Die Weißtanne bevorzugt ozeanische bis subkontinentale Klimaverhältnisse. Optimale Wuchsbedingungen findet sie auf feuchten Böden in wenig frostgefährdeten und sommerkühlen Lagen mit mindestens drei Monaten Vegetationszeit. Sie meidet das trocken-warme Klima des Flachlandes. Große Teile Bayerns liegen heute im Weißtannen-Optimum. Die warmen Regionen Bayerns werden bei weiterer Temperaturerhöhung ungeeignet für die Weißtanne. Der Bedarf an Weißtannen-Saatgut hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen und wird sehr wahrscheinlich auf hohem Niveau bleiben. Bereits heute gibt es in einigen Regionen Bayerns Versorgungsengpässe mit hochwertigem Vermehrungsgut der Weißtanne.

Durch die Rückwanderung über unterschiedliche Wege (Ost-/West-Alpen) nach der letzten Eiszeit ist die Herausbildung der aktuellen Muster in Bayern/Deutschland (Abb. 2) begründet. Aufgrund der Bayerischen Herkunftsempfehlungen war es bis Ende 2018 möglich, Saatgut der Samenplantagen Avrig und Neamt (SPL Garcina) als Ersatzherkunft für die Herkunftsgebiete 827 06 und 827 10, Teil B nach Deutschland zu importieren und Pflanzmaterial zu produzieren. Genetische Analysen zur Herkunftskontrolle und zur Abschätzung des Anpassungspotenzials sollten durchgeführt werden, bevor Vermehrungsgut empfohlen und eingebracht wird.

Es ist geplant, in den neuen Herkunfts- und Verwendungsempfehlungen wiederum Samenplantagen aus Rumänien als "klimaplastische Herkünfte" zur Verwendung in Bayern zu empfehlen. Dabei werden die Ergebnisse der bayerischen Weißtannen-Herkunftsversuche berücksichtigt. Auf fünf Versuchsstandorten in Bayern waren eine Herkunft aus den südlichen Karpaten (Avrig) und eine Herkunft aus den nördlichen Karpaten (Lapus) überdurchschnittlich. Neben der Samenplantage Avrig sind in Rumänien weitere neun Samenplantagen zugelassen, die nach einer erfolgreichen Bewertung in die Verwendungsempfehlungen aufgenommen werden können. 2015 erfolgte die bundesweite Anlage von Weißtannenherkunftsversuchen, in denen zehn rumänische Herkünfte angebaut wurden. Vermehrungsgut von drei Herkünften wurde dabei aus Samenplantagen (Avrig, Baia Sprie und Sfantul Gheorghe) gewonnen.

Wie wurde vorgegangen?

Die Weißtanne hat ein großes natürliches Verbreitungsgebiet in Europa und hat nach der letzten Eiszeit viele Standorte erfolgreich besiedelt. Daneben erfolgte vielerorts eine Einbringung durch den Menschen. Ein wichtiges Refugium während der Eiszeit war der Balkan (Abb. 2). Aus diesem erfolgte die Wiederbesiedlung über die Dinarischen Alpen und die Karpaten. Die Tannenwälder Bayerns wurden hauptsächlich über die Ost-Alpen besiedelt, aus Wäldern, die ursprünglich in Mittelitalien die Eiszeiten überdauert haben. Die Wiederbesiedlung der Karpaten entstammt hauptsächlich den Refugien des südlichen Balkans.

Die bisherige Zusammenarbeit zwischen dem Bayerischen Amt für Waldgenetik (AWG) und dem National Institute for Research and Development in Forestry (Rumänien) wurde durch die Bayerische Staatskanzlei finanziert und bildete die Grundlage für eine gemeinsame Publikation. Die Ergebnisse dieser Studie belegen in allen 36 untersuchten Populationen eine hohe genetische Vielfalt (He = 0,779 bis 0,834 und Ar = 11,61 bis 14,93). Die Bayes’sche Clusteranalyse ergab, dass es zwei genetisch unterschiedliche Gruppen für Weißtannenpopulationen gibt:

  • einen größeren Cluster, der die Karpaten des inneren Ostens, die Karpaten der Krümmung, die Südkarpaten und das Banatgebirge umfasst, und
  • den zweiten Cluster, der den größten Teil der Populationen der Nord- und äußeren Ostkarpaten abdeckt.

Die eindeutige genetische Differenzierung der Weißtannenpopulationen führt zur Ausweisung von zwei Herkunftsregionen, die bei der Nutzung berücksichtigt werden sollten.

Im Rahmen eines Gastaufenthalts von Dr. Maria Teodosiu wurde die Samenplantage Avrig genetisch charakterisiert. Die Plantage stockt in den südlichen Karpaten auf 615 m ü. NN. 1979 wurde sie auf einer Gesamtfläche von 5 ha begründet und beinhaltet 39 Klone, die mehrmals wiederholt und zufällig verteilt angepflanzt wurden. Die Wiederholungen eines Klons werden als „Ramets“ bezeichnet. Als Vergleichspopulation wurden die Klone der Samenplantage Sfantul Gheorghe (SP_SG) verwendet. Diese Samenplantage wurde 1981 mit 26 Klonen auf einer Fläche von 10 ha etabliert. Die Plusbäume wurden dabei in der gleichen Herkunftsregion wie bei der Samenplantage Avrig gewonnen.

Das verwendete Vermehrungsgut wurde auf dem Markt gekauft und stammte aus der Samenplantage Avrig in Rumänien. Für diesen Vergleich wurden 96 zufällige Samen ausgewählt. Die daraus extrahierte DNA wurde danach in einer Polymerasekettenreaktion (PCR) für die genetischen Analysen mittels 15 hochvariabler DNA-Marker (Kernmikrosatelliten) verwendet. Ausgehend von den für die Einzelbäume bestimmten Multilocus-Genotypen wurden zuerst die Allelhäufigkeiten und daraus dann Parameter berechnet, die die genetische Variation innerhalb der Vorkommen beschreiben. Genetische Indizes wurden mit dem Programm GenAlex Version 6.5 berechnet. Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Samen wurden mit dem Programm COLONY berechnet und Voll- und Halbgeschwister identifiziert und möglichen Eltern zugeordnet.

Was hat die Untersuchung ergeben?

Zuerst erfolgte ein Vergleich der genetischen Vielfalt der rumänischen Samenplantagen (SP_Avrig und SP_SG). Insgesamt ist die genetische Vielfalt in beiden rumänischen Weißtannen-Samenplantagen hoch. Der Vergleich mit den untersuchten Beständen aus der Studie in Rumänien zeigt, dass die genetische Vielfalt vergleichbar mit den Samenplantagen Avrig und SG ist . In der Studie wurden sieben der 15 hier verwendeten Kern-Mikrosatelliten (nSSR) angewandt.

Das Dendrogramm in Abbildung 5 zeigt die Zuordnung von Samen aus der Samenplantage Avrig (Sa_Avrig), basierend auf den genetischen Abständen zwischen den rumänischen Samenplantagen Sfantul Gheorghe (SP_SG) und Avrig (SP_Avrig). Es wird deutlich, dass der größte genetische Unterschied zwischen der Samenplantage Sfantul Gheorghe (SP_SG) und allen anderen Kollektiven liegt. Darüber hinaus ist es sehr wichtig zu unterstreichen, dass die Samen aus der Samenplantage Avrig zu 99,98 % mit den Klonen aus der Samenplantage Avrig gruppiert werden. Dadurch erfolgt eine eindeutige Zuordnung der Samen zu der Samenplantage.

Bei der Elternschaftsanalyse des Saatguts aus der Samenplantage Avrig (SP_Avrig) zeigt sich, dass der überwiegende Teil der Nachkommen aus Bestäubungen innerhalb der Plantage stammt und der Selbstungsanteil sehr gering war. Die Variabilität der verwendeten Kern-DNA-Mikrosatelliten ermöglichte die Bestimmung der Eltern. Bei 84 Samen (87,5 %) stammten Mutter- und Vaterbäume (also beide Eltern) eindeutig aus der Samenplantage Avrig. Von weiteren 11 Samen (12,5 %) stammte zumindest ein Elternteil aus der Plantage. Damit stammten nur bei einem Samen der Zufallsstichprobe (96 Samen) die Eltern nicht aus der Plantage.

Die Studie zeigt, wie genau der Ursprung des Saatguts identifiziert werden kann, wenn die DNA-Fingerabdrücke der einzelnen Klone von Samenplantagen verfügbar sind. Darüber hinaus können mit bestehenden Elternschaftsanalyse-Programmen wie COLONY Mutterbäume jeden Samens identifiziert und der Grad des Polleneintrags überprüft werden. Die repräsentative Verteilung der Klone auf der Samenplantage sowie eine vollständige Beerntung der Samenplantage haben eine sehr hohe Bedeutung und sollten berücksichtigt werden.

Was lässt sich aus den Ergebnissen schließen?

Der Waldumbau wird in ganz Europa diskutiert und von vielen Ländern bereits umgesetzt. Entscheidend für den Anbauerfolg und die Stabilisierung der Waldbestände ist die Verwendung von geeigneten und standortgerechten Baumarten und Herkünften. Der Bedarf an hochwertigem und herkunftssicherem Vermehrungsgut, das am Anfang der Produktionskette steht, ist sehr hoch und kann bei vielen Baumarten nicht befriedigt werden. Bei allen genutzten Saatgutquellen sollte die Anzahl der zu beerntenden Bäume hoch sein. Neben der Herkunftssicherheit und der Beerntung ist die genetische Ausstattung (Struktur, Vielfalt und Diversität) der Bestände ein wichtiger Maßstab für die zukünftige Anpassungsfähigkeit und sollte vor dem Anbau bekannt sein. Ein Überblick der genetischen Ausstattung von bayerischen Beständen der Weißtanne wurde 2011 durch Konnert und Schirmer gegeben.

Zurzeit erfolgt die genetische Charakterisierung der bayerischen Samenplantagen und der möglichen Generhaltungsbestände der Weißtanne. Besonders bei der Gewinnung und Einbringung von Vermehrungsgut aus Populationen, die als klimaplastisch gelten und außerhalb Bayerns liegen, sollten diese Parameter bekannt und überprüfbar sein. Wenn klimaplastische Herkünfte heimischer Hauptbaumarten zur Anreicherung des Genpools genutzt werden und dadurch zu einer Erhöhung der Anpassungsfähigkeit (assisted gene flow) führen, sollte die genetische Ausstattung detailliert analysiert werden.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Herkunftskontrolle bei der Weißtanne mittels genetischer Analysen vorgenommen. In unterschiedlichen Untersuchungen wurden eine hohe genetische Vielfalt sowie ein überdurchschnittliches Wachstum der rumänischen Herkünfte belegt. Für die zukünftige Verwendung muss auch eine hohe Herkunftssicherheit gewährleistet werden. Die Saatgutprüfung am AWG stellte eine hohe Keimfähigkeit der vorliegenden Samenpartie fest, was als erster Hinweis für qualitativ hochwertiges Vermehrungsgut gewertet werden kann.

Durch die Anwendung von forstgenetischen Labormethoden konnte eine hohe Übereinstimmung der Samenpartie mit den Genotypen der Samenplantage Avrig nachgewiesen werden. Von den 96 analysierten Samen konnten 95 den Genotypen zugeordnet werden, die auf der Samenplantage zu finden sind. Die angewandten Analyseverfahren und -methoden können für die Überprüfung weiterer Samenplantagen dieser Baumart uneingeschränkt verwendet werden. Im Rahmen der weiteren Forschungskooperation ist geplant, mindestens fünf weitere rumänische Samenplantagen genetisch zu inventarisieren und damit die Überprüfbarkeit zu ermöglichen. Des Weiteren sollte die genetische Charakterisierung von weiteren deutschen Samenplantagen erfolgen, die zukünftig genutzt werden sollen.

Das im Rahmen dieser Arbeit vorgestellte Vorgehen sollte für weitere Baumarten getestet und etabliert werden. Damit kann die Herkunftssicherheit bei der Nutzung alternativer Herkünfte heimischer und nicht heimischer Baumarten gesteigert werden.