Den Klimawandel pfeifen zwischenzeitlich sogar die Spatzen vom Dach: so macht schon der Blick zurück eindrücklich klar, dass sich Klima auch in der Vergangenheit beständig verändert hat. Außerdem besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass sich der derzeit messbare Wandel auch in Zukunft fortsetzen wird. Hinsichtlich Geschwindigkeit und der Größenordnung der zu erwartenden Veränderungen gibt es zwar Unsicherheiten und unterschiedliche Einschätzungen. An der Tatsache eines anhaltenden Wandels und einer weiteren Erwärmung zweifeln aber nur wenige Unentwegte. Und wenn sich das Klima (stark genug) wandelt, dann wandelt sich eben auch der Wald – ob wir das nun wollen oder nicht!

Beim Umgang mit diesen Veränderungs- und/oder Anpassungsprozessen werden im forstlichen Bereich schwerpunktmäßig die beiden folgenden Aspekte diskutiert. Zum einen steht die Frage im Mittelpunkt, welche Baumarten über ausreichende Anpassungsfähigkeit verfügen, um in Wäldern und Klimaten von morgen eine Rolle spielen zu können. Zum anderen wird diskutiert, inwiefern bestehende Wälder im Klimawandel durch gezielte Pflege gestärkt und stabilisiert werden können – oder ob nicht möglicherweise sich selbst überlassene Wälder den Anpassungsprozess besser bewältigen.

Letztere Frage lässt sich pointiert auch so stellen: Ist aktives Durchforsten der Wäldern im Klimawandel hilfreich – oder vielleicht doch eher ein Risiko?

Zur Beantwortung gilt es folgendes zu berücksichtigen:

Bestandesdichte/Bodenfeuchte

Solange keine zusätzlichen Schäden auftreten führt Zurückhaltung oder Verzicht auf Durchforstung zu dichten Beständen mit relativ geschlossenen Kronen. Damit verbunden ist – abhängig von der Baumart – ein vergleichsweise kühles und feuchtes Bestandesinnenklima. Durchforstung lockert diesen Kronenschluss. Folgen sind (geringfügig) erhöhte Temperaturen und (etwas) reduzierte Luftfeuchten im Bestand. Vordergründig könnte dies den Schluss nahelegen, dass dies ungünstige Auswirkungen auf die Bodenfeuchte haben müsste, was einer Verschlechterung der Wasserversorgung der Bäume gleichkäme. Träfe dies zu, dann wären Durchforstungen im Klimawandel für die Bäume tatsächlich eher ungünstig zu beurteilen. Wäre! Denn der Knackpunkt ist die Frage, ob diese vordergründige Einschätzung auch wirklich stimmt?

Die Antwort: eher nicht! Das zeigt eine Sichtung der recht umfangreichen Literatur zu Untersuchungen, die sich gezielt mit Zusammenhängen zwischen Dürre, Durchforstung und (Zuwachs-)Stabilität befassen. Die Ergebnisse dazu variieren im Einzelnen naturgemäß. Im Großen und Ganzen findet sich jedoch eine einheitliche Tendenz. Nicht unerwartet führen Dürrejahre prinzipiell zu rückläufigen Zuwächsen und zwar sowohl in undurchforsteten Beständen als auch in durchforsteten. Danach bestehen jedoch klare graduelle Unterschiede. Während Dürre in undurchforsteten Beständen auch in den Folgejahren markant auf den Zuwachs der Bäume durchschlägt, entwickeln sich gut durchforsteten Beständen in den Folgejahren vergleichsweise zuwachsstabiler.

Einer der wichtigsten Gründe dürfte in der hier besseren Wasserversorgung der Bäume liegen. Tatsächlich trügt nämlich der vordergründige Anschein. Trotz (etwas) wärmeren Innenklimas wirkt sich Durchforsten nämlich positiv auf die Bodenfeuchte aus. Wie kommt das denn? Dafür sind vor allem die drei folgenden Aspekte relevant:

Weniger Interzeptionsverlust

Bei Regen wird ein Teil des Niederschlages im Kronendach zurückgehalten und verdunstet, ohne überhaupt erst auf den Boden zu gelangen (Abb. 2). Diese sogenannte Interzeption kann in Nadelbaumbeständen bis zu 30% des Niederschlags „verschwinden“ lassen, in Laubbaumbestände bis 20%. In von der Durchforstung im Kronendach geschaffenen Lücken entfällt die Interzeption und es kommt so etwas mehr Niederschlagswasser im Boden an.

Reduzierte Evapotranspiration

Das im Boden gespeicherte Wasser wird zum einen nach der Aufnahme über die Wurzeln von den Pflanzen aus Blättern/Nadeln verdunstet (Transpiration). Zum anderen kann Wasser auch direkt von der Bodenoberfläche aus verdunsten (Evaporation). Bei gleicher Einstrahlungsintensität übertrifft dabei die Verdunstung je Flächeneinheit Kronenoberfläche (Transpiration) die des nackten Bodens (Evaporation) in der Größenordnung um etwa das Zehnfache. Kommt es also nach Durchforstung dazu, dass die Sonnenstrahlung durch Lücken direkt bis auf den Boden reicht, steigt damit zwar die Evaporation vom Boden an, gleichzeitig sinken aber durch die verringerte Kronenoberfläche die Transpirationsverluste aus Blättern/Nadeln. Das heißt, die Gesamtverdunstung steigt damit nicht zwangsläufig an, sondern kann sogar – zumindest tendenziell – etwas zurückgehen.

Verringerte Wurzelkonkurrenz

Durch die Entnahme von Nachbarbäumen steht den verbleibenden Bäumen im frei werden Wurzelraum zusätzliche Wasser- und Nährstoffressourcen zur Verfügung, die genutzt werden können.

Bleibt festzuhalten: alle drei Effekte werden durch Durchforstung in eine Richtung beeinflusst, die den verbleibenden Bäumen eine verbesserte Wasserversorgung ermöglicht (Abb. 3). Im Klimawandel nicht ganz unwichtig. Trotz solcher Verbesserungen durch Durchforstungen, Wunder bewirken sie nicht. Schon gar nicht können dadurch klimatisch bereits überforderte Baumarten trockenheitsfest gemacht werden. Außerdem halten die positiven Wirkungen auch nicht auf Dauer an, sondern klingen mit zunehmendem Wachstum wieder ab: Das Kronendach schließt sich wieder und der frei gewordene Wurzelraum wird besetzt.

Abb. 3: Einfluss von Niederschlag, Verdunstung und Wurzelkonkurrenz auf die Wasserversorgung von Bäumen in einem Bestand mit geschlossenem Kronendach (links) bzw. in einem durchforsteten Bestand mit Lücken im Kronendach (rechts).

Durchforstungen und Wasserversorgung

Zusammenfassend kann also gelten: Entgegen gelegentlicher vordergründig abgeleiteter Vermutungen wirken sich Durchforstungen auf gar keinen Fall schädlich für die Wasserversorgung der Bäume aus. Das Gegenteil ist richtig, es ergeben sich tendenzielle Verbesserungen. Allerdings sind die positiven Wirkungen für die Wasserversorgung weder von weltbewegender Größenordnung noch von Dauer. Aber sie wirken in die richtige Richtung und lassen sich nach dem Abklingen durch erneute Durchforstung wiederholen. Deshalb ist konsequentes Durchforsten – gerade im Klimawandel – ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Wälder.

Dazu trägt auch bei, dass Durchforstungen zusätzlich zur tendenziellen Verbesserung der Wasserversorgung der Bäume noch andere Effekte zeitigt, die für die Stabilisierung von Beständen im Klimawandel ausgesprochen wichtig sein können:

  • Sicherung derzeit noch wuchsunterlegener Beimischungen, die jedoch im Klimawandel längerfristig eine gute Perspektive haben (z.B. Erhalt von Eichen-Beimischungen in Buchenbeständen).
  • Durch Förderung des Durchmesserwachstums werden angestrebte Zielstärken früher erreicht. Die Bestände sind dadurch im Durchschnitt jünger. Dies ist günstig zu beurteilen, da davon ausgegangen wird, dass jüngere Bäume ein besseres Anpassungsvermögen an Umweltveränderungen haben als ältere Bestände.
  • Wird der angestrebte Zieldurchmesser früher erreicht, sind die Bäume auch niedriger. Im Zusammenhang mit Sturmschadensprophylaxe ein ganz entscheidender Faktor! Denn die Baumhöhe ist einer der entscheidenden Faktoren für die Sturmschadensgefährdung, da mit zunehmender Baumhöhe die Windbelastung und damit die Sturmgefährdung rasch und stark ansteigen (Abb. 4).

Für die Stabilisierung bereits bestehender Bestände im Klimawandel spielen daher Durchforstungen eine ausgesprochen wichtige Rolle. Nicht durchforsten wäre völlig falsch. Es gilt also in Sachen Durchforstung auch im Klimawandel die Ärmel aufzukrempeln. Selbstverständlich in sinnvollem und angemessenem Umfang. Dabei gilt es folgende Regel zu beherzigen: Während in jungen, wuchsdynamischen Beständen auch starke Durchforstungen unproblematisch sind, muss mit zunehmendem Alter allmählich der Fuß vom Gaspedal genommen werden. „Brutaleingriffe“ in hohen, alten Beständen gehören jedenfalls nicht ins Instrumentarium angemessener Durchforstungen!