Die Sand-Birke (Betula pendula; "Birke") gehört zu den Baumarten mit der weitesten Verbreitung in Europa. In Mittel- und Westeuropa spielt sie allerdings keine nennenswerte Rolle als forstliche Wirtschaftsbaumart. Erfolgreiche Wertholzproduktion ist nur möglich, wenn waldbaulich konsequent der birkenspezifischen Wachstumsdynamik Rechnung getragen wird. Diese weicht erheblich von anderen Wirtschaftsbaumarten ab.

Ihre enorme ökologische Amplitude ermöglicht der Birke in Europa ein ausgesprochen weites Verbreitungsgebiet. Allerdings spielt diese Baumart im forstlichen Bereich nur eine geringe Rolle. Lediglich im Gebiet Fennoskandiens und des Baltikums ist sie in nennenswertem Umfang am Waldaufbau beteiligt.

Im Gegensatz dazu weisen die Wälder West- und Mitteleuropas allenfalls marginale Birkenanteile auf [1]. Neben ihrem Lichtbedürfnis und Pioniercharakter ist dies auch dadurch bedingt, dass Birken in der Vergangenheit häufig als schädliches "Unholz" eingestuft und konsequent bereits aus jüngeren Beständen entfernt wurden.

Der Pioniercharakter wird insbesondere bei Störungen deutlich. So stellt sich nach plötzlichem Bestandesverlust, beispielsweise nach Sturm auf den Freiflächen, oft rasch Birkenverjüngung in nennenswertem Umfang ein. Insbesondere dieses enorme Naturverjüngungspotenzial der Birke auf Freiflächen, beispielsweise nach großflächigen Sturmschäden, macht es erforderlich, sich mit dem waldbaulichen Umgang und den wirtschaftlichen Möglichkeiten dieser Baumart Klarheit zu verschaffen. Dabei zu klärende Aspekte haben zwei grundsätzlich unterschiedliche Stoßrichtungen: Wie wirken sich Birkenbeimischungen auf die Entwicklung der eigentlich angestrebten Zielbaumarten aus? Welche Möglichkeiten bestehen, um die Birke selbst erfolgreich als Zielbaumart zur Wertholzproduktion zu nutzen? Der hier präsentierte Beitrag konzentriert sich auf die zweite Frage.

Untersuchungen zur Wertholzproduktion mit Birke in Nordeuropa sind jedoch aufgrund der unterschiedlichen Standorts- und Baumartenverhältnisse sowie der dort üblichen außerordentlich geringen Verarbeitungsdurchmesser für Birkenwertholz (z. B. Finnland: Furnier-/Schnittware bei Zopfdurchmesser 18 cm m.R. und Mindestlänge 3,1 m) nur sehr eingeschränkt auf Mitteleuropa übertragbar. Für den deutschsprachigen Raum existieren zwar Ertragstafeln [5, 6, 13]. Quantifizierte, einzelbaumbezogene Beziehungen, beispielsweise zwischen Höhen, Kronengröße und Durchmesserzuwachs, sind nicht enthalten. Solche Beziehungen sind aber zwingend erforderlich, für die qualifizierte Entwicklung der Vorgaben für moderne, einzelbaumbezogene Produktionsmodelle zur Wertholzerzeugung.

Wachstum von Birken in Süddeutschland

Um diese Lücke zu schließen, führte die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg umfangreiche Untersuchungen zur Wuchsdynamik der Birke durch. In zahlreichen Beständen in Baden-Württemberg und im Saarland wurden dazu an insgesamt 514 Birken unterschiedliche waldwachstumskundliche Parameter aufgenommen und analysiert [1]. Folgende Hauptergebnisse wurden dabei erzielt:

Höhenwachstum

Aus den umfangreichen Messdaten ließ sich ein Bonitätsfächer ableiten (Abb. 1), der wesentliche Besonderheiten des Höhenwachstums deutlich macht. In der Jugend zeigt die Birke das für eine Pionierbaumart mit hohem Lichtbedarf erwartete außerordentlich rasche Höhenwachstum. Der Höhenzuwachs geht jedoch bald stark zurück und führt frühzeitig ab ca. 30 - 40 Jahren in die Endphase über mit nur noch marginalen Höhenzuwächsen. Daher erscheint es zweckmäßig, die Bonität bei Birke bereits mit der im Alter 60 Jahre erreichten Höhe zu charakterisieren.

