Schonwälder sind Waldschutzgebiete, die der Umsetzung eines bestimmten Schutzzieles dienen. In den Schonwäldern "Löhlein" und "Wolferstetter Hölzle" südwestlich von Tauberbischofsheim bzw. nordöstlich von Hardheim im Naturpark "Neckartal-Odenwald" ist die Wiedereinführung der Mittelwaldwirtschaft als Schutzziel aufgeführt.

In einer gemeinsamen Aktion von Forstleuten der Unteren Forstbehörden in Walldürn und Wertheim und des Vereins für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung e.V. in Freiburg wurden Teilflächen beider Waldschutzgebiete im Frühjahr 2005 in Mittelwald überführt. Die durchhauenen Bestände geben einen Eindruck davon, wie die Wälder um die beiden Waldschutzgebiete noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgesehen haben.

Bau- und Brennholz aus einem Bestand

Charakteristisches Merkmal der damaligen Waldbewirtschaftung als Mittelwald ist die Kombination einer dichten Brennholzunterschicht aus stockausschlagsfähigen Baumarten wie z.B. der Hainbuche und der Linde mit starken Eichen, Eschen, Erlen und Ulmen mit kurzen Schäften und weit ausladenden Kronen in der Oberschicht. In solchen aufgelockerten, zweischichtigen Waldbeständen konnten so auf ein und derselben Fläche Bau- und Brennholz produziert werden.

In beiden Schonwäldern liegen die letzten planmäßigen Mittelwaldnutzungen bereits rund 100 Jahre zurück, deshalb waren in den Beständen nur noch wenige typische Strukturen der ursprünglichen Nutzungsform zu erkennen.Lediglich im Löhlein wurde bereits 1984 eine kleinere Teilfläche in Mittelwald überführt. Ziel der Hiebsmaßnahmen war es, den Beständen die Struktur eines Mittelwaldes zurückzugeben.

Dies erforderte ein Umdenken der Forstleute, die sich in die Bewirtschaftung nach historischen Vorgaben hineindenken mussten. Beispielsweise wurden beim Auszeichnen die verbleibenden Bäume markiert, und nicht – wie üblich – die aus dem Bestand ausscheidenden Bäume. Es musste auch darauf geachtet werden, dass die Entwicklung einer Brennholzschicht gefördert wird. Und auch dem Oberholz musste eine gestaffelte Struktur gegeben werden, je nach der Stärke der Bäume.

Geschichte

Mittelwaldwirtschaft war bis ins 19. Jahrhundert hinein eine für viele Laubwaldregionen Deutschlands typische Waldwirtschaftsform. Im Wolferstetter Hölzle beispielsweise ist die Mittelwaldwirtschaft bis zum Jahr 1905 belegt, im Löhlein wurde sie bis zum Jahr 1911 betrieben und reicht mindestens bis in das Jahr 1700 zurück. Erste sichere Belege für die Mittelwaldwirtschaft, die sich aus der ungeregelten Nutzung des frühen Mittelalters entwickelt hatte, stammen aus dem 13. Jahrhundert.

Die Nutzung des Rohstoffes Holz durch die Bevölkerung, der immer größer werdende Holzbedarf z.B. für Eisenverhüttung und Glasherstellung und das Abweiden der Waldverjüngung durch das in die Bestände getriebene Vieh führte in vielen Regionen zu Waldverwüstungen auf großer Fläche.

Die Mittelwaldwirtschaft entstand aus dem Bestreben nach einer geregelten nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Mit der Entwicklung der Eisenbahn als Transportmittel für große Entfernungen im 19. Jahrhundert gewann die Steinkohle als Energieträger gegenüber dem Rohstoff Holz mehr und mehr an Bedeutung. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurde der Mittelwaldbetrieb dann nach und nach abgelöst und mündete in den heutigen Hochwaldbetrieb.

Hat der Mittelwald eine Zukunft?

Die beiden Schonwälder sollen uns künftig einen Eindruck darüber geben, wie unsere Vorfahren ihren Wald bewirtschafteten und welche Auswirkungen ihre Vorgehensweise auf Tier- und Pflanzenarten hatte.

In Baden-Württemberg finden sich nur noch wenige Reste dieser historischen Waldnutzungsform. Um diese wertvollen Restflächen zu schützen, wurde die Zielsetzung "Mittelwaldwirtschaft" in das Waldschutzgebietsprogramm der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg aufgenommen. Danach ist der Schutz und Erhalt der Mittelwaldwirtschaft Teil der Zielsetzung auf landesweit insgesamt 45 ha Schonwaldfläche.

Andernorts spielt die Mittelwaldwirtschaft eine größere Rolle. So werden in Gemeindewäldern in Franken heute noch rund 5500 ha in traditioneller Weise bewirtschaftet. Auch im europäischen Ausland sind Mittelwälder noch häufiger zu finden. Im Norden und Nordosten Frankreichs wurden im Jahr 2001 knapp 3,5 Millionen Waldfläche als Mittelwald ausgewiesen.

Es gibt gute Gründe für den Fortbestand dieser alten Waldbewirtschaftungsform. Neben dem Erhalt forsthistorischen Wissens liegt ihre Bedeutung insbesondere im Bereich des Naturschutzes, wo sie unter Artenschutzaspekten zu den wertvollsten Waldwirtschaftsformen zählt. Die Wiedereinführung der Mittelwaldwirtschaft auf Beispielflächen stellt deshalb eine sinnvolle Ergänzung der heute üblichen Naturschutzmaßnahmen im Wald dar.

Von besonderem Interesse für den Waldbesitzer sind aber auch die Möglichkeiten, die sich im Mittelwald aus der Nutzung der nachwachsenden Ressource Holz als regenerativer Energiequelle ergeben. Dazu werden Konzepte benötigt, die eine Wiedereinführung der Mittelwaldwirtschaft unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ermöglichen, und die sich aus der wissenschaftlichen Untersuchung von Beispielsflächen ergeben könnten.

Die Modellprojekte im Wolferstetter Hölzle und im Löhlein haben deshalb nicht nur musealen Charakter. In beiden Fällen werden naturschutzfachliche und forsthistorische Aspekte in Nutzungsüberlegungen eingebunden und können Entscheidungsgrundlagen für künftige Entwicklungen liefern.

Literatur

  • Dieterle, T. (2004): Projekt der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg zur Schutzzielerreichung in Schonwäldern, Schonwald Löhlein im Forstbezirk Tauberbischofsheim. Unveröffentlichter Bericht des Vereins für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung e.V., 40 S.
  • Hörner, B. (2004): Projekt der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg zur Schutzzielerreichung in Schonwäldern, Wolferstetter Hölzle im Forstbezirk Walldürn. Unveröffentlichter Bericht des Vereins für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung e.V., 39 S.
  • Treiber, R. (2002): Mittelwaldnutzung – Grundlage der Vegetationsdynamik und Artenvielfalt in Wäldern der südelsässischen Hardt. Naturschutz und Landschaftsplanung 34, (11), S. 334 – 345.
  • Treiber, R. (2003): Genutzte Mittelwälder – Zentren der Artenvielfalt für Tagfalter und Widderchen im Südelsass. Naturschutz und Landschaftsplanung 35, (1), S. 50 – 63.