. Die Arbeiten für die Buche sind bereits abgeschlossen. Die Achillesferse der Buche ist der Wasserhaushalt. Daher wurde bei der Erstellung der Risikokarte vorwiegend Tdiff und nur an der Kältegrenze der Buche die Jahresdurchschnittstemperatur verwendet.

Anwendung in der Praxis

Für die Anwendung in der Praxis werden je Baumart neun Karten (G, M und H für die Perioden 2000, 2050 und 2100) in einer pdf-Datei zusammengefasst. Die Werte für die Jahrhundertmitte (2050) sind einfache Interpolationen zwischen den Anfangs- und Endrisiken. Diese Risikokarten sind Provisorien, die verbessert und ersetzt werden müssen, z.B. soll künftig die Bodeninformation bereits in die Risikokarte eingearbeitet werden.

Je besser die Planungsgrundlagen sind, desto erfolgreicher können die Wälder im klimagerechten Waldumbau auf die mit Sicherheit wärmeren Verhältnisse am Ende des Jahrhunderts vorbereitet werden. "Es kommt nicht darauf an, die Zukunft zu vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein." (Perikles). In diesem Sinn haben auch unvollkommene Provisorien wie die Klima-Risikokarten ihre Berechtigung als Grundlage für vorausschauendes Handeln angesichts des Klimawandels.