Ebenfalls deutlich zu sehen ist, dass das Höhenwachstum der Birke in Süddeutschland ganz offenkundig von der Birken-Ertragstafel Schwappach [13] deutlich abweicht: Die auf der Basis dieser Ertragstafel abgeleiteten Schätzhilfen für die Forsteinrichtung in Baden-Württemberg [9] unterschätzen einerseits die Rasanz des Höhenwachstums in der frühen Jugend und führen andererseits zu deutlich überoptimistischen Einschätzungen über das Anhalten des Höhenzuwachses im höheren Alter (Abb. 2).

Kronenlänge

Die Höhe des Grünkronenansatzes an den gemessenen Birken stieg erwartungsgemäß mit zunehmender Baumhöhe. Bei identischer Baumhöhe sank sie mit zunehmendem BHD. D. h. ältere Birken haben bei gleicher Baumhöhe und BHD einen höher liegenden Kronenansatz und damit eine kürzere grüne Krone als jüngere Bäume. Während sich der Höhenzuwachs unbeeinflusst von der Behandlung entwickelt, lässt sich der Durchmesserzuwachs gezielt durch Durchforstungen steuern. Zunehmende Freistellung reduziert die Konkurrenz und fördert den Durchmesserzuwachs. Unsere Modelle zeigen deutlich, wie stark die Länge der Grünkrone bei der Birke durch Konkurrenz beeinflusst wird, wie schnell aber auch bei der Birke als Lichtbaumart das Astabsterben (nicht jedoch das "Abfallen" der Äste) fortschreitet.

Kronenbreite

Im Vergleich der Laubbaumarten bilden Birken die mit Abstand schmalsten Kronen aus. Aus dem auf den Messergebnissen aufgebauten Kronenmodell ergibt sich bei vergleichbaren Baumstärken (BHD 40 cm) und Konkurrenzverhältnissen (mittlerer Durchmesserzuwachs 8 mm) eine Kronenbreite von nur 6,2 m. Aus Kronenmodellen anderer Autoren wird deutlich, dass unter diesen Voraussetzungen Buche (8,1 m), Esche (7,7 m), Eiche (7,5 m) und Bergahorn (7,3 m) wesentlich stärker ausladende Kronen entwickeln.

Der Aufbau einer langen, leistungsfähigen grünen Krone beschränkt sich bei Birke im Wesentlichen auf die frühe Jugendphase mit ihrem raschen Höhenwachstum (bonitätsspezifisch 20 bis max. 30 Jahre). Später ist bei Birke aufgrund des früh und stark nachlassenden Höhenwachstums kein nennenswerter Kronenausbau mehr möglich.

Jahrringbreite

Aus unseren Messungen lässt sich abschätzen, dass das Zuwachspotenzial von Birken unter optimalen, weitgehend konkurrenzfreien Entwicklungsbedingungen in den ersten zwanzig Jahren etwa bei einer durchschnittlichen Jahrringbreite von 6 mm pro Jahr liegen dürfte. Bereits in den beiden folgenden Jahrzehnten sinkt dieses maximal mögliche Potenzial merklich auf im Mittel 4,5 mm pro Jahr und dürfte anschließend weiter signifikant zurückgehen auf im Mittel rd. 3 mm pro Jahr im fünften Jahrzehnt. Da keine Möglichkeiten eines später nachgeholten Kronenausbaus bestehen, sind konkurrenzbedingten Zuwachsrückgänge irreversibel.

Farbkern

Verfärbungen, die bei der Birke in der Regel als Braunkern auftreten, spielen für die Wertholzproduktion eine entscheidende Rolle, da stärker ausgeprägter Braunkern hochwertige Holzverwendungen (Furnier-, Schnittholz) ausschließt. Tatsächlich trat bei den auf Verfärbungen untersuchten 70 Birken, etwa ab 40 Jahre, mit zunehmendem Alter und BHD vermehrt Braunkern auf (Abb. 3). Über 60jährige Birken waren nur noch mit wenigen Ausnahmen frei von Braunkern.

Folgerungen für Wertholzproduktion mit Birke

Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Birke im Vergleich zu anderen Hauptbaumarten nur eine vergleichsweise geringe flächenbezogene Volumenleistung erbringt (z. B. [5, 6, 13]) und auch nennenswerten Produktionsrisiken ausgesetzt ist wie beispielsweise Farbverkernung [12] oder Schneedruck [3, 10]. Zum anderen ergeben sich aus den Untersuchungsbefunden zur birkenspezifischen Wachstumsdynamik klare Konsequenzen für eine auf Wertholzproduktion ausgerichtete waldbauliche Behandlung dieser Baumart in Süddeutschland:

  • Aufgrund des sehr früh kulminierenden und anschließend nahezu stagnierenden Höhenwachstums können Birken in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien bei mittlerer Bonität ab etwa 20 – 25 m Höhe (Alter ca. 30 - 40 Jahre) ihre Kronen kaum noch ausbauen. Mit eingeschränkter Kronenentwicklung geht gleichzeitig der Durchmesserzuwachs rasch und irreversibel zurück.
  • Eine erfolgreiche Wertholzproduktion erfordert daher möglichst früh einsetzende und konsequent fortgeführte Standraumerweiterungen. Zweiphasige Pflegekonzepte mit längerer Zeit des Dichtstandes zur Qualifizierung (Astreinigung) sind bei Birke nicht sinnvoll. Versäumnisse beim Kronenausbau in der frühen Jugendphase sind später im Prinzip nicht mehr kompensierbar.
  • Allerdings verlangsamen solche frühen Standraumerweiterungen weiter die beim Totasterhalter Birke ohnehin verzögerte Astreinigung. Es kommt dann zur Ausprägung langer, wertmindernder Totastzonen. Frühzeitige Entfernung der Totäste (in der Regel auf rd. 5 m Höhe) ist daher unverzichtbar; dies schließt auch die Entfernung einzelner Grünäste im Erdstammbereich ein. Die große Verletzungsanfälligkeit der Birke erfordert dabei zwingend besondere Sorgfalt: Verletzungen des Astkragens sind unbedingt zu vermeiden.
  • Mit dem Alter nimmt die Bildung entwertenden Braunkerns zu. Um die Entwertungsrisiken für Wertholz auf ein vertretbares Niveau zu begrenzen, sollte die Produktionsdauer 60 Jahre nicht überschreiten. Bei konsequenter und früher Freistellung erscheint in diesem Zeitraum auf Standorten normaler Wuchskraft, mit ca. 95 - 120 Z-Bäumen je Hektar, Wertholz mit (reduzierter) Zielstärke von BHD 45 - 50 cm erreichbar – frühe und konsequente Freistellung vorausgesetzt.
  • Die Möglichkeiten zur zielorientierten Wertholzproduktion beschränken sich im Wesentlichen auf mehr oder weniger reine Birkenbestände und Teilbereiche. Beimischungen anderer Wirtschaftsbaumarten reduzieren die Erfolgsaussichten der Wertholzproduktion mit Birke ganz erheblich: Das früh nachlassende Höhenwachstum führt dazu, dass die zunächst deutlich vorwüchsige Birke bereits nach wenigen Jahrzehnten von allen anderen Hauptbaumarten zunehmend eingeholt und überwachsen wird (Abb. 4). Es ist daher in Mischbeständen kaum bzw. nur mit erheblichem Hiebsaufwand möglich, den für ein ausreichendes Stärkenwachstum der Birke erforderlichen Kronenausbau gegen die Mischbaumarten durchzusetzen und bis zum Erreichen der Zielstärke zu halten.

Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass sich eine wirtschaftlich sinnvolle, gezielte waldbauliche Erziehung von Birkenwertholz in Mitteleuropa auf besondere Ausnahmesituationen beschränken dürfte. Dies wird vor allem nach Störungen für die entstandenen Freiflächen gelten, auf denen sich umfangreiche Birkenverjüngung einstellt, andere forstliche Hauptbaumarten aber fehlen bzw. aus wirtschaftlichen Gründen nicht eingebracht werden.

Diesem Grundsatz steht keinesfalls entgegen, dass die Birke in naturnahen Waldbaukonzepten durchaus auch waldbaulich eine Rolle spielen kann. Beispielsweise können Birkenbeimischungen zur Erhöhung der Biodiversität (z. B. [14]) und Verbesserung des Bodens beitragen (z. B. [8, 11]). Unter bestimmten Voraussetzungen lässt sich durch begrenzte Beimischungen auch eine Steigerung der Produktivität in Mischbeständen beobachten (z. B. [7]). Zudem lassen sich Birken auch unter Ausnutzung sukzessionaler Prozesse als Zeitmischung für die Wachstumssteuerung der eigentlichen Wirtschaftsbaumarten einsetzen [4].

Ingesamt bestehen also für einen sinnvollen waldbaulichen Umgang mit der Birke auch in Süddeutschland zahlreiche Ansätze – bezüglich einer gezielten Wertholzproduktion sind die Möglichkeiten jedoch eng begrenzt.

 

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