Eine Analyse anhand des europäischen Stammzahlhaltungsversuchs in Ottenstein

Die Bewirtschaftung der Fichte wird in manchen Regionen Österreichs immer mehr zu einer Herausforderung. Stürme, Trockenheit und vor allem Borkenkäfer setzen ihr massiv zu und es kommt zu flächenhaften Ausfällen von alten und mittelalten Beständen. Allerdings finden sich in den betroffenen Regionen auch Fichten-Jungbestände, die vor noch nicht allzu langer Zeit begründet wurden. Hier stellen sich viele Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer die Frage, wie solche Jungbestände vor dem Hintergrund eines wärmer und trockener werdenden Klimas behandelt werden sollen.

Aufbauend auf den Ergebnissen des langfristigen, waldwachstumskundlichen Versuchswesens empfiehlt das Institut für Waldwachstum und Waldbau des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) eine frühzeitige und kräftige Stammzahlreduktion und/oder Erstdurchforstung.

Eine derartige Bestandesbehandlung entschärft Trockenstresssituationen, fördert das Durchmesserwachstum und führt zu vitalen und stabilen Bäumen. Die ökomomischen Auswirkungen einer solchen Behandlung wurden bisher kaum untersucht.

Früh und kräftig – Woher stammt diese Idee?

Erstmals in Österreich schlug Schiffel am Beginn des 20. Jahrhunderts vor, Fichtenbestände bereits im Jugendstadium kräftig zu durchforsten. Die zu dieser Zeit revolutionäre Idee konnte sich aber in Österreich nicht durchsetzen und geriet – auch im Versuchswesen – relativ bald wieder in Vergessenheit (Neumann, 2014). Später, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, publizierte Assmann (1961) seine Theorie der maximalen, optimalen und kritischen Grundflächenhaltung und prägte dadurch die Durchforstung der Fichte bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die Erkenntnisse Assmanns basieren auf den Daten jener Durchforstungsversuche, die am Ende des 19. Jahrhunderts nach den Versuchsplänen des Vereins Deutscher Forstlicher Versuchsanstalten meist in mittelalten Beständen angelegt und nach den definierten Durchforstungsgraden (A-, B-, C-, D- und E-Grad) durchforstet worden waren. Die Behandlung von (stammzahlreichen) Jungbeständen war zum damaligen Zeitpunkt kein diskussionswürdiges Thema.

Anfängliche Skepsis

Erst in den 1960er Jahren wurde im Rahmen der IUFRO (International Union of Forest Research Organisations) ein Versuchskonzept entwickelt, bei dem Stammzahlreduktionen in der Dickungsphase und kräftige Eingriffe bei der Erstdurchforstung vorgesehen waren. Dieses Versuchskonzept wurde im Rahmen eines europäischen Stammzahlhaltungsversuchs in 14 Ländern umgesetzt. In Österreich erfolgte die Einrichtung der Versuchsanlage im Jahr 1969 durch Univ.-Prof. Dr. Josef Pollanschütz.

Die einheitliche Reduktion von ursprünglich mehr als 6.000 Fichten/ha auf 2.500 Fichten/ha bei einer Oberhöhe von fünf Metern und die in einer Variante weitergeführte, rasche Absenkung auf nur mehr 700 Fichten/ha bei einer Oberhöhe von 15 Metern ließ damals so manchen forstlichen Praktiker an Waldverwüstung denken. Die damalige Skepsis der forstlichen Praxis gegenüber einer derart extremen Behandlung lässt vermuten, dass Vergleichbares bis dahin nicht bekannt war und die Idee von frühen und kräftigen Eingriffen – zumindest in Österreich – tatsächlich auf den europäischen Stammzahlhaltungsversuch zurückgeht.

Behandlungsprogramm

Seit seiner Einrichtung wurde der Versuch wiederholt gemessen, zuletzt im Jahr 2016. Der Bestand war zu diesem Zeitpunkt genau 60 Jahre alt. Für den vorliegenden Beitrag wurden drei Parzellen ausgewählt:

  • Parzelle 10 repräsentiert die unbehandelte Vergleichsvariante, bei der weder die anfängliche Stammzahl-reduktion noch weitere aktive Durchforstungseingriffe durchgeführt wurden.
  • Parzelle 12 umfasst die Variante "Hohe Stammzahlhaltung". Dabei wurde bei einer Oberhöhe von 5 Metern eine schematische Stammzahlreduktion durchgeführt und die Stammzahl auf 3000 Bäume/ha gesenkt. Die Erstdurchforstung erfolgte ebenfalls schematisch bei einer Oberhöhe von 12,5 Metern. Die Stammzahl wurde dabei auf rund 1500 Bäume/ha reduziert. Es folgten noch drei weitere Durchforstungseingriffe mit einer Stammzahlabsenkung auf 1200 Bäume/ha bei einer Oberhöhe von 17,5 Metern, auf 900 Bäume/ha bei einer Oberhöhe von 22,5 Metern und auf 700 Bäume/ha bei einer Oberhöhe von 27,5 Metern.
  • Bei der auf Parzelle 14 umgesetzten Variante "Niedrige Stammzahlhaltung" wurde im Zuge einer Stammzahlreduktion bei einer Oberhöhe von 5 Metern die Stammzahl auf 2500 Bäume/ha gesenkt. Die anschließende Erstdurchforstung fand bereits bei einer Oberhöhe von 10 Metern statt. Dabei wurden 50 Prozent der Stammzahl bzw. 44 Prozent der Grundfläche entnommen. Auf die Erstdurchforstung folgten in rascher Folge zwei weitere Eingriffe, sodass bei einer Oberhöhe von 15 Metern nur mehr 700 Bäume/ha vorhanden waren. Der letzte Eingriff erfolgte wie bei allen anderen Varianten bei einer Oberhöhe von 27,5 Metern mit einer Absenkung der Stammzahl auf 400 Bäume/ha.

Wuchsleistung und Sortenstruktur

Die Variante "Niedrige Stammzahlhaltung" (Parzelle 14) ist hinsichtlich der mittleren Baumdimensionen eindeutig den beiden anderen Varianten (Parzellen 10 und 12) überlegen. Bei Grundfläche (G), Vorrat (V) und Gesamtwuchsleistung (GWL) ist die Variante "Hohe Stammzahlhaltung" der Variante "Niedrige Stammzahlhaltung" und der unbehandelten Vergleichsvariante überlegen (Tabelle 1).

Für die Ermittlung der Sortenstruktur wurden alle im Jahr 2016 auf den jeweiligen Parzellen stockenden Bäume sowie alle im Zuge von Vornutzungen entnommenen Bäume mit Hilfe von Schaftkurven rechnerisch in Sortimente ausgeformt. Betrachtet man nun die Verteilung der anfallenden Sortimente, so ist hier die Variante "Niedrige Stammzahlhaltung" mit einem Blochholzanteil (ab Stärkeklasse 2a) von 82 Prozent eindeutig im Vorteil.

Bei der Variante "Hohe Stammzahlhaltung" liegt der Blochholzanteil bei 71 Prozent und bei der unbehandelten Vergleichsvariante nur bei 44 Prozent. Beim Faser- und Energieholz bzw. bei den übrigen Schwachholzsortimenten ist die Reihung genau umgekehrt (Abbildung 1).

Erlöse, Kosten, Deckungsbeitrag

Für die Ermittlung der Holzerlöse wurden die rechnerisch ermittelten Holzsortimente herangezogen. Die Holzpreise wurden dem Marktbericht XI/2018 der Landwirtschaftskammer Österreich entnommen. Für die Schätzung der Holzerntekosten wurden die gleichen Modelle wie bei der Holz- und Biomassenstudie verwendet.

Für alle planmäßigen Vornutzungen sowie für die Endnutzung wurden die Kosten eines Harvester/Forwarder-Einsatzes unterstellt. Bei außerplanmäßigen Nutzungen mit einem Holzanfall von mehr als 30 Efm/ha wurde ebenfalls ein Harvester/Forwarder-Einsatz angenommen, bei geringeren Holzmengen wurden dagegen die Kosten eines Bauernakkordanten mit Traktor und Seilwinde unterstellt. Die auf Parzelle 12 und 14 durchgeführte Stammzahlreduktion wurde jeweils 2.000 €/ha kalkuliert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Variante "Niedrige Stammzahlhaltung" einen fast gleich hohen Deckungsbeitrag 1 von rund 55.000 €/ha erbringt wie die Variante "Hohe Stammzahlhaltung" (Abbildung 2).

Dies ist insofern bemerkenswert als die Gesamtwuchsleistung bei der Variante "Niedrige Stammzahlhaltung" um 167 Vfm/ha geringer ist (Tabelle 1). Verantwortlich für dieses Ergebnis ist einerseits ein höherer Durchschnittserlös aufgrund des höheren Blochholzanteils, andererseits sind die Holzerntekosten geringer wegen einer günstigeren Stück-Masse-Relation.

Der Deckungsbeitrag der unbehandelten Vergleichsvariante liegt mit 29.000 €/ha deutlich unter den beiden Durchforstungsvarianten. Die Vermeidung von Pflegeeingriffen führt daher nur zu einer scheinbaren Kosteneinsparung. Tatsächlich werden die Kosten hin zur Endnutzung verlagert was in Kombination mit dem höheren Schwachholzanteil zu einem vergleichsweise geringeren Deckungsbeitrag führt. Inaktivität bei der Jungbestandspflege ist daher keine sinnvolle Behandlungsoption.