In den oberen Bergwäldern des Entlebuchs (Kanton Luzern) ist der Anteil der Mischbaumarten Esche, Buche und Tanne in den aktuellen Beständen gering. Weil die Wälder praktisch nur aus Fichte bestehen, ist die Pflege standortgerechter, stabiler Bestände illusorisch. Will man künftig die fehlenden Baumarten fördern, so muss man zuerst das natürliche Potenzial kennen.

Zu diesem Zweck liess der Kanton Luzern eine flächendeckende pflanzensoziologische Standortskartierung erarbeiten. Dabei galt es zuerst, die genaue Höhenverbreitung der einzelnen Waldgesellschaften zu ermitteln, da die entscheidenden Baumarten bei flüchtiger Betrachtung kaum zu sehen sind. Erst die systematische Suche nach Einzelbäumen in den Wäldern der hohen Lagen lieferte eine gute Datenbasis.

396 Einzelbäume untersucht

In den Jahren 1995 bis 2000 wurden bei dieser Erhebung entlang des Alpennordrandes zwischen Marbach und Pilatus insgesamt 396 Einzelbäume oder Baumgruppen der drei Baumarten dokumentiert. Dank der Kombination mit der Standortskartierung konnte diese Erhebung mit vernünftigem Aufwand durchgeführt werden.

Die Erhebungen zeigen, dass zerstreute Restbestände der drei Baumarten noch heute zu finden sind. Die maximalen Verbreitungsgrenzen wurden für die Tanne bei 1800 Meter, bei der Buche bei 1600 Meter und bei der Esche bei 1400 Meter ermittelt. In den obersten 150 Höhenmetern der Verbreitung wachsen die Bäume maximal bis in die Mittelschicht und spielen waldbaulich keine relevante Rolle. In den nach unten folgenden 150 Höhenmetern erreichen die drei Baumarten zwar noch keine mitherrschende Funktion in den Beständen. Auf geeigneten Standorten können sie aber bereits bedeutende Anteile erreichen und damit für die Struktur, die Dynamik und die Stabilität dieser Wälder eine enorme Rolle spielen.

Präzisierung des Begriffs "Höhengrenze"

Wenn wir von der Höhengrenze von Baumarten sprechen, so muss man davon ausgehen, dass der Übergang von wüchsigen Baumbeständen zu den letzten strauchförmigen Exemplaren nicht innerhalb weniger Höhenmeter liegt. Diese Übergangszone erstreckt sich vielmehr über einen grösseren Bereich, der je nach Baumart unterschiedlich gross sein kann. Unterschiedliche Aussagen zur Höhenverbreitung der Baumarten gehen teilweise auf diese Unschärfe zurück. Wir können drei Hauptzonen des Übergangs unterscheiden:

  • Untere Zone: Die Baumart ist wüchsig und noch konkurrenzkräftig.
  • Mittlere Zone: Die Baumart kann in der Oberschicht mithalten, wird aber bei ungünstigen Bedingungen oder Kleinstandorten unterdrückt. Sie kann im Bestand einen relevanten Anteil erreichen und für die Struktur und Dynamik eine bedeutsame Rolle spielen.
  • Obere Zone: Die Baumart kommt nur mehr vereinzelt und nur in der Unterschicht vor. Die waldbauliche Bedeutung für den Bestand ist marginal.

Warum sind Esche, Buche und Tanne untervertreten?

Die heutige Untervertretung der drei Baumarten kann auf Grund geschichtlicher Betrachtungen plausibel erklärt werden. Der enorme Holzbedarf in der frühindustriellen Zeit, insbesondere für die Glasgewinnung, spielte dabei eine zentrale Rolle. Dazu kommt, dass Tanne und Esche vom Wild gerne verbissen werden und dass die ohnehin dominierende Baumart Fichte aus wirtschaftlichen Gründen zusätzlich gefördert wurde.

Förderungsmöglichkeiten

Tanne: Über die Bedeutung der Tanne für die Stabilität der Gebirgswälder muss man kaum noch Worte verlieren. Ihre Förderung ist eine schwierige Aufgabe, selbst wenn ein klarer Wille dazu besteht. Soll die Tanne bis in einigen Jahrzehnten wieder ein relevantes Element in der Stabilität der Gebirgswälder des Kantons Luzern bilden, so kann dies nur durch die Kombination mehrerer Einzelmassnahmen gelingen. Es braucht ein eigentliches Tannen-Förderungsprogramm. Als wichtigste Elemente dazu schlagen die Autoren vor:

  1. Dezidierte und verständliche Kommunikation an alle wichtigen Akteure.
  2. Wirksame Förderung der Tanne als prioritäres Ziel in allen Waldbauprojekten, mit besonderer Aufmerksamkeit beim Anzeichnen.
  3. Genereller Schlagverzicht für die Tanne oberhalb 1400 m ü.M.; Ausnahmen nur in begründeten Einzelfällen, z.B. bei Gruppenaufwuchs oder schlechten Provenienzen.
  4. Zielorientierte Massnahmen zur Verminderung des Wildverbisses.
  5. Gebiete mit prioritärem Handlungsbedarf bezeichnen. Vorranggebiete für erfolgversprechende Verjüngungszentren ermitteln.
  6. Punktuelle Pflanzungen in tannenfreien Beständen.
  7. Konzept zur Erfolgskontrolle festlegen.

Buche: Oberstes Ziel für die Buche ist die Erhaltung und Förderung von Samenbäumen. In Beständen, wo grossflächig kaum noch Buchen vorkommen, hat die konsequente Freistellung vorhandener Restbäume oberste Priorität. In Waldbauprojekten steht die Erzielung einer stabilen, stufigen Struktur im Vordergrund. Die Förderung vorhandener Ansamung, die gezielte Auslese stabiler Einzelbäume und eine gute räumliche Verteilung der Hauptbaumarten sind dabei wichtig. Auf der Basis des Wissens, das durch die vorliegende Erhebung bzw. durch die Standortskarte vorliegt, kann die Buche in der gesamten oberen Bergstufe künftig wieder eine sehr wertvolle Rolle spielen.

Esche: In den Tannen-Buchenmischwald kann die Esche nur eindringen, wenn nach Holzschlägen, Windwürfen oder bei speziellen Kleinstandorten während Jahrzehnten besonders günstige Lichtverhältnisse vorliegen. Sind diese gewährleistet, gilt es den natürlichen Aufwuchs zu ermöglichen. Mit gezielten, wenig aufwendigen Pflegeeingriffen können auf günstigen Standorten gesunde Einzelbäume freigestellt werden. Damit lässt sich die Stabilität von Beständen auf Jahrzehnte hinaus massgeblich verbessern. In dunkleren Beständen sind lokale Auflichtungen zur Förderung der Ansamung zu empfehlen. Die Erhaltung von Samenbäumen bildet dazu eine notwendige Voraussetzung.

Bergahorn: Der Bergahorn als weitere Laubbaumart wurde im vorliegenden Bericht nur am Rande untersucht, da seine Höhenverbreitung ein anderes Bild aufweist. Seine Bedeutung für die Gebirgswälder soll dies nicht schmälern. Im Tannen-Buchenwald ist er oft beigemischt, vereinzelt auch im Tannen-Fichtenwald. In speziellen Schuttwäldern nimmt er oft eine dominante Stellung ein. Auf nassen Standorten steigt er deutlich höher als die Esche und trägt hier deren wichtige Funktion bis in Höhenlagen von über 1400 Meter.