Kolbnitz ist ein malerisch gelegenes Örtchen am Fuße des Reißeck im unteren Mölltal. Josef Penker, der von Allen Sepp genannt wird, bewirtschaftet hier mit seiner Familie einen Hof mit Milchkühen, Hackschnitzel-Heizwerken und 80 Hektar Schutzwald. Doch so idyllisch und lieblich die Thematik Schutzwald in den Bergen beginnt, so schwer und verantwortungsvoll wiegt das Thema im Tal.

Fangen wir hoch oben an: Eingebettet in die mächtigen Südflanken von Großer Stapnik, Zaubernock und Riekener Sonnblick liegt auf 2400 Metern Seehöhe der Hochalmsee. Es ist der Ursprung des Riekenbaches. Aus dem See plätschert das Wasser zuerst gemächlich über kantigen Granit und lässt sich bald tosend über steile Felsstufen fallen. Das Bächlein mäandert weiter über malerische Almwiesen des Zandlacher Boden bevor es in einem Graben durch stetige Zuflüsse zu einem Wildbach anwächst. Dieser fließt gute tausend Höhenmeter unterhalb der Gipfel von Dorneck, Arlkopf oder Kampleck ins Tal.

Wie alles im Mölltal sind auch die Hänge, die den Bach flankieren, extrem steil, felsdurchsetzt und rutschgefährdet. Ein stabiler Wald sollte auf diesen Flächen dafür sorgen, dass der Boden dort bleibt, wo er ist und sich nicht als Schlammlawine über das Dorf ergießt. Doch genau das ist im November 2019 passiert, als nach drei Tage andauernden heftigen Regen­fällen im gesamten Mölltal schwere Vermurungen zu beklagen waren. „Solange es ein geschlossener Schutzwald ist, kann dieser viel Wasser zurückhalten. Ohne Wald merkt man aber den Unterschied“, holt Sepp aus, bevor er auf einige Hintergründe dieser Katastrophe eingeht.

2008 hat der Sturm Paula in der Gemeinde Kolbnitz 400 Hektar Schadfläche gemacht, 20 Hektar davon im Wald von Sepp. „Wir haben davor eigentlich keine Katastrophen gekannt. Es waren keine Käferkalamitäten, es waren keine Sturmereignisse, keine großartigen Schneebrüche über Jahrzehnte, wenn nicht sogar noch länger. Wir haben uns in Sicherheit gewiegt.“ Der Wald wurde seit jeher über Einzelstammentnahme naturnah bewirtschaftet. Trotz der engagierten Pflege der Waldwirtschaftsgemeinschaft waren viele Flächen überaltert, es fehlte an jungen Bäumen, die flexibler und resistenter auf eine Katastrophe reagieren könnten. Der Schaden nach Paula war daher sehr hoch, viele Bäume waren geworfen oder gebrochen und jene, die noch aufrecht standen, waren zumindest geschwächt. Ein wahres Schlaraffenland für die Borkenkäfer, die in den Jahren nach dem Sturm für weitere kahle Flächen sorgten. „Reguläre Holznutzung gibt es nun bei uns nicht mehr, da wir so schon große Schwierigkeiten haben, das immer wieder anfallende Schadholz aufzuarbeiten, abzutransportieren und zu vermarkten. Kostendeckendes Arbeiten ist nicht immer möglich.“

Mischwald als Risikominimierung

Die Waldgesellschaft besteht aus Fichten, Lärchen, weiter oben kommen Zirben hinzu und unten vermehrt Laubholz. Eschen sind leider dem Triebsterben zum Opfer gefallen, Bergahorn wird mit Schutz gepflanzt und Buchen und Birken kommen von selbst auf. Auch die Eiche findet langsam ihren Weg auf die Hänge oberhalb von Kolbnitz. „Es ist beeindruckend, was da in den letzten Jahren seit Paula in Gunstlagen auf den Schattseiten wieder zugewachsen ist. In den Hochlagen auf den Sonnseiten, wo das Wild gerne im Winter steht, da ist nach wie vor kein Wald und es wird noch länger dauern. Aber das wird sicher mal ein schöner stufiger Bestand werden, es braucht halt mehr Zeit“, gibt sich Sepp optimistisch.

Der Forstwirt achtet schon bei der Aufforstung von Kahlflächen darauf, dass der Wald zu einem stabilen Gefüge anwächst. Das ist mit Aufwand verbunden und setzt eine gute Planung voraus. Entscheidungen, die er heute fällt, kommen erst in Jahren oder Jahrzenten zu tragen. Darunter fallen zum Beispiel die Wahl der passenden Baumarten und die Mischung auf der Fläche oder ob er Forstpflanzen den Vorzug gegenüber der Naturverjüngung gibt. Im Vordergrund steht die Minimierung des waldbaulichen Risikos, er muss also alle seine Entscheidungen darauf ausrichten, dass ihm nicht wieder ein Schadereignis die mühevolle Arbeit von Jahrzehnten in kurzer Zeit zerstören kann. Dazu zählt auch der Bau von weiteren Forststraßen, denn die kranken oder toten Bäume müssen so rasch wie möglich aus den Wäldern entfernt werden, damit Buchdrucker und Co. nicht noch mehr Unheil anrichten können.

„Ich bin der Meinung, dass man den Aufwand bei der Waldpflege gering halten muss. Nachdem ich jahrelang mit hohem Aufwand Waldpflege betrieben und damit Schiffbruch erlitten habe, versuche ich jetzt mit minimalem Aufwand einen stabilen Wald zu erreichen. Das heißt geringere Stückzahl bei der Aufforstung und rechtzeitige Durchforstung mit stärkeren Eingriffen“, sagt er. Stabile Bestände und kurze Umtriebszeiten seien seine Zauberformel für die Zukunft des Schutzwaldes.

Wild und Wald in Einklang bringen

Eine große Herausforderung ist für Sepp die Regulierung des Wildbestandes. Im Winter 2020/21 lag der Schnee so hoch, dass Zäune keine Barriere mehr für das Wild dar­stellten. „Ich hatte auf einer Fläche Tannen, die schon zehn Meter hoch waren, neben Fichten, Lärchen, Eichen und Ahorn. Im Herbst dachte ich noch daran, den Zaun nach dem Winter zu entfernen, doch dann kam der viele Schnee und das Wild hat alles geschält oder gefressen. Die Bäume waren schon 20 Jahre alt.“ Um die Tannen ist es Sepp be­sonders leid. Deren Naturver­jüngung hatte es mit dem Wild ohnehin nicht einfach und jetzt sind mit den Schäden auch die alten Bäume weg. Künstlich ist sie nur sehr schwer und nur mit Schutzmaßnahmen aufzubringen. „Stirbt leider aus bei uns hier. Sie wäre aber ein wichtiger Baum, was Stabilität und Trockenresistenz betrifft“, so sein Resümee.

Dabei wird der Abschussplan in der Kolbnitzer Gemeindejagd sogar übererfüllt, das heißt, es wird mehr Wild erlegt, als vom Land Kärnten vorgeschrieben wird. Doch diese macht nur zwölf Prozent des gesamten Gebietes aus. „Das Problem liegt in den Eigenjagden, dort ist die Planerfüllung nicht ausreichend. Wir sind in Verhandlungen mit den Jagdausführenden, schon seit Jahren, und nur langsam bewegt sich da was. Aber es ist ein Generationenthema, man merkt schon, dass viele Junge jetzt anders denken.“ Sepp und andere Waldbesitzer*innen haben daher den Verein ‚Wald ohne Wildschaden‘ gegründet, um gegenüber der Jägerschaft eine lautere Stimme zu haben. „Es braucht ein Umdenken vom Hegegedanken zu einem ökologischen Gedanken der Jagd, der mit den Bedürfnissen des Waldes im Einklang steht.“

Spannende Zeiten

Das Bewusstsein für den Wald möchte der 49-Jährige auch weitergeben, daher engagiert er sich ehrenamtlich in mehreren Agrargemeinschaften und der Waldwirtschaftsgemeinschaft Reißeck. Die WWG ist ein Zusammenschluss mehrerer motivierter Waldbesitzer*innen der Gemeinde. Neben der Pflege der Schutzwälder machen sie sich auch die Wissensvermittlung zur Aufgabe. Auch um den Verkauf des Holzes kümmert sich die WWG gemeinsam mit dem Waldverband Kärnten. Doch das wurde in den letzten Jahren immer schwieriger, denn die Probleme mit der Klimaerwärmung einerseits und die Marktbedingungen andererseits dämpfen die Bereitschaft der Waldbesitzer*innen.

„Es fällt immer mehr auf, dass die Motiviation leidet. Die Kalamitäten bringen viele zur Verzweiflung. Sie haben nur Sorgen mit dem Wald und müssen dafür auch noch Steuern zahlen. Eine einzige Katastrophe wäre durchaus verkraftbar, aber wenn mehrere Jahre hintereinander solche Ereignisse auftreten, dann wird es irgendwann anstrengend. Es werden jedenfalls spannende Zeiten auf uns zukommen. Wenn das mit dem Klimawandel so eintritt, wie die Wissenschaft das ankündigt, dann können wir uns auf was gefasst machen“, sieht der Vater von drei Söhnen im Alter zwischen sechs und acht Jahren die Zukunft. Seinen Idealismus zu verlieren ist für Sepp dennoch keine Option. Lieber gestaltet er das Aussehen seiner Heimat im Rahmen seiner Möglichkeiten mit. Und als begeisterter Bergsportler ist es ihm sowieso ein Anliegen, die Idylle der Berge auch für die kommenden Generationen zu bewahren